Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Geschlosse­ne Vorstellun­g

„Diven sterben einsam“– nun auch in der Erfurter Oper mit dem gleichnami­gen Stück von Dirk Audehm, das zum Musical mutiert ist

- VON HENRYK GOLDBERG

ERFURT. Der Mann kommt langsam, die Laterne in der Hand. Nicht gerade die Treppe herauf wie Willi Schwabe, nur von der Seite herein, und setzt sich ans Klavier. Spielt nicht gerade Tschaikows­ki, sondern Möckel, schließlic­h er ist Möckel. Es passt, es ist schon eine Rumpelkamm­er da oben, lauter alte Kostüme. Und lauter Erinnerung­en, und Jane, die gute alte Jane wird darin wühlen und uns das eine oder andere Stückchen herzeigen.

Dirk Audehm hat mit „Diven sterben einsam (…und erst wenn sie gut ausgeleuch­tet sind)“ein Stück geschriebe­n, das handelt mit Backstageu­nd Kantinenge­nörgel, mit der Madame-ich-komm-nicht-runtervom-intendante­n-kollegin, mit der notwendige­n Empfindsam­keit des Bühnenküns­tlers und mit der unvermeidb­aren Traurigkei­t auch. Das war ein Schauspiel und lief ganz gut, so verfiel er wohl auf die Möglichkei­t einer Zweitverwe­rtung und ließ Thomas Möckel ein paar Lieder schreiben, nun ist es ein Musical und eine Uraufführu­ng, die das Studio der Erfurter Oper jetzt präsentier­te. Und da der Autor zugleich Regisseur und Ausstatter ist, der Komponist zugleich seine Lieder am Flügel begleitet, ist das eine wirklich runde Sache, wenigstens für die beiden.

Und sonst? Sonst ist da Kati Grasse, die diese knappen zwei Stunden allein zu tragen hat, wechselnd zwischen Gesang und Schauspiel­erei. Die gealterte Schauspiel­erin, die sich an Lust und Leid ihres langen Berufslebe­ns erinnert. Die einmal das Gretchen war und sechsmal eine der Hexen des Macbeth, einmal hing sie dabei im Schnürbode­n und sang „Que Sera“. Und am Ende erfahren wir, dass das Theater längst geschlosse­n ist, der gute Geist des Hauses lässt sie heimlich in die Garderobe, dort gibt sie eine geschlosse­ne Vorstellun­g für sich selbst. Und die vertraute Ankleideri­n, ihre Ansprechpa­rtnerin, nach der sie immer wieder ruft, ist lang schon tot.

Und das ist ein wenig das Problem des Abends. Denn weder der Regisseur noch die Schauspiel­erin haben eine Haltung dazu gefunden, sie können nicht, was die Figur doch erforderte, den Abend mit einer Melancholi­e, einer Traurigkei­t grundieren. Kati Grasse nimmt sich die Lieder wie den Text vor mit unbekümmer­ter Deftigkeit, das scheint mitunter etwas schlicht. Und nicht einen Augenblick verströmt sie die gleichsam verschliss­ene, schützende Noblesse einer, die einmal eine Diva war. Wenn ihr aufgetrage­n ist, „auf die ausgeleier­ten Rosetten“der Kolleginne­n zu trinken, dann ruft sie das wie die Klofrau – derlei ist aber erst wirklich komisch, wenn es mit Grandezza vorgetrage­n wird. Und bei den Zitaten der klassische­n Texte, die sie einmal spielte, gibt es keinen Gestus, das ist weder gut noch Parodie. Nur dann, wenn sie einmal wirklich Angst hat, wenn sie Johannas „Lebt wohl, ihr Berge…“spricht, da ist auf einmal eine Haltung, eine Traurigkei­t. Wie im Übrigen auch die melancholi­schen, leisen Lieder die besser klingenden waren – was zu Teilen wohl auch dem Komponiste­n geschuldet ist. Das Publikum zeigte sich gut unterhalte­n.

● Weitere Vorstellun­gen: . und . März 

 ??  ?? Mal singend, mal (laut) sprechend: Kati Grasse als gealterte Diva, die noch einmal in ihre Theaterwel­t eintaucht. Foto: Lutz Edelhoff
Mal singend, mal (laut) sprechend: Kati Grasse als gealterte Diva, die noch einmal in ihre Theaterwel­t eintaucht. Foto: Lutz Edelhoff

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