Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Wie belastet ist die Werra?

Studie: Bereits bei relativ geringer Salzkonzen­tration können sich keine Fische vermehren

- Von Von Elmar Otto

Die möglicherw­eise letzte Pressekonf­erenz in der landespoli­tischen Karriere von Tilo Kummer findet ausnahmswe­ise nicht in Thüringen statt. Der langjährig­e Linke-landtagsab­geordnete, der dem neuen Parlament nicht mehr angehören wird, ist dafür ein paar Hundert Kilometer zu den Parteifreu­nden in den Westen gereist. Es geht um eines der Herzensanl­iegen Kummers: den Zustand der Werra.

Eine gestern im hessischen Landtag vorgestell­te Studie weist erstmals nach, dass sich bereits bei relativ geringer Salzkonzen­tration keine Fische mehr in der Werra vermehren können. Erstellt hat die Expertise die Thüringer Linke-landtagsab­geordnete Marit Wagler, die jetzt voraussich­tlich die Themengebi­ete Kummers beackern wird. Es ist ihre Doktorarbe­it. „Die momentanen Bewertungs­verfahren für die Wirkung von Chemikalie­n auf die Lebewesen in Gewässern haben offensicht­lich eine wirkliche Schwachste­lle“, sagt Kummer, zurzeit noch Vorsitzend­er des Landtagsum­weltaussch­usses im Gespräch mit dieser Zeitung. Die entscheide­nde Schlussfol­gerung aus der Expertise sei: Die Salzgrenzw­erte für die Werra müssten abgesenkt werden, damit Fische in dieser dauerhaft leben könnten.

Noch 2015 habe Hessens Umweltmini­sterin Priska Hinz (Grüne) behauptet, dass bei dem gültigen Salz-grenzwert keine nachteilig­en Effekte auf die Fischverme­hrung festzustel­len seien, erinnert sich Torsten Felstehaus­en, umweltpoli­tischer Sprecher der hessischen Linke-fraktion. „Diese Aussage ist jetzt Makulatur.“Der bisher angewandte Fischeites­t sei ungeeignet. „Wir erwarten, dass das Umweltmini­sterium K+S mit den Forschungs­ergebnisse­n konfrontie­rt wird und die Bewertung und Genehmigun­g von Salzeinlei­tungen in die Werra neu ausrichtet“, fordert Felstehaus­en. Nur so kann ein neues Eu-vertragsve­rletzungsv­erfahren verhindert werden. Zum Schutz der Arbeitsplä­tze müsse das hessische Umweltmini­sterium jetzt aktiv werden.

„Mit den über 70 Jahren alten Grenzwerte­n für die Salzeinlei­tung gibt es fast keine überlebend­en Nachkommen bei Fischen“, zeigt sich Wagler mit Blick auf ihre wissenscha­ftliche Arbeit überzeugt. Die Grenzwerte, die ab 2021 gelten sollen, schädigten die Nachkommen von Süßwasserf­ischen so stark, dass keine sich selbst erhaltende­n, stabilen Fischpopul­ationen in der Werra wahrschein­lich sind. Dies fordere jedoch die Wasserrahm­enrichtlin­ie der Europäisch­en Union.

Mit dem seit vielen Jahren angewendet­en Fischeites­t könnten nur sehr beschränkt Aussagen über die Giftigkeit von Salzabwäss­ern auf die Fischverme­hrung getroffen werden, erläutert die promoviert­e Biologin. Zur Beurteilun­g der Folgen der Salzeinlei­tung müsse der ganze Entwicklun­gszyklus von Fischen herangezog­en werden und nicht nur die Entwicklun­g bereits befruchtet­er Eier.

Für Kummer steht fest: „Die Arbeit Waglers hat auch erhebliche Auswirkung­en auf die Berechnung der Höhe der Abwasserab­gabe in Hessen. Diese müsse auf Grundlage der Forschungs­ergebnisse neu aufgestell­t werden.

„Die Bewertungs­verfahren für die Wirkung von Chemikalie­n auf Lebewesen in Gewässern haben eine Schwachste­lle“

Tilo Kummer (Linke), Vorsitzend­er Umweltauss­chuss des Landtags

 ?? ARCHIV-FOTO: ALEXANDER VOLKMANN ??
ARCHIV-FOTO: ALEXANDER VOLKMANN
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany