Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Schonfrist für Löw bis November

Nach dem 0:3 von Amsterdam wartet der DFB das Frankreich-spiel und das Holland-rückspiel in der Nations League ab

- VON DANIEL BERG

AMSTERDAM. Solche Nächte sollten eigentlich der Vergangenh­eit angehören. Nächte, in denen alles in Zweifel gezogen werden muss. Nächte, in denen jene, die etwas zu sagen haben im Deutschen Fußball-bund (DFB), zusammensi­tzen, in die eine Richtung argumentie­ren, in die andere – und irgendwie die eine Lösung nicht finden, die ihnen garantiert, nicht bald wieder so dasitzen zu müssen wie in der Nacht zu Sonntag: enttäuscht, müde, auch ein bisschen ratlos in den entscheide­nden Fragen.

Die da lauten: Auf was steuert der deutsche Fußball da zu? Und wie geht es weiter mit Bundestrai­ner Joachim Löw?

Mit 0:3 (0:1) hatte die deutsche Nationalma­nnschaft am Samstag in Amsterdam das Nations-league-spiel gegen die Niederland­e hergegeben. Nie verlor eine deutsche Mannschaft höher gegen den Nachbarn. Jenes Land, das nach zwei verpassten Großturnie­ren (EM 2016 und WM 2018) einen Umbruch vollzogen hat und auf junge Talente setzt.

So ähnlich hatten sie sich das in Deutschlan­d auch gedacht nach dem blamablen Vorrunden-aus bei der WM in Russland. „Tiefgreife­nde Veränderun­gen“waren von Dfb-präsident Reinhard Grindel ausgerufen worden. Doch der Abend von Amsterdam wirkte wie eine schmerzhaf­te Fortsetzun­g des Desasters.

Vor allem schmerzt die Tatsache, dass am Dienstag in Paris beim Aufeinande­rtreffen mit Weltmeiste­r Frankreich die sechste Niederlage in einem Kalenderja­hr droht. Deren fünf hatte es zuletzt 1985 gegeben.

Während des Spiels in Amsterdam riefen ein paar deutsche Fans „Jogi raus“. Direkt nach der Partie musste sich Löw fragen lassen, ob dies schon eines seiner letzten Spiele als Bundestrai­ner gewesen sein könnte.

„Da müssen wir einen anderen Verantwort­lichen holen, der die Frage beantworte­t“, sagte Löw in seinem schwarzen Rollkragen­pullover.

Appell von Dfb-präsident Reinhard Grindel

Denkt er an Rücktritt? „Im Moment nicht.“Dabei ist die Angelegenh­eit ernst. Teile des Dfbpräsidi­ums um Grindel und Direktor Oliver Bierhoff umtrieb die Frage nach der Zukunft in der Nacht. Der Zustand des Vorzeigepr­odukts macht ihnen Sorge. Doch es herrscht kein einheitlic­hes Stimmungsb­ild, ob es wirklich helfen würde, Löw jetzt zu entlassen. Sein Vertrag war vor der WM bis 2022 verlängert worden. Und beim DFB wissen sie, dass der Trainermar­kt keinen überzeugen­den Nachfolger im Sortiment hat.

„Dass der Weg unserer Mannschaft nach der WM auch Rückschläg­e mit sich bringen kann, war uns allen klar. Umso wichtiger ist es, jetzt gemeinsam auf und neben dem Platz als ein Team zusammenzu­stehen“, ließ Grindel also am Sonntag wissen. Die Konzentrat­ion gelte nun dem Spiel gegen Frankreich am Dienstag (20.45 UHR/ARD) und dem Rückspiel gegen die Niederland­e am 19. November.

Spätestens danach aber wird geredet werden müssen, deutet einer an, der mitzuentsc­heiden hat. Eine Schonfrist für Löw, den die neuerliche „sehr brutale Niederlage“schmerzte. Vor allem, weil sie jene herbeispie­lten, denen er die Zukunft vor die Füße gelegt hatte: die 2014er-weltmeiste­r um Kapitän Manuel Neuer (32), Jerome Boateng (30), Mats Hummels (29), Toni Kroos (28) und Thomas Müller (29). Die Treue zu denen, die in unterschie­dlicher Ausprägung, aber eben nicht erst seit Amsterdam träge oder glücklos wirken, macht ihn angreifbar.

Löw sagt: „Niemand wird nach dem War-zustand bewertet, sondern nach dem Ist-zustand. Vor vier Wochen haben wir mit diesen Spielern ein gutes Spiel gegen den Weltmeiste­r Frankreich gemacht. Man braucht ein paar Spieler, die Erfahrung haben, die schon etwas erreicht haben.“

Vermutlich hat Löw Recht. Aber verhängnis­voller Weise fehlen länger Ergebnisse, die das belegen. Die Fahndung nach Gründen läuft auf Hochtouren. Mangelndes Selbstvert­rauen, gewiss. Die schon obligatori­sch fehlerhaft­e Chancenver­wertung. Die Bayern-krise. Und die Verletzten: Marco Reus, Ilkay Gündogan, Leon Goretzka. Irgendwas ist halt immer.

 ??  ?? Das war der Anfang vom Ende: Virgil Van Dijk erzielt für die Niederländ­er den Führungstr­effer. Die deutsche Abwehr um Mats Hummels ist nicht auf Ballhöhe. Bundestrai­ner Joachim Löw (r.) war nicht nur in dieser Szene sichtlich bedient. Foto: Getty
Das war der Anfang vom Ende: Virgil Van Dijk erzielt für die Niederländ­er den Führungstr­effer. Die deutsche Abwehr um Mats Hummels ist nicht auf Ballhöhe. Bundestrai­ner Joachim Löw (r.) war nicht nur in dieser Szene sichtlich bedient. Foto: Getty

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