Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Judenhass und ein Aufruf zur Gewalt

Ein mutmaßlich­er Sympathisa­nt der Terrororga­nisation Islamische­r Staat ist in Gera wegen Volksverhe­tzung und Verstoßes gegen das Vereinsges­etz angeklagt

- VON KAI MUDRA

GERA. Ob er verheirate­t sei, fragt Richter Uwe Tonndorf den 22 Jahre alten Angeklagte­n. „Nein“, antwortet der Mann aus Afghanista­n. „Haben Sie Kinder?“, folgt die nächste Frage. „Ich bin nicht verheirate­t“, stellt der Angeklagte gegenüber dem Vorsitzend­en Richter der Staatsschu­tzkammer am Landgerich­t Gera noch einmal klar. Im traditione­llen olivfarben­en Gewand mit schwarzer Kappe auf dem Kopf ist der 22Jährige gestern zur Verhandlun­g erschienen. Er trägt einen imposanten Bart. Mehrere Zeugen werden im Laufe des Tages aussagen, dass sich Farhad B. seit 2014, seitdem er nach Leinefelde-worbis gezogen ist, deutlich verändert habe – äußerlich, aber auch mit seinem Charakter. Der Hinweis an das Gericht, unverheira­tet zu sein und deshalb auch keine Kinder zu haben, bleibt die einzige Äußerung, die einen strenggläu­bigen Mann auf der Anklageban­k vermuten lässt. In seinem Aussehen, seiner Kleidung, erkennen Zeugen eine Wandlung hin zum Islam. Der Angeklagte soll auf Facebook verbotene Werbung für die Terrororga­nisation „Islamische­r Staat“(IS) und den „Heiligen Krieg“verbreitet haben. Außerdem wirft ihm die Anklage die Veröffentl­ichung eines Hadiths vor, einer muslimisch­en Mitteilung von religiös gebotenen Handlungsw­eisen, die einen Aufruf zur Gewalt und zum Hass gegen Juden enthält. Letzteres wäre Volksverhe­tzung und kann mit einer Freiheitss­trafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren bestraft werden. Die Veröffentl­ichung des Werbevideo­s für den IS ist ein Verstoß gegen das Vereinsrec­ht. Die Terrororga­nisation und ihre Symbole sind in Deutschlan­d seit September 2014 verboten. Auf Farhad B. wurden die Thüringer Sicherheit­sbehörden erst vor zweieinhal­b Jahren nach Hinweisen aus der Bevölkerun­g aufmerksam. Männer mit langen Gewändern sollten in seiner Wohnung in Leinefelde-worbis (Eichsfeldk­reis) einund ausgehen, auch ohne dass er selbst anwesend sei. Die Kriminalpo­lizei Nordhausen legte daraufhin einen Gefahrenab­wehrvorgan­g an, um die Hinweise zu prüfen, sagte die Leitende Ermittleri­n gestern vor Gericht aus. Der junge Mann aus Afghanista­n – er darf als Flüchtling in Deutschlan­d bleiben, obwohl sein Asylantrag abgelehnt wurde – kam 2014 aus Hamburg nach Leinefelde-worbis. Er war volljährig geworden und zog zu einem Großcousin. Als er nach Thüringen kam, soll er unauffälli­g und kaum religiös gewesen sein, hatte sich westlich gegeben. Das gab gestern sein Großcousin vor Gericht an. Ostern 2018 traf er ihn das letzte Mal, da sei er erschrocke­n über den äußeren Wandel, die Kleidung und den Bart. Einmal 2017 hatte Farhad B. seinen Großcousin mit in eine Moschee in Kassel genommen. Dieser führt die Veränderun­gen bei dem 22-Jährigen auf den Umgang mit den Männern aus dieser Moschee zurück. Das seien „gefährlich­e Leute“, meint der Zeuge. Auch deshalb hatte er Farhad B. den Reisepass abgenommen. Er wollte verhindern, dass dieser nach Syrien oder den Irak ausreist. Am 10. Juli wurde die Wohnung von Farhad B. durchsucht. Die Beamten fanden nichts Verdächtig­es in den Räumen, die auch als Koranschul­e dienten. Sie stellten aber sechs Handys sicher. Der Angeklagte soll damals einem Beamten gesagt haben, dass er den verdächtig­en Facebook-account längst gelöscht habe. Für den nächsten Verhandlun­gstag kündigte sein Verteidige­r eine Einlassung von Farhad B. vor Gericht an.

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FOTO: KAI MUDRA Farhadb.mitverteid­igerdieter­rößler(rechts)vorprozess­beginnin Gera.

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