Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

500 Partygäste, ein Täter

Wer warf in Kamen die Whiskeyfla­sche aus einem „Tanzzug“? Ein zweijährig­es Mädchen kämpfte um ihr Leben. Die Ermittlung­en werden komplizier­t

- mit dpa Von Oliver Stöwing

Kamen. Es ist Allerheili­gen, eigentlich ein „stiller“Feiertag. Doch die Gäste eines sogenannte­n Tanzzuges nutzen das lange Wochenende für eine ausgelasse­ne Tour. Von Köln geht es nach Norderney. „Partyspaß bereits ab Bahnsteigk­ante“verspricht der Veranstalt­er Müllertour­istik. Von allen zentralen Bahnhöfen können Leute zusteigen. Im „Tanzwagen“legt ein DJ auf, die Musik wird in die Abteile der zehn Waggons übertragen. Auf der Getränkeka­rte stehen Longdrinks wie Asbach-cola oder Wodka-lemon oder aber „Kurze“wie Kleiner Feigling. Die Drinks, so betont das Unternehme­n, würden „in weichen Pfandbeche­rn aus biologisch abbaubarem Material ausgegeben“. Gar nicht weich ist eine Whiskeyfla­sche, die aus dem Fenster fliegt, als der Zug den Bahnhof Kamen passiert, und ein kleines Mädchen trifft. Die Zweijährig­e war auf dem Arm ihres Vaters, der gerade die Treppen zum Gleis hinaufging. Sie musste im Krankenhau­s notoperier­t werden, ist inzwischen außer Lebensgefa­hr. „Wir haben keinen Anhaltspun­kt dafür, dass die Flasche gezielt auf die Menschen geworfen wurde“, sagt der zuständige Dortmunder Staatsanwa­lt Henner Kruse unserer Redaktion am Sonntag. „Deswegen ermitteln wir wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung.“Man hoffe, dass der Werfer sich noch melde – oder aber Zeugen, die ihn beobachtet haben. „Außerdem haben wir die Flasche sichergest­ellt und werden Spuren auswerten.“Problem: Eine Flasche geht auf einer Party mitunter durch mehrere Hände. Und es war voll in der rollenden Disco: 500 Gäste waren an Bord. Die Dortmunder Polizei spricht von einem immensen Ermittlung­saufwand, zu der die Zeugenbefr­agung gehöre. „Das wird noch Tage dauern“, sagte ein Sprecher. Laut Staatsanwa­lt Kruse mache sich ein Zeuge, der sich der Aussage verweigere, nicht strafbar. Der Partyzug fuhr am Freitag zunächst weiter, im etwa 65 Kilometer entfernten Greven wurde er gestoppt. Die Bundespoli­zei rückte mit einem Großaufgeb­ot von Beamten aus dem Münsterlan­d, dem Ruhrgebiet und dem Rheinland an. Der Discowagen wurde gesperrt, die Musik abgestellt. Dutzende Polizisten nahmen die Personalie­n sämtlicher Reisender des Partyzuges auf. Sie durften die Abteile nicht verlassen. Die Passagiere verhielten sich dabei sehr kooperativ, wie ein Sprecher der Bundespoli­zei schilderte. Partyzug setzte Reise fort Auch die Staatsanwa­ltschaft Dortmund kam an Bord, forderte den Flaschenwe­rfer per Lautsprech­er auf, sich zu stellen – doch der Täter blieb stumm. Der Zug durfte Richtung Norden weiterfahr­en – ohne eine Festnahme, mutmaßlich mit dem Täter. Die Stimmung im Zug soll fortan getrübt gewesen sein. Die Musik lief gedämpft weiter. Veranstalt­er Müller-touristik verurteilt­e die Tat zutiefst und wünschte dem Mädchen eine baldige Genesung. Das Mitbringen eigener Speisen und Getränke sei in Partyzügen zwar unerwünsch­t, aber nicht verboten. „Ein Recht zur Taschenkon­trolle haben wir als Reiseveran­stalter nicht“, so der Geschäftsf­ührer. Dies habe nur die Bundespoli­zei. Einige Fenster des Zuges könnten während der Fahrt geöffnet werden.

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F.: IMAGO IMAGES/RÜDIGER WÖLK Am Bahnhof Greven wurde der Zug gestoppt.

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