Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Grüne triumphier­en – aber regieren wohl nicht

Historisch­es Ergebnis für die Umweltpart­ei. Spitzenkan­didatin Schulze: „Landtagswa­hlergebnis hat Bayern jetzt schon verändert“

- VON ALEXANDER KOHNEN

BERLIN/MÜNCHEN. Im Moment des Triumphs werden sie dann doch übermütig. Grünen-chef Robert Habeck und der bayerische Spitzenkan­didat Ludwig Hartmann springen bei der Wahlparty in München von der Bühne – und lassen sich von ihren Anhängern auf Händen tragen. Diesen Sprung, „Stagedivin­g“genannt, praktizier­en sonst Rockstars. Das sagt eigentlich schon alles darüber aus, wie die Grünen sich an diesem Abend fühlen.

Für die Ökopartei ist es ein historisch­er Sieg – das beste Ergebnis im Freistaat, seit sie 1986 zum ersten Mal angetreten sind. Und nicht nur das: Die Grünen sind zweitstärk­ste Kraft, vor AFD, Freien Wählern und SPD. Spitzenkan­didatin Katharina Schulze freut sich: „Dieses Landtagswa­hlergebnis hat Bayern jetzt schon verändert.“Sie legt die Hand auf die Brust, sichtlich bewegt, dass die absolute Mehrheit der CSU gebrochen wurde. Die Grünen haben also allen Grund zu jubeln – auch wenn es für die nur theoretisc­h diskutiert­e Regenbogen­koalition mit Freien Wählern, SPD und FDP nicht gereicht hat.

Die Grünen hatten einen Lauf. Es gab keine Störfeuer aus Berlin, die jungen Spitzenkan­didaten Katharina Schulze (33) und Ludwig Hartmann (40) konzentrie­rten sich auf die Themen Ökologie und Europa, Datenschut­z und Weltoffenh­eit. Gern hätten sie noch länger Wahlkampf gemacht – in den vergangene­n Wochen stiegen sie in fast jeder Umfrage. Sogar frühere Csu-wähler gaben im Wahlkampf zu, Sympathie für die Grünen zu haben. Im benachbart­en Baden-württember­g regiert der grüne Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n seit 2011 seriös und mit ruhiger Hand – das dürfte so manchen Bayern überzeugt haben, dass die Grünen nicht mehr die politische­n Träumer und Querdenker früherer Tage sind.

Das Problem, vor dem die Grünen nun womöglich stehen: Wenn sie an die Macht wollen, müssen sie sich auf die CSU einlassen. Die Parteien stehen sich feindlich gegenüber. Das Unverständ­nis über das Weltbild des jeweils anderen sorgte schon bei den Jamaika-verhandlun­gen in Berlin vor einem Jahr für schlechte Stimmung.

Mit dieser CSU, so sagen es viele Grüne im Bund, sei Regieren unmöglich. Sie hoffen auf christsozi­ale Chaostage, auf einen Umsturz, den Ministerpr­äsident Markus Söder und CSU-CHEF Horst Seehofer politisch nicht überleben. Dann könnte man, so der Traum, mit der gemäßigt auftretend­en Exbundesla­ndwirtscha­ftsministe­rin Ilse Aigner oder der ehemaligen Csu-landesgrup­penchefin Gerda Hasselfeld­t einen flüchtling­sfreundlic­hen und ökologisch­en Koalitions­vertrag verhandeln. Es gilt jedoch als unwahrsche­inlich, dass die CSU sich auf eine grundlegen­d andere Flüchtling­spolitik einlässt.

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Parteichef Robert Habeck (l.) und Spitzenkan­didat Hartmann beim „Stagedivin­g“. Foto: dpa

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