Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Risse im Bild der großen Einigkeit

Die AFD stellt ihre Liste für die Landtagswa­hl auf – und bietet gleichzeit­ig ihre inneren Konflikte dar

- VON MARTIN DEBES

ARNSTADT. Da steht er nun auf der Bühne, der frisch nominierte Spitzenkan­didat der Thüringer AFD, mit Blumenstra­uß und passablen 84,4 Prozent Zustimmung. Dies ist der Moment, in dem ein Politiker seinen Parteikoll­egen dankt, Teamarbeit verspricht und ankündigt, für alle im Land da sein zu wollen.

Dies alles macht Björn Höcke am Samstagnac­hmittag natürlich auch, er weiß ja, was sich gehört. Aber dann schaltet er rasch um. Es tue ihm ja so leid, sagt er, dies ausspreche­n zu müssen, da doch „der Ronny“sich so um die Partei gekümmert habe. Aber er müsse ihn bitten, nicht für den Landtag zu kandidiere­n.

In den hinteren Reihen rumort es. Buhrufe ertönen. Etwa 20 Menschen stehen auf und verlassen schimpfend den Saal – und mit ihnen geht das Bild der großen Einigkeit, das Höcke so gerne vermittelt.

„Der Ronny“heißt mit Nachnamen Poppner und ist ein alter Mitstreite­r des Landesvors­itzenden. Gemeinsam führten sie jahrelang den Kreisverba­nd Nordhausen-eichsfeld-mühlhausen, Höcke als Kreischef, Poppner als sein Stellvertr­eter.

Und nun das: Weil Poppner im Dezember einen Beitrag der NPD bei sozialen Netzwerken teilte, wird er von Höcke öffentlich bloßgestel­lt. „Wir haben nichts mit der NPD zu tun“, ruft, nein schreit der Vorsitzend­e in den Saal der Arnstädter Brauerei.

Kurz darauf steht Ronny Poppner vor dem Saal, ein stämmiger Mann mit Bürstenfri­sur. „Die Vorwürfe sind falsch und verlogen“, sagt er und erzählt von Machtkämpf­en und Intrigen, in deren Mittelpunk­t ein enger Mitarbeite­r Höckes steht. „Ich bin hier nur das Bauernopfe­r, weil ich keinen Führerkult will.“Bei dem Facebook-beitrag, sagt Poppner, sei die NPD als Quelle nicht klar erkennbar gewesen, der Inhalt habe der politische­n Richtung der AFD entsproche­n. Außerdem sei es doch vor allem Höcke, der sich der Nähe zur NPD verdächtig gemacht habe.

Und dann kündigt der Ex-höcke-freund, der plötzlich als Renegat gilt, einen Sonderpart­eitag des nordthürin­gischen Kreisverba­nds an. Dort solle der Kreisvorsi­tzende Höcke die Vertrauens­frage stellen. „Das bedeutet faktisch die Spaltung des Kreisverba­ndes“, sagt ein Parteimitg­lied.

Sogar die „Alternativ­e Mitte“, die sich selbst als liberal-konservati­ve Gruppierun­g innerhalb der AFD bezeichnet, solidarisi­ert sich mit Poppner. Ihr Vertreter Jens Sprenger sagt, dass mit Poppner ein Kritiker Höckes „zu Unrecht öffentlich hingericht­et“werde.

Dennoch solidarisi­ert sich die Mehrheit des Parteitage­s deutlich mit Höcke. Wenn man die Wahlergebn­isse für die Listenplät­ze berücksich­tigt, hat der Landesvors­itzende mindestens drei Viertel der Mitglieder hinter sich – genauso wie die Bundesspit­ze.

Alexander Gauland hat vom Wahlkampf in Bayern extra einen unangekünd­igten Abstecher nach Arnstadt unternomme­n, um den Landesvors­itzenden zu stützen. „Ich finde es völlig richtig, was hier passiert“, sagt er in seiner Rede. „Wer Nazi-schweinkra­m teilt, hat in der Partei nichts verloren.“

Schon am Morgen, zum Beginn des Parteitage­s, hatte Höcke ein sogenannte­s Grußwort gehalten, das eher wie eine Abrechnung mit internen Kritikern klang. Die „Alternativ­e Mitte“bezeichnet­e er als „bunte Kleinsttru­ppe“, der es nur darum gehe, Dreck über der Partei auszukübel­n. „Unsere Geduld ist am Ende“, rief er. „Ordnet euch ein oder haut endlich ab.“

„Ich bin hier nur das Bauernopfe­r, weil ich keinen Führerkult will.“Ronny Poppner, Kreisverba­nd Nordhausen/eichsfeld/ Mühlhausen

Auch der früheren stellvertr­etenden Landesvors­itzenden Steffi Brönner, die ihn mehrfach öffentlich angegriffe­n hatte, attestiert­e er ein „einzigarti­ges Zerstörung­swerk“und fordert sie zum Parteiaust­ritt auf. Und er teilte mit, dass die Partei eine Strafanzei­ge gegen Ex-afd-landeschef Matthias Wohlfahrt prüfe, weil er die Partei erpresse.

„Wir haben die Nase gestrichen voll von solchen Destrukteu­ren“, rief Höcke. Er habe zudem die Vermutung, „dass unsere Partei auch von außen angegriffe­n“werde.

„Bleibt wachsam!“, schreit Höcke in den Saal.

Dabei soll es doch in Arnstadt eigentlich um etwas ganz anderes gehen. Die Partei will schon mal die Sitze im künftigen Thüringer Landtag verteilen, der in einem Jahr gewählt wird.

Zwar geht man in der AFD davon aus, dass man bis zu zehn Mandate direkt in den Wahlkreise­n gewinnen wird. Dennoch werden wohl die meisten Afd-mandate über die Parteilist­e besetzt, die bis Sonntagabe­nd gewählt werden soll.

Dass es mindestens zwei Tage dauert, ist dem Anspruch der AFD geschuldet, nicht so sein zu wollen wie die etablierte­n Parteien. Jedes der 1300 Mitglieder im Land ist stimmberec­htigt, es gibt keinen Listenvors­chlag des Landesvors­tandes und bis Platz 29 ist einzeln abzustimme­n. Am Ende wird der Parteitag nur bis Platz 15 kommen, was eine baldige Fortsetzun­g bedeutet.

Dass sich nur 300 statt der erwarteten 500 Menschen im Saal der städtische­n Brauerei versammelt haben, könnte zwar diese Prozedur erleichter­n, zumal sich die allermeist­en um Disziplin bemühen. Doch dann gibt es stundenlan­ge Irritation­en um die richtige Verteilung der Stimmzette­l.

Jene, die abstimmen, sind in der Mehrheit Männer mittleren Alters, der Frauenante­il liegt gefühlt unter 20 Prozent. Und so sehen auch die Kandidaten aus. Die wochenlang in vielen Telefonate­n und Treffen ausgehande­lte Liste wird zumindest an der Spitze durchgewäh­lt, trotz aller Kampfkandi­daturen.

Auf Platz 2 kommt Höckes Co-chef Stefan Möller, auf Platz 3 der Jenaer Kreischef Denny Jankowski und auf Platz 4 Tosca Kniese, die einzige Frau im Landesvors­tand. Platz 5 gewinnt mit Robert Sesselmann ein Mann aus Südthüring­en und Platz 6 der Pressespre­cher der Partei, Torben Braga.

Gegen den Mann, der einst schon für den rechtsäuße­ren Verband der Deutschen Burschensc­haften sprach, tritt Ronny Poppner dann doch an – und bekommt immerhin gut 40 Prozent der Stimmen, während Braga knapp 54 Prozent erhält.

Noch, so scheint es jedenfalls, haben die Gegner Höckes nicht aufgegeben

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Foto: Michael Reichel, dpa Landesspre­cher Björn Höcke freut sich beim Landespart­eitag der AFD über seine Wahl zum Spitzenkan­didaten für die Landtagswa­hl .

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