Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Rückschau auf eine Liebe in New York
Herbstlese Peter Stamm in Erfurt
Obwohl dieses Buch als Weihnachtsgeschichte angekündigt ist, ist es eigentlich eine Liebesgeschichte. Es dreht sich alles um „Marcia aus Vermont“, so wie es der Titel ankündigt. Der Schweizer Schriftsteller Peter Stamm, der vor drei Jahren schon einmal Gast der Erfurter Herbstlese war und inzwischen mit dem Schweizer Buchpreis ausgezeichnet wurde, lässt den Ich-erzähler in die eigene Vergangenheit eintauchen.
Es ist Weihnachtszeit. Die Hauptperson Peter, ein Schweizer Künstler, lernt in New York ein Mädchen kennen. Beide haben kein Geld, aber große Ambitionen. Sie verbringen ein paar Tage miteinander. Er lernt ihre Freunde kennen und erfährt, dass Marcia in Wahrheit aus einer stinkreichen Familie kommt, die im Bundesstaat Vermont eine Künstlerkolonie unterhält. Dann reist Peter aus New York ab, das Mädchen ist vergessen.
Was hier erzählt wird, ist eine poetische Rückschau – ohne Wehmut, vor allem ohne das Gift der Verklärung. Die Sätze sind so ungekünstelt, dass die handelnden Figuren an Echtheit nur gewinnen. Eine realistische Begegnung zum Jahreswechsel – man denkt ab und zu mal daran, ohne einen Seufzer zu verschenken.
33 Jahre später erhält Peter ein Stipendium für diese Künstlerkolonie in Vermont. Wird er Marcia wiedersehen? Er ahnt: „Die Wochen, die vor mir lagen, waren wie ein Versprechen gewesen, das dann nie eingelöst wurde.“Peter lernt überraschend eine junge Frau kennen, die seine Tochter ist. Eine echte Beziehung kann er zu ihr nicht aufbauen. Das Finale der Geschichte spielt am Weihnachtsabend. Es gibt kein Happy End, aber auch keine Verbitterung. „Mein Leben geht weiter“, schließt das Buch.
Peter Stamm: Marcia aus Vermont. S. Fischer Verlag, 80 Seiten, 14 Euro Lesung: 7. November, 20.15 Uhr, Buchhandlung Hugendubel in Erfurt