Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
500 Partygäste, ein Täter
Wer warf in Kamen die Whiskeyflasche aus einem „Tanzzug“? Ein zweijähriges Mädchen kämpfte um ihr Leben. Die Ermittlungen werden kompliziert
Kamen. Es ist Allerheiligen, eigentlich ein „stiller“Feiertag. Doch die Gäste eines sogenannten Tanzzuges nutzen das lange Wochenende für eine ausgelassene Tour. Von Köln geht es nach Norderney. „Partyspaß bereits ab Bahnsteigkante“verspricht der Veranstalter Müllertouristik. Von allen zentralen Bahnhöfen können Leute zusteigen. Im „Tanzwagen“legt ein DJ auf, die Musik wird in die Abteile der zehn Waggons übertragen. Auf der Getränkekarte stehen Longdrinks wie Asbach-cola oder Wodka-lemon oder aber „Kurze“wie Kleiner Feigling. Die Drinks, so betont das Unternehmen, würden „in weichen Pfandbechern aus biologisch abbaubarem Material ausgegeben“. Gar nicht weich ist eine Whiskeyflasche, die aus dem Fenster fliegt, als der Zug den Bahnhof Kamen passiert, und ein kleines Mädchen trifft. Die Zweijährige war auf dem Arm ihres Vaters, der gerade die Treppen zum Gleis hinaufging. Sie musste im Krankenhaus notoperiert werden, ist inzwischen außer Lebensgefahr. „Wir haben keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Flasche gezielt auf die Menschen geworfen wurde“, sagt der zuständige Dortmunder Staatsanwalt Henner Kruse unserer Redaktion am Sonntag. „Deswegen ermitteln wir wegen fahrlässiger Körperverletzung.“Man hoffe, dass der Werfer sich noch melde – oder aber Zeugen, die ihn beobachtet haben. „Außerdem haben wir die Flasche sichergestellt und werden Spuren auswerten.“Problem: Eine Flasche geht auf einer Party mitunter durch mehrere Hände. Und es war voll in der rollenden Disco: 500 Gäste waren an Bord. Die Dortmunder Polizei spricht von einem immensen Ermittlungsaufwand, zu der die Zeugenbefragung gehöre. „Das wird noch Tage dauern“, sagte ein Sprecher. Laut Staatsanwalt Kruse mache sich ein Zeuge, der sich der Aussage verweigere, nicht strafbar. Der Partyzug fuhr am Freitag zunächst weiter, im etwa 65 Kilometer entfernten Greven wurde er gestoppt. Die Bundespolizei rückte mit einem Großaufgebot von Beamten aus dem Münsterland, dem Ruhrgebiet und dem Rheinland an. Der Discowagen wurde gesperrt, die Musik abgestellt. Dutzende Polizisten nahmen die Personalien sämtlicher Reisender des Partyzuges auf. Sie durften die Abteile nicht verlassen. Die Passagiere verhielten sich dabei sehr kooperativ, wie ein Sprecher der Bundespolizei schilderte. Partyzug setzte Reise fort Auch die Staatsanwaltschaft Dortmund kam an Bord, forderte den Flaschenwerfer per Lautsprecher auf, sich zu stellen – doch der Täter blieb stumm. Der Zug durfte Richtung Norden weiterfahren – ohne eine Festnahme, mutmaßlich mit dem Täter. Die Stimmung im Zug soll fortan getrübt gewesen sein. Die Musik lief gedämpft weiter. Veranstalter Müller-touristik verurteilte die Tat zutiefst und wünschte dem Mädchen eine baldige Genesung. Das Mitbringen eigener Speisen und Getränke sei in Partyzügen zwar unerwünscht, aber nicht verboten. „Ein Recht zur Taschenkontrolle haben wir als Reiseveranstalter nicht“, so der Geschäftsführer. Dies habe nur die Bundespolizei. Einige Fenster des Zuges könnten während der Fahrt geöffnet werden.