Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Gegenentwurf zu orchestraler Wucht
Der Mahler-scartazzini-zyklus der Jenaer Philharmonie wird am Donnerstag mit „Spiriti“-uraufführung fortgesetzt
Ein Zyklus aller Mahler-sinfonien ist für jedes Orchester eine gewaltige Herausforderung. Für das Philharmonische Orchester Jena ist er noch mehr, fand doch Simon Gaudenz in Andrea Lorenzo Scartazzini den Komponisten, der vor jeder Sinfonie Gustav Mahlers ein Stück komponiert, das zur jeweiligen Sinfonie in einem ganz eigenen Bezug steht. So entstand zur 1. Sinfonie Mahlers Scartazzinis „Torso“und zu dessen 2. Sinfonie in c-moll, der „Auferstehungssinfonie“, das Stück „Epitaph“. Beide werden erklingen, ehe am kommenden Donnerstag Scartazzinis neues Stück „Spiriti“uraufgeführt und bruchlos in Mahlers Sinfonie Nr. 3 in d-moll übergehen wird.
Im ersten Stück hatte sich Andrea Scartazzini auf Rilkes Gedicht „Archaischer Torso Apollos“bezogen und eine Situation des Erwachens in Töne gesetzt; in „Epitaph“hat er sogar drei Verse von Rilke vertont: „Du bist die Schale, du bist das Blatt, der große Tod, den jeder in sich hat, das ist die Frucht, um die sich alles dreht.“
Auf die Frage, ob auch in „Spiriti“die Singstimme zum Einsatz kommen wird, antwortete Andrea Scartazzini: „Natürlich läge es nahe, auch in diesem Stück das Vokale einzubeziehen, weil es Mahler auch einsetzt. Allerdings wird ,Spiriti’ eine Komposition sein, die sich auf das rein Instrumentale beschränkt.“
Der Komponist verzichtet gänzlich auf Blechbläser, und die Holzbläser kommen nur mit schattenhaften Geräuschen zum Einsatz. Klänge neuer Perkussionsinstrumente werden kompakte Streicherflächen anreichern. Sie werden mit ätherisch feinen, fast tänzerisch anmutenden Passagen vernetzt. Damit soll – so Scartazzini – ein „geisterhaftes Scherzo“entstehen, das einen Gegenentwurf zur orchestralen Wucht bildet, mit der sich Mahlers 3. Sinfonie Bahn bricht.
Zur sinfonischen Musik Mahlers, in die eingeflossen ist, was ihm die Blumen auf der Wiese, die Tiere im Walde, der Mensch, die Engel und die Liebe erzählen, fügt Scartazzini hinzu, was die Geister erzählen. „Die Streicherflächen symbolisieren eine Art stillen Sees bei Nacht und dann beginnt durch huschende Klappgeräusche der Holzbläser das Spiel der Geister. Sie verbinden sich zu einem nächtlichen Reigen, indem alle Schlagzeuger feine, tanzende Rhythmen spielen.“
Das Jenaer Konzertpublikum darf gespannt sein, wie es dem Komponisten gelingen wird, den Übergang von seinem Stück „Epitaph“zu seinem neuen Stück „Spiriti“zu gestalten und wie sein nächtlichgeisterhaftes Scherzo klingen wird.
Donnerstag, 7. November, 20 Uhr, Volkshaus Jena