Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Die Fichte verschwindet aus den Wäldern im Unstrut-hainich-kreis
Wald im Unstrut-hainich-kreis steht laut Forstamtsleiter vor großer Veränderung. Borkenkäfer-plage kaum zu stoppen
Die Fichte werde auf Dauer in den Wäldern Nordthüringens vermutlich aussterben, meint der Leiter des Forstamtes Sondershausen, Uli Klüßendorf (Foto). Der Borkenkäfer hat nach Sturm und Dürre auch den Beständen im Wald bei Volkenroda zugesetzt. Die Schadholz-mengen seien nicht mehr beherrschbar, weshalb die meisten kranken Bäume notgedrungen im Wald bleiben.
Volkenroda. Die Fichte wird es in Nordthüringens Wäldern in Zukunft nicht mehr geben, ist Uli Klüßendorf, Leiter des Forstamts Sondershausen, überzeugt. Zwar sei die heimische Forstwirtschaft darauf ausgelegt, die Fichtenbestände langfristig zu reduzieren, doch dass es die Natur selbst in so kurzer Zeit tun würde, damit hatte keiner gerechnet. Der Borkenkäfer leistet momentan ganze Arbeit, und die Waldarbeiter kommen einfach nicht hinterher, die großen Mengen von befallenem Holz aus dem Wald zu schaffen.
Wegen des dennoch hohen Angebots an Nadelholz sind die Preise im Keller. Erstmals seit Jahrzehnten sind die Erträge für Waldbesitzer auf ein Mindestmaß geschmolzen.
Das macht sich zum Beispiel im Haushalt der Gemeinde Körner bemerkbar. Mit 100 Hektar Wald in der Gemarkung Volkenroda ist sie einer der größten kommunalen Waldbesitzer im Forstamt Sondershausen. Zwar nimmt die Fichte hier nur zehn Prozent des Bestandes ein, doch in der Haushaltsplanung hat das Auswirkungen.
Während in den vergangenen Jahren zwischen 7400 Euro (2018) und 10.500 (2017) durch die Waldbewirtschaftung erlöst wurden, rechnet die Gemeinde aktuell nur mit 3.300 Euro Gewinn. Einerseits versuchte man die befallenen Bäume massenweise aus dem Wald zu schaffen, was Kosten verursachte, andererseits findet sich kein Abnehmer, der so gut bezahlt, dass das wirtschaftlich bleibt. Die Preise haben sich auf 40 bis 50 Euro pro Festmeter halbiert. So steht auch der Forstamtsleiter vor einer Situation, die er noch nicht erlebt hat. „Wir müssen die kranken Bäume im Wald stehen lassen.“Eingeschlagen werde gerade so viel, dass man die langfristigen Verträge erfüllen könne. Und so kommt eins ins andere. Der Borkenkäfer nimmt sich rasch ganzer Fichtenbestände an.
In die von der Trockenheit angeschlagenen Bäume nistet sich der Buchdrucker, eine Unterart, ein. Unter die Rinde legt das Weibchen seine Eier. In einem normalen Jahr entstehen so zwei Generationen, 2018 waren es drei oder vier. So entstanden aus einem Weibchen bis zu eine Million neue Käfer. Und die haben Hunger auf frisches Holz. „Wir verlieren die Fichte komplett“, sagt Uli Klüßendorf.
30 Jahre lang habe sich Waldbesitz ausgezahlt, weil die Holzpreise relativ stabil waren. So
hat sich in der Region auch die Holzindustrie gut entwickelt, mit Sägewerken und Rücke-betrieben. In all den Jahren sei der Wald eine Bank mit einer ordentlichen Festverzinsung gewesen, sagt Klüßendorf. 2018 sei ein Jahr gewesen, das alle im Beruf stehenden Förster noch nicht erlebt hätten. Sturm „Friederike“brach reihenweise Bäume um. Es folgte eines trockensten und wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnung. „Diese Schadholzmengen waren nicht mehr beherrschbar.“
Der Vorteil in Nordthüringen ist, dass der Wald hier überwiegend aus Laubbäumen besteht. Die Zukunft beim Nadelholz, das als Bauholz und in der Palettenindustrie begehrt ist, liegt laut Klüßendorf wohl in Tanne oder Douglasie. Aber in der Forstwirtschaft wird in großen Zeiträumen gedacht. Es werde sich zeigen, welche Baumarten mit der Klimaerwärmung noch in unsere Wälder passen, meint der Forstamtsleiter.
Manches müsse auch ausgetestet werden, schließlich kommen mit neuen Arten auch neue Krankheiten und Schädlinge. Jedenfalls sollten Neuanpflanzungen als Mischwälder erfolgen. Die rund 35 Baumarten, wie derzeit in Deutschland heimisch, sind laut Klüßendorf zu wenig. Er spricht sich für Förderprogramme vom Land aus, die den Waldbesitzern jetzt bei der Wiederaufforstung helfen. Der Wald sei nicht nur wirtschaftlich zu betrachten, er sei auch Erholungsraum und Co2-speicher. „Wir alle partizipieren vom Wald“, sagt der Förster.