Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Hartz IV als Drohkulisse
Keine Frage: Hartz-iv-sanktionen treffen die Bezieher aufgrund des eh schon knapp bemessenen Regelsatzes meist hart. Mit noch weniger als jenen 424 Euro auskommen zu müssen, die einem Leistungsempfänger im Monat zustehen, das ist kein Spaß.
Und doch muss bei aller – erwartbaren – Genugtuung über das jetzige Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Frage gestattet sein, ob man es tatsächlich einfach hinnehmen sollte, wenn Betroffene nicht kooperieren wollen. Ist es wirklich eine so arge Zumutung, Termine einzuhalten, sich selbst um eine neue Arbeit zu bemühen oder eine Eingliederungsmaßnahme durchzuhalten? Keineswegs.
Denn eines darf nicht vergessen werden und gehört mit aller Deutlichkeit gesagt: Hartz IV war lange Jahre auch für all die, die in Lohn und Brot standen, eine einzige Disziplinierungsmaßnahme. Wer in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit – und die liegen nicht lange zurück – einen halbwegs annehmbaren Job hatte, der musste darin ausharren. Mochten die Arbeitsbedingungen noch so miserabel und der Chef ein Choleriker vor dem Herrn sein. Denn immer schwebte über den Beschäftigten das Damoklesschwert der Langzeitarbeitslosigkeit – und damit von Hartz IV. Das aber nicht, weil es an Pflichtbewusstsein mangelte oder Bemühungen, eine Stelle zu finden. Es gab einfach zu wenig Jobs.
Inzwischen freilich hat sich das Blatt gewendet. In vielen Branchen werden händeringend Leute gesucht, was es leichter macht, einen ungeliebten Job zu kündigen.
Die Tatsache, dass das Gericht Sanktionen nicht grundsätzlich ablehnt, zeigt zudem: Man könnte es niemandem erklären, warum die sozialen Sicherungssysteme auch bei denen greifen sollen, die sich darin auf Dauer einrichten und jeder Pflicht verweigern, während andere Tag für Tag und oft nur für kleines Geld malochen gehen.