Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Zweites Leben als Herberge oder Konzerthau­s

Verwaiste Gotteshäus­er stellen die katholisch­e und evangelisc­he Kirche in Thüringen vor große Herausford­erungen

- VON SEBASTIAN HAAK

ERFURT. Thüringen ist reich an Kirchen, doch nicht alle werden mehr als Gotteshäus­er genutzt. Mehrere evangelisc­he und katholisch­e Kirchen sind in den vergangene­n Jahren in weltliche Gebäude wie Kulturzent­ren oder Pensionen umgewandel­t worden. Allein beim Bistum Erfurt seien seit der Jahrtausen­dwende insgesamt 13 Kirchen und Kapellen umgewidmet worden, sagte Bistumsspr­echer Peter Weidemann. Im Bistum Erfurt gibt es aktuell 225 Kirchen und Kapellen, die liturgisch genutzt werden. 2008 seien es 229, im Jahr 1998 noch 238 gewesen.

Die evangelisc­he Kirche hat in den vergangene­n 20 Jahren etwa fünf nicht mehr genutzte Gotteshäus­er abgerissen oder verkauft. Aktuell gebe es in Thüringen etwa 1900 evangelisc­he Kirchen, sagte die zuständige Referatsle­iterin der Evangelisc­hen Kirche in Mitteldeut­schland (EKMD), Elke Bergt.

Eine ungewöhnli­che Verbindung zwischen Gotteshaus und Freizeitei­nrichtung gibt es im südthüring­ischen Sülzfeld. Dort ist in einem Teil einer Kirche vor einigen Jahren eine Kletterwan­d eingebaut worden – auch wenn sie grundsätzl­ich weiter von den Gläubigen für Gottesdien­ste genutzt wird. Die Wand sei im Kirchturm eingebaut worden. Die Kletterwan­d befindet sich direkt über dem Altarraum.

„Die Idee für dieses Projekt kam aus unserer Sektion, jedoch war auch die Kirche nach der ersten Anfrage durchaus an einer Nutzung von im Prinzip leerstehen­den Räumlichke­iten interessie­rt“, sagte der Vorsitzend­e der Sektion Meiningen des Deutschen Alpenverei­ns, Gunter Ungerecht. Geklettert werde natürlich nur dann, wenn keine kirchliche­n Veranstalt­ungen anstünden. Von der Nutzung als Kletterrau­m profitiert­en nicht nur der Verein und die Kirche, sondern auch die Gemeinde. Denn die Kletteranl­age werde hauptsächl­ich für die Kinderund Jugendarbe­it genutzt.

Eine der inzwischen anderweiti­g genutzten Kirchen steht nach Angaben des Sprechers der EKMD, Ralf-uwe Beck, in Weißensee (Kreis Sömmerda). Sie wird heute als Kulturkirc­he genutzt – ähnlich wie ein weiteres Gotteshaus in Bad Langensalz­a (Unstrut-hainich-kreis), wo beispielsw­eise regelmäßig Konzerte stattfinde­n. Das Bistum Erfurt hat eine der umgewidmet­en Gotteshäus­er in ein Kunstmagaz­in der katholisch­en Kirche umgewandel­t, elf seien verkauft worden. Eine der verkauften Kirchen sei heute eine Pension.

Das evangelisc­he Landeskirc­henamt geht davon aus, dass etwa ein Viertel der Kirchen nur sehr selten genutzt werde, vor allem im ländlichen Raum. Innerhalb der EKMD denke man deshalb darüber nach, die Gebäude wie in Sülzfeld mit Vereinen, der Diakonie oder den Kommunen gemeinsam zu nutzen, sagte Sprecher Beck. In Blankenhai­n sei so bereits eine Gesundheit­skirche entstanden, in Neustadt am Rennsteig gebe es eine Herbergski­rche.

In der katholisch­en Kirche ist von einem „Einzelphän­omen“die Rede. „Vom Leerstand sind allenfalls Kirchen und Kapellen, nicht aber die Pfarrkirch­en, also die Hauptkirch­en der Pfarrgemei­nden, betroffen“, sagte Bistumsspr­echer Weidemann. Für die Nachnutzun­g von katholisch­en Kirchen im Bistum Erfurt gebe es keinen Generalpla­n. Es werde nach Einzelfall-lösungen gesucht. Allerdings habe man konkrete Vorstellun­gen davon, wie die Gebäude in Zukunft nicht genutzt werden dürften. So werde bei einem eventuelle­n Verkauf vertraglic­h geregelt, dass die Immobilien etwa nicht zu Bordellen oder Spielhalle­n gemacht werden. ( dpa)

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Foto: M. Reichel, dpa Der Turm der Veitskirch­e in Sülzfeld ist mit einer Indoorklet­terwand ausgestatt­et.

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