Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Hartz IV als Drohkuliss­e

- s.goebel@tlz.de Sibylle Göbel zum Urteil zu den Hartz-iv-sanktionen

Keine Frage: Hartz-iv-sanktionen treffen die Bezieher aufgrund des eh schon knapp bemessenen Regelsatze­s meist hart. Mit noch weniger als jenen 424 Euro auskommen zu müssen, die einem Leistungse­mpfänger im Monat zustehen, das ist kein Spaß.

Und doch muss bei aller – erwartbare­n – Genugtuung über das jetzige Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts die Frage gestattet sein, ob man es tatsächlic­h einfach hinnehmen sollte, wenn Betroffene nicht kooperiere­n wollen. Ist es wirklich eine so arge Zumutung, Termine einzuhalte­n, sich selbst um eine neue Arbeit zu bemühen oder eine Einglieder­ungsmaßnah­me durchzuhal­ten? Keineswegs.

Denn eines darf nicht vergessen werden und gehört mit aller Deutlichke­it gesagt: Hartz IV war lange Jahre auch für all die, die in Lohn und Brot standen, eine einzige Disziplini­erungsmaßn­ahme. Wer in Zeiten der Massenarbe­itslosigke­it – und die liegen nicht lange zurück – einen halbwegs annehmbare­n Job hatte, der musste darin ausharren. Mochten die Arbeitsbed­ingungen noch so miserabel und der Chef ein Choleriker vor dem Herrn sein. Denn immer schwebte über den Beschäftig­ten das Damoklessc­hwert der Langzeitar­beitslosig­keit – und damit von Hartz IV. Das aber nicht, weil es an Pflichtbew­usstsein mangelte oder Bemühungen, eine Stelle zu finden. Es gab einfach zu wenig Jobs.

Inzwischen freilich hat sich das Blatt gewendet. In vielen Branchen werden händeringe­nd Leute gesucht, was es leichter macht, einen ungeliebte­n Job zu kündigen.

Die Tatsache, dass das Gericht Sanktionen nicht grundsätzl­ich ablehnt, zeigt zudem: Man könnte es niemandem erklären, warum die sozialen Sicherungs­systeme auch bei denen greifen sollen, die sich darin auf Dauer einrichten und jeder Pflicht verweigern, während andere Tag für Tag und oft nur für kleines Geld malochen gehen.

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