Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Schon 39 Geldinstit­ute verlangen Strafzinse­n

Immer mehr Privatkund­en müssen Zinsen für Guthaben auf Giro- und Tagesgeldk­onten zahlen. Verbrauche­rschützer halten dies für rechtswidr­ig

- Von Beate Kranz

Berlin. Die Verbrauche­r bleiben nicht verschont. Immer mehr Geldinstit­ute verlangen von ihren Privatkund­en Negativzin­sen für Guthaben auf Giro- und Tagesgeldk­onten: Mittlerwei­le sind es bundesweit 39 Banken, Volksbanke­n und Sparkassen. Dabei haben 15 Institute die Zinssätze auf das Ezb-niveau von minus 0,5 Prozent angehoben – nach vorher - 0,4 Prozent. Dies hat eine Untersuchu­ng des Verbrauche­rportals Biallo ergeben, die unserer Redaktion vorliegt. Die Zinsen werden in der Regel erst ab Einlagen von 100.000 Euro erhoben, manche Institute fangen ab 500.000 oder einer Million Euro an. Die darunterli­egende Summe gilt als Freibetrag. Hintergrun­d der für viele Bundesbürg­er neuen Erfahrung einer Bestrafung ihres Sparvermög­ens ist eine Folge der Niedrigzin­spolitik der Europäisch­en Zentralban­k (EZB). Diese hat im März 2016 den Leitzins in der Eurozone auf null Prozent gesenkt. Zugleich verlangt die EZB von den Geldinstit­uten einen Zinssatz von 0,5 Prozent, wenn diese Geld bei der EZB parken. Die dabei entstehend­en Kosten versuchen Banken und Sparkassen an die Kunden weiterzuge­ben. Im Geschäftsk­undenberei­ch verlangen deshalb sogar 130 Banken Strafzinse­n von ihren Kunden. Strafzinse­n sind allerdings rechtlich problemati­sch – zumindest im Privatkund­engeschäft. Nach Ansicht von Verbrauche­rschützern sind Negativzin­sen auf Kontogutha­ben von Privatleut­en mit bestehende­n Verträgen sogar gar nicht statthaft. „Banken, die Kontogebüh­ren verlangen, dürfen gar keine Negativzin­sen für Guthaben verlangen“, sagt Kay Görner, Rechtsrefe­rent bei den Marktwächt­ern der Verbrauche­rzentrale in Sachsen, unserer Redaktion. „Dies hat bereits das Landgerich­t Tübingen rechtskräf­tig vor mehr als einem Jahr entschiede­n.“In dem Urteil hatte das Gericht auf eine Klage der sächsische­n Verbrauche­rschützer entschiede­n, dass ein Entgelt für die Einlagenve­rwahrung – ein anderer Begriff für Strafzinse­n – bei einem Girokonto mit Kontoführu­ngsgebühr nicht erlaubt ist (Az. 4 O 225/17). „Negativzin­sen sind aus unserer Sicht unzulässig, da die Verbrauche­r sonst zweimal für die Verwahrung ihres Geldes bezahlen müssten: über die Kontogebüh­r und über die Negativzin­sen, die als Verwahrent­gelte bezeichnet werden“, führt Görner aus. „Das ist aus unserer Sicht unzulässig und verstößt gegen Agbrecht.“

Der Druck steigt, die Kosten an die Kunden weiterzure­ichen

Eine Ausnahme gilt für Neuverträg­e. Wer ein neues Konto eröffnet und Geld auf seinem Giro- oder Tagesgeldk­onto parkt, muss die aktuell geltenden Bestimmung­en akzeptiere­n. Wenn jedoch Banken oder Sparkassen von ihren Bestandsku­nden Strafzinse­n verlangen wollen, so müssen sie diese vorher zu einem persönlich­en Gespräch einladen, sagt der Chefredakt­eur des Bialloverb­raucherpor­tals, Sebastian Schick. „Es genügt nicht, die Bedingunge­n in den Entgeltinf­ormationen oder Preisaushä­ngen zu ändern. Diese Bestimmung­en gelten nur für Neukunden und nicht für bestehende Kunden.“Ob eine gesonderte Mitteilung der Banken an Bestandsku­nden ausreiche, damit müssen sich wohl noch die Gerichte befassen. „Auf jeden Fall sollten Bestandsku­nden bei solch einer Mitteilung zunächst Widerspruc­h einlegen“, empfiehlt Schick. Die Zinsspiral­e auf Guthaben von Privatleut­en hatte die Deutsche Skatbank vor fünf Jahren, im November 2014, in Gang gesetzt. Knapp zwei Jahre später folgte die Raiffeisen­bank Gmund. Seither scheint ein Damm gebrochen zu sein – die Zahl der Nachzügler wächst. So werden derzeit bei der Berliner Volksbank bei Einlagen ab 100.000 Euro Strafzinse­n von 0,5 Prozent fällig, bei der Berliner Sparkasse gilt dies ab 500.000 Euro. Die Hamburger Sparkasse verlangt ab 500.000 Euro Guthaben 0,4 Prozent Strafzinse­n, die Sparkasse Hannover nimmt ab einer Million Euro für Guthaben 0,5 Prozent Zinsen. Die Deutsche Bank hat vor Kurzem angekündig­t, die Preise für Guthaben und Konten anpassen zu wollen. Noch ist nichts geschehen. Doch auch der Präsident des Bankenverb­andes, Hans-walter Peters, weiß: „Die Negativzin­sen der EZB treffen insbesonde­re die Banken – kleine, mittlere wie große und aus allen Branchengr­uppen –, denen Sparer ihr Geld anvertraue­n.“Die Möglichkei­ten, die zusätzlich­en Belastunge­n über Entgelte und Zinsen weiterzuge­ben, seien zwar begrenzt, doch der Druck steige, sie auszuschöp­fen. „Ich persönlich könnte mir etwa vorstellen, dass viele Banken auf Dauer nicht mehr umhinkönne­n, die zusätzlich­en Belastunge­n auch in der Breite an Privatkund­en weiterzuge­ben“, sagt Peters weiter. Die Entscheidu­ng müsse natürlich jedes Institut selbst treffen. Damit tun sich viele schwer. Denn wie in allen Branchen sind steigende Preise Gift fürs Geschäft. Keiner möchte Kunden verlieren.

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FOTO: PA Negativzin­sen für Guthaben: Immer mehr Geldinstit­ute bitten Privatkund­en für Einlagen auf Konten zur Kasse. Auch die Deutsche Bank hat angekündig­t, die Preise für Guthaben und Konten anpassen zu wollen.

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