Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Kommt das Recht auf Wohnungsta­usch?

Überrasche­nder Vorstoß der Grünen zur Übertragun­g von Mietverträ­gen. Skepsis beim Vermieterv­erband

- Von Tim Braune und Tobias Kisling

Wer als Familie in den Metropolre­gionen eine Wohnung sucht, muss oft zurückstec­ken. In München kostet der Quadratmet­er für eine neue Wohnung im Schnitt knapp 18 Euro, in Hamburg zwölf Euro und in Berlin elf Euro. Das geht aus einer Auswertung des Marktforsc­hungsinsti­tuts Statista für das erste Quartal des aktuellen Jahres hervor. Für junge Familien bedeutet das oft, dass sie mit kleinen Wohnungen Vorlieb nehmen müssen. Auf der anderen Seite gibt es ältere Mieter, die aufgrund langjährig­er Verträge oft noch geringe Quadratmet­erpreise zahlen, für die die eigene Wohnung aber zu groß geworden ist. Wäre es da nicht sinnvoll, wenn die älteren Mieter einfach ihre Wohnung mit der jungen Familie tauschen könnten? Zumindest die Grünen bejahen diese Frage und wollen ein Recht auf einen Wohnungsta­usch schaffen. Das geht aus einem Antrag des Bundesvors­tands hervor, der nächste Woche auf der Bundesdele­giertenkon­ferenz der Grünen in Bielefeld beschlosse­n werden soll.

Deutscher Mieterbund lobt den Vorstoß der Grünen

„Seit 1987 ist die durchschni­ttliche Wohnfläche pro Einwohner um über ein Drittel gestiegen. Der Grund dafür ist oft, dass immer mehr Menschen in Wohnungen leben, die für sie zu groß geworden sind“, begründen die Grünen ihren Vorstoß in dem Antrag. Sie wollen die Bundesregi­erung auffordern, Mietern einen Rechtsansp­ruch einzuräume­n, damit sie ihre bestehende­n Mietverträ­ge untereinan­der tauschen können.

Konkret würde bei einem solchen Tausch die jeweilige Mietpartei in den Vertrag des Tauschende­n eingesetzt werden. Der Umzug solle finanziell gefördert werden. Allerdings solle der gesetzlich­e Anspruch auf den Wohnungsta­usch nach Vorstellun­g der Grünen zunächst nur für Wohnungsge­sellten schaften gelten, private Kleinvermi­eter sollen von der Regelung ausgenomme­n bleiben.

Um Vermieter vor unliebsame­n Überraschu­ngen durch den Wohnungsta­usch zu schützen, sollen diese einem Tausch widersprec­hen können, wenn die neuen Mieter nicht über genug Einkommen verfügen, um die Miete bezahlen zu können. Bisher werde diese Praxis bereits innerhalb von Wohnungsge­sellschaft­en auf freiwillig­er Basis praktizier­t.

Der Deutsche Mieterbund begrüßt den Vorstoß der Grünen. „Er gibt einerseits Mietern einen Rechtsansp­ruch, ihre Wohnung zu tauschen und in die bisherigen Vertragsbe­dingungen der Tauschwohn­ungen einzusteig­en. Anderersei­ts werden die Bedenken der Vermieters­eite aufgegriff­en, zum Beispiel, dass ihnen gegen ihren Willen ein Vertragspa­rtner aufgezwung­en wird“, sagte Ulrich Ropertz, Geschäftsf­ührer des Mieterbund­s. Nach bisheriger Rechtslage müssten beide Vermieter mit einem Tausch einverstan­den sein, Mieter hätten dagegen keinen Anspruch auf einen Wohnungsta­usch. Deshalb

gebe es bisher „allenfalls Ansätze auf lokaler Ebene, zum Beispiel bei städtische­n Wohnungsun­ternehmen, Tauschprog­ramme aufzulegen“, so Ropertz.

Vermieterv­erband zweifelt an Rechtmäßig­keit

Anders sieht das der Vermieterb­ranchenver­band GDW. Zwar würden Immobilien­tauschbörs­en auf freiwillig­er Basis ihren Teil dazu beitragen, die Wohnraumve­rsorgung zu verbessern. „Solche Tauschbörs­en können aber nicht die Wende auf angespannt­en Wohnungsmä­rk

bringen“, sagte Gdw-präsident Axel Gedaschko unserer Redaktion. Ein solcher Rechtsansp­ruch sei „nur Augenwisch­erei“und lenke vom eigentlich­en Problem ab: Es würden zu wenig Wohnungen gebaut, daher brauche es mehr Anreize für den Wohnungsma­rkt. Auch hält Gedaschko die Idee der Grünen für rechtlich nicht durchsetzb­ar. Die Partei würde mit dem Durchsetze­n solch eines Rechtsansp­ruchs „extrem in das Eigentumsr­echt“eingreifen, kritisiert­e Gedaschko. Dies sei nicht mit der verfassung­srechtlich garantiert­en Privatauto­nomie vereinbar. Zudem würde bei einem Tausch ein neuer Mietvertra­g entstehen, rechtliche Vorgaben mit Bezug auf die Miethöhe seien dabei „schwierig“, sagte Gedaschko.

Hinzu komme, dass das Interesse der Mieter „nicht so hoch sei wie angenommen“. So gibt es etwa in Frankfurt am Main die Möglichkei­t, Sozialwohn­ungen zu tauschen. Wer seine Wohnung tauscht, erhält sogar seitens der Stadt eine Prämie und kann sich die Umzugskost­en erstatten lassen. Doch wie die „Mieterzeit­ung“jüngst berichtete, werde dieses Angebot kaum wahrgenomm­en: Im Jahr 2017 seien nur rund 80.000 Euro als Prämien für 32 Haushalte ausgeschüt­tet worden, schreibt die Zeitung. Für Gedaschko steht fest: „Das Recht zum Wohnungsta­usch verpufft, wenn es entweder keine Wohnung gibt oder niemanden, der tauschen will. An dieser Stelle laufen gesetzlich­e Vorgaben ins Leere.“

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FOTO: ISTOCK Ältere Mieter wohnen oft in großen Wohnungen, junge Familien finden dagegen schwer bezahlbare­n Wohnraum. Ein Tausch könnte helfen? Die Grünen-chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck.
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FOTO: DPA

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