Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Zweites Leben als Herberge oder Konzerthaus
Verwaiste Gotteshäuser stellen die katholische und evangelische Kirche in Thüringen vor große Herausforderungen
ERFURT. Thüringen ist reich an Kirchen, doch nicht alle werden mehr als Gotteshäuser genutzt. Mehrere evangelische und katholische Kirchen sind in den vergangenen Jahren in weltliche Gebäude wie Kulturzentren oder Pensionen umgewandelt worden. Allein beim Bistum Erfurt seien seit der Jahrtausendwende insgesamt 13 Kirchen und Kapellen umgewidmet worden, sagte Bistumssprecher Peter Weidemann. Im Bistum Erfurt gibt es aktuell 225 Kirchen und Kapellen, die liturgisch genutzt werden. 2008 seien es 229, im Jahr 1998 noch 238 gewesen.
Die evangelische Kirche hat in den vergangenen 20 Jahren etwa fünf nicht mehr genutzte Gotteshäuser abgerissen oder verkauft. Aktuell gebe es in Thüringen etwa 1900 evangelische Kirchen, sagte die zuständige Referatsleiterin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKMD), Elke Bergt.
Eine ungewöhnliche Verbindung zwischen Gotteshaus und Freizeiteinrichtung gibt es im südthüringischen Sülzfeld. Dort ist in einem Teil einer Kirche vor einigen Jahren eine Kletterwand eingebaut worden – auch wenn sie grundsätzlich weiter von den Gläubigen für Gottesdienste genutzt wird. Die Wand sei im Kirchturm eingebaut worden. Die Kletterwand befindet sich direkt über dem Altarraum.
„Die Idee für dieses Projekt kam aus unserer Sektion, jedoch war auch die Kirche nach der ersten Anfrage durchaus an einer Nutzung von im Prinzip leerstehenden Räumlichkeiten interessiert“, sagte der Vorsitzende der Sektion Meiningen des Deutschen Alpenvereins, Gunter Ungerecht. Geklettert werde natürlich nur dann, wenn keine kirchlichen Veranstaltungen anstünden. Von der Nutzung als Kletterraum profitierten nicht nur der Verein und die Kirche, sondern auch die Gemeinde. Denn die Kletteranlage werde hauptsächlich für die Kinderund Jugendarbeit genutzt.
Eine der inzwischen anderweitig genutzten Kirchen steht nach Angaben des Sprechers der EKMD, Ralf-uwe Beck, in Weißensee (Kreis Sömmerda). Sie wird heute als Kulturkirche genutzt – ähnlich wie ein weiteres Gotteshaus in Bad Langensalza (Unstrut-hainich-kreis), wo beispielsweise regelmäßig Konzerte stattfinden. Das Bistum Erfurt hat eine der umgewidmeten Gotteshäuser in ein Kunstmagazin der katholischen Kirche umgewandelt, elf seien verkauft worden. Eine der verkauften Kirchen sei heute eine Pension.
Das evangelische Landeskirchenamt geht davon aus, dass etwa ein Viertel der Kirchen nur sehr selten genutzt werde, vor allem im ländlichen Raum. Innerhalb der EKMD denke man deshalb darüber nach, die Gebäude wie in Sülzfeld mit Vereinen, der Diakonie oder den Kommunen gemeinsam zu nutzen, sagte Sprecher Beck. In Blankenhain sei so bereits eine Gesundheitskirche entstanden, in Neustadt am Rennsteig gebe es eine Herbergskirche.
In der katholischen Kirche ist von einem „Einzelphänomen“die Rede. „Vom Leerstand sind allenfalls Kirchen und Kapellen, nicht aber die Pfarrkirchen, also die Hauptkirchen der Pfarrgemeinden, betroffen“, sagte Bistumssprecher Weidemann. Für die Nachnutzung von katholischen Kirchen im Bistum Erfurt gebe es keinen Generalplan. Es werde nach Einzelfall-lösungen gesucht. Allerdings habe man konkrete Vorstellungen davon, wie die Gebäude in Zukunft nicht genutzt werden dürften. So werde bei einem eventuellen Verkauf vertraglich geregelt, dass die Immobilien etwa nicht zu Bordellen oder Spielhallen gemacht werden. ( dpa)