Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Risse im Bild der großen Einigkeit
Die AFD stellt ihre Liste für die Landtagswahl auf – und bietet gleichzeitig ihre inneren Konflikte dar
ARNSTADT. Da steht er nun auf der Bühne, der frisch nominierte Spitzenkandidat der Thüringer AFD, mit Blumenstrauß und passablen 84,4 Prozent Zustimmung. Dies ist der Moment, in dem ein Politiker seinen Parteikollegen dankt, Teamarbeit verspricht und ankündigt, für alle im Land da sein zu wollen.
Dies alles macht Björn Höcke am Samstagnachmittag natürlich auch, er weiß ja, was sich gehört. Aber dann schaltet er rasch um. Es tue ihm ja so leid, sagt er, dies aussprechen zu müssen, da doch „der Ronny“sich so um die Partei gekümmert habe. Aber er müsse ihn bitten, nicht für den Landtag zu kandidieren.
In den hinteren Reihen rumort es. Buhrufe ertönen. Etwa 20 Menschen stehen auf und verlassen schimpfend den Saal – und mit ihnen geht das Bild der großen Einigkeit, das Höcke so gerne vermittelt.
„Der Ronny“heißt mit Nachnamen Poppner und ist ein alter Mitstreiter des Landesvorsitzenden. Gemeinsam führten sie jahrelang den Kreisverband Nordhausen-eichsfeld-mühlhausen, Höcke als Kreischef, Poppner als sein Stellvertreter.
Und nun das: Weil Poppner im Dezember einen Beitrag der NPD bei sozialen Netzwerken teilte, wird er von Höcke öffentlich bloßgestellt. „Wir haben nichts mit der NPD zu tun“, ruft, nein schreit der Vorsitzende in den Saal der Arnstädter Brauerei.
Kurz darauf steht Ronny Poppner vor dem Saal, ein stämmiger Mann mit Bürstenfrisur. „Die Vorwürfe sind falsch und verlogen“, sagt er und erzählt von Machtkämpfen und Intrigen, in deren Mittelpunkt ein enger Mitarbeiter Höckes steht. „Ich bin hier nur das Bauernopfer, weil ich keinen Führerkult will.“Bei dem Facebook-beitrag, sagt Poppner, sei die NPD als Quelle nicht klar erkennbar gewesen, der Inhalt habe der politischen Richtung der AFD entsprochen. Außerdem sei es doch vor allem Höcke, der sich der Nähe zur NPD verdächtig gemacht habe.
Und dann kündigt der Ex-höcke-freund, der plötzlich als Renegat gilt, einen Sonderparteitag des nordthüringischen Kreisverbands an. Dort solle der Kreisvorsitzende Höcke die Vertrauensfrage stellen. „Das bedeutet faktisch die Spaltung des Kreisverbandes“, sagt ein Parteimitglied.
Sogar die „Alternative Mitte“, die sich selbst als liberal-konservative Gruppierung innerhalb der AFD bezeichnet, solidarisiert sich mit Poppner. Ihr Vertreter Jens Sprenger sagt, dass mit Poppner ein Kritiker Höckes „zu Unrecht öffentlich hingerichtet“werde.
Dennoch solidarisiert sich die Mehrheit des Parteitages deutlich mit Höcke. Wenn man die Wahlergebnisse für die Listenplätze berücksichtigt, hat der Landesvorsitzende mindestens drei Viertel der Mitglieder hinter sich – genauso wie die Bundesspitze.
Alexander Gauland hat vom Wahlkampf in Bayern extra einen unangekündigten Abstecher nach Arnstadt unternommen, um den Landesvorsitzenden zu stützen. „Ich finde es völlig richtig, was hier passiert“, sagt er in seiner Rede. „Wer Nazi-schweinkram teilt, hat in der Partei nichts verloren.“
Schon am Morgen, zum Beginn des Parteitages, hatte Höcke ein sogenanntes Grußwort gehalten, das eher wie eine Abrechnung mit internen Kritikern klang. Die „Alternative Mitte“bezeichnete er als „bunte Kleinsttruppe“, der es nur darum gehe, Dreck über der Partei auszukübeln. „Unsere Geduld ist am Ende“, rief er. „Ordnet euch ein oder haut endlich ab.“
„Ich bin hier nur das Bauernopfer, weil ich keinen Führerkult will.“Ronny Poppner, Kreisverband Nordhausen/eichsfeld/ Mühlhausen
Auch der früheren stellvertretenden Landesvorsitzenden Steffi Brönner, die ihn mehrfach öffentlich angegriffen hatte, attestierte er ein „einzigartiges Zerstörungswerk“und fordert sie zum Parteiaustritt auf. Und er teilte mit, dass die Partei eine Strafanzeige gegen Ex-afd-landeschef Matthias Wohlfahrt prüfe, weil er die Partei erpresse.
„Wir haben die Nase gestrichen voll von solchen Destrukteuren“, rief Höcke. Er habe zudem die Vermutung, „dass unsere Partei auch von außen angegriffen“werde.
„Bleibt wachsam!“, schreit Höcke in den Saal.
Dabei soll es doch in Arnstadt eigentlich um etwas ganz anderes gehen. Die Partei will schon mal die Sitze im künftigen Thüringer Landtag verteilen, der in einem Jahr gewählt wird.
Zwar geht man in der AFD davon aus, dass man bis zu zehn Mandate direkt in den Wahlkreisen gewinnen wird. Dennoch werden wohl die meisten Afd-mandate über die Parteiliste besetzt, die bis Sonntagabend gewählt werden soll.
Dass es mindestens zwei Tage dauert, ist dem Anspruch der AFD geschuldet, nicht so sein zu wollen wie die etablierten Parteien. Jedes der 1300 Mitglieder im Land ist stimmberechtigt, es gibt keinen Listenvorschlag des Landesvorstandes und bis Platz 29 ist einzeln abzustimmen. Am Ende wird der Parteitag nur bis Platz 15 kommen, was eine baldige Fortsetzung bedeutet.
Dass sich nur 300 statt der erwarteten 500 Menschen im Saal der städtischen Brauerei versammelt haben, könnte zwar diese Prozedur erleichtern, zumal sich die allermeisten um Disziplin bemühen. Doch dann gibt es stundenlange Irritationen um die richtige Verteilung der Stimmzettel.
Jene, die abstimmen, sind in der Mehrheit Männer mittleren Alters, der Frauenanteil liegt gefühlt unter 20 Prozent. Und so sehen auch die Kandidaten aus. Die wochenlang in vielen Telefonaten und Treffen ausgehandelte Liste wird zumindest an der Spitze durchgewählt, trotz aller Kampfkandidaturen.
Auf Platz 2 kommt Höckes Co-chef Stefan Möller, auf Platz 3 der Jenaer Kreischef Denny Jankowski und auf Platz 4 Tosca Kniese, die einzige Frau im Landesvorstand. Platz 5 gewinnt mit Robert Sesselmann ein Mann aus Südthüringen und Platz 6 der Pressesprecher der Partei, Torben Braga.
Gegen den Mann, der einst schon für den rechtsäußeren Verband der Deutschen Burschenschaften sprach, tritt Ronny Poppner dann doch an – und bekommt immerhin gut 40 Prozent der Stimmen, während Braga knapp 54 Prozent erhält.
Noch, so scheint es jedenfalls, haben die Gegner Höckes nicht aufgegeben