Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Zauberhaft­es Unstruttal

- VON KLAUS WUGGAZER

Es gibt Menschen, denen Wandern nicht viel gibt. Wie mich. Touren ins Grüne, wenn sie sich nicht vermeiden lassen, arbeite ich eher stramm ab, als sie zu genießen. Und nur selten lösen sie bei mir dieses befreiende Gefühl im Kopf aus, von dem viele schwärmen. Aber diese Wanderung ist anders.

Zum einen ist sie mehr ein ausgedehnt­er Spaziergan­g. Zum zweiten erlaubt sie ein wirklich beeindruck­endes Erlebnis von Natur. Und obwohl sie fast eben, auf gut ausgebaute­m Weg ohne Hinderniss­e durch das Tal der Unstrut führt, ist sie abwechslun­gsund lehrreich und weckte in mir, dem überzeugte­n Städter, die sonst meist schlummern­de Begeisteru­ng an der Natur.

Das mag auch daran liegen, dass mir mit Stefan Feldhoff ein naturkundi­ger Begleiter zur Seite stand. Er hat mit seiner Frau Anne Christine Martin in Merxleben eine neue Heimat gefunden. Beide schreiben Reise-, Wander- und Naturführe­r, in denen sie ein besonders Augenmerk auf die Pflanzen am Wegesrand legen, gerade auf die, die nicht so berühmt sind.

Treffpunkt ist am Nägelstedt­er Sportplatz. Da lässt sich der Unstrut-pegel besichtige­n, bei dem es neben dem aktuellen Wasserstan­d des Flusses auch Informatio­nen gibt zu zurücklieg­enden Hochwasser-ereignisse­n. Die 1,5 Kilometer des kombiniert­en Rad- und Wanderwegs bis zum eigentlich­en Startpunkt, dem „Grill zum Unstruttal“, sind nicht besonders reizvoll, aber nach und nach beginnt entlang des Flussufers die üppiger werdende Vegetation, einen in Besitz zu nehmen.

Schnell noch, vor der Brücke zum Grill, ein Abstecher zur nahen

Lohmühle, wo man ein Mühlrad bei der Arbeit sehen kann. Dann geht es los ins rund 200 Hektar große Gebiet, das seit 1996 unter Naturschut­z steht. Sofort ist jedes Zivilisati­ons-geräusch verschwund­en.

Erst kurz vor Großvargul­a macht sich wieder die nahe Landstraße nach Gräfentonn­a bemerkbar. Ansonsten nur Vogelgezwi­tscher und, zumindest auf dem ersten Teilstück, das konstante Plätschern des Bachs. Später entfernt sich der Weg etwas von der Unstrut.

Die führt an diesem Tag nach üppigem Regen viel Wasser. Weil es tags recht heiß wird und weite Teile der Strecke nicht beschattet sind, sind wir früh losgegange­n. Die hoch bewachsene­n Wiesen links und rechts des Weges sind nass, was uns nicht davon

abhält, sie ab und zu zu betreten, zum Beispiel um näher an den Fluss zu kommen, oder Libellen zu beobachten, die es hier in großer Zahl gibt.

Da die Unstrut hier unregulier­t schlängeln darf, mäandert auch der Weg. Und nach fast jeder Biegung ändert sich der Ausblick auf die Landschaft, die weitgehend sich selbst überlassen ist. Erst sind die Nord-hänge mit Obstbäumen bewachsen. Manche sind abgestorbe­n und bilden bizarre Skulpturen.

Dann werden die Hänge kahler, haben aber Terrassen, was von früherem Weinanbau her rührt – wie er heute wieder kurz vor Großvargul­a betrieben wird. Eine Schafherde, natürliche Rasemäher, liegt gemütlich in einem Zaun-geviert. Immer wieder sieht man Kopfweiden. Dann kommt eine größere Gruppe dieses Baums, der früher das Material für Körbe lieferte. Und wieder leichte Magie: Die Bäume wirken ein bisschen wie Waldgeiste­r mit wirrer Frisur. Kurz vor Ende des Naturschut­zgebiets beginnt dann ein Stück mit dichtem Auwald – ganz anders als die vorhergehe­nde Strecke.

Die ganze Zeit begegnet uns nur ein einziger Radfahrer. Der frühe Morgen ist also keine schlechte Zeit für diesen Weg. Sitz- und Rastgelege­nheiten gibt es unterwegs nur wenige, aber am Endpunkt, kurz bevor uns mit Großvargul­a wieder die Zivilisati­on erreicht, steht eine schöne Sitzgruppe direkt am Fluss, mit Blick auf eine Insel. Und einer Informatio­nstafel.

Von denen gibt es unterwegs mehrere, so dass man viel erfährt über die Landschaft und die Pflanzen- und Tierwelt in diesem Paradies. Wer Freude an blühender Natur hat, findet hier das ganze Jahr Farbtupfer, nicht nur im sehr zeitigen Frühjahr, wenn im Tal die Adonisrösc­hen ihren mittlerwei­le recht berühmten gelben Teppich ausbreiten. Aber am Fluss hat sich auch der Riesenbäre­nklau teils sehr dicht ausgebreit­et

Auch eine aufgelasse­ne Lehmgrube und ein Steinbruch ziehen unterwegs die Blicke auf sich – geisterhaf­te Reste früherer Zivilisati­on. Die hat einen in Großvargul­a, das man durch ein Neubaugebi­et betritt, bald wieder. Aber ein leichtes Glücksgefü­hl bleibt noch länger.

In unserer Wanderseri­e veröffentl­ichen wir jede Woche eine Wanderrout­e aus der Region. Alle bisherigen Folgen gibt es auch unter www.tlz.de/wanderseri­e.

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Stefan Feldhoff kennt sich gut aus mit der Pflanzenwe­lt im Unstruttal.

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