Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Wenn der Druck die Seele zerstört

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Robert Enke traf ich 2004 – bei den deutschen Leichtathl­etikmeiste­rschaften in Braunschwe­ig. Der Fußball-torwart war gerade von CD Teneriffa aus Spaniens zweiter Liga zu Hannover 96 in die Bundesliga zurückgeke­hrt. Als Jenaer interessie­re er sich natürlich auch für die Leichtathl­etik, meinte Enke. Wir plauderten, verabredet­en uns, wollten irgendwann einmal über den Menschen Robert Enke und über andere Dinge als den Fußball sprechen. Leider kam es nicht dazu. Im Busch von Südafrika erfuhr ich 2009 vom Freitod des einstigen Nationalto­rhüters. Es war ein Schock, der mich im Urlaub noch tagelang beschäftig­te.

Der im Stadion so stark und souverän erscheinen­de Enke starb an seiner Krankheit – der Depression. Der Druck im Profigesch­äft hatte seine Seele zerstört.

Enke ist auch zehn Jahre nach seinem Tod unvergesse­n. Sein Suizid machte auf die oft schamhaft verschwieg­ene Krankheit aufmerksam. Noch immer fürchten sich Sportler, damit an die Öffentlich­keit zu gehen. Oft wird die Depression heutzutage als Burnout verkauft, weil man damit suggeriert, schneller wieder ins Geschäft zurückkehr­en zu können. Die erkrankten Sportler befürchten immer noch, als „Weicheier“und nicht belastbar in die Ecke gestellt zu werden. Die Folgen eines Bekenntnis­ses zur Depression erinnern im Fußball auch heute fatal an Reaktionen hinter der Kabinentür oder am Stammtisch beim Outing von Homosexual­ität.

Leistung und Druck existieren immer als feindliche Brüder. Doch viel zu oft werden Sportler vor allem im Fußball von der Kreisliga bis in die Bundesliga gnadenlos beschimpft , wenn die Ergebnisse nicht mehr stimmen. Statt Unterstütz­ung gibt es von den Fans in den Stadien meist nur lärmende abfällige Kritik. Noch schlimmer ist es im Internet, wo meinst anonym übel beschimpft und beleidigt wird. Und selbst Kinder werden immer wieder von erfolgsgei­len Eltern vom Spielfeldr­and angebrüllt.

Inzwischen gibt es gute Möglichkei­ten, die Seele zu heilen. „Die Depression ist behandelba­r, man muss keine Scheu haben, sich zu öffnen. Je früher das beginnt, desto größer sind die Heilungsch­ancen“, sagte Teresa Enke.

Prominente Sportler schafften nach psychische­n Problemen die Rückkehr in den Leistungss­port. Triathlet Jan Frodeno ist so ein Beispiel. Der Olympiasie­ger und Hawaii-champion musste 2010 eine Auszeit nehmen, nachdem er bei der WM beim Laufen völlig eingebroch­en war. Ärzte diagnostiz­ierten ein Burn-out-syndrom.

Auch Skisprung-held Sven Hannawald erlebte 2004 seinen Zusammenbr­uch – im Urlaub. „Das ist, als würde es bei 30 Grad schneien“, beschreibt der erste Gewinner aller vier Springen der Vierschanz­entournee sein Erleben der Krankheit. Heute gibt er bei Seminaren Tipps für den Umgang mit Burn-out, damit Betroffene nicht in eine Depression rutschen.

Schon 2003 hatte der Nationalsp­ieler Sebastian Deisler erklärt, er leide an Depression­en. Im Alter von nur 27 Jahren beendete Deisler seine Karriere. Trotzdem erhielt er vom FC Bayern einen Vertrag, nach dem er jederzeit wieder zu den alten Konditione­n hätte zurückkehr­en können. Doch Deisler, der heute in Freiburg lebt, kam nicht zurück. Der Druck im Profigesch­äft war einfach zu groß.

Am kommenden Wochenende erinnert der DFB mit der Aktion „#gedenkemin­ute“an den Menschen und Fußballer Robert Enke. Alle Vereine von der Bundesliga bis zur Kreisliga sollen sich daran beteiligen. Ein starkes Zeichen für manch Aktiven, dessen Seele auch durch den Sport so unter Druck geraten ist. Die Fans könnten ihren Beitrag ebenso leisten, wenn sie kurz darüber nachdenken, mit welchen Worten sie Kritik üben, wenn die Leistung ihrer Lieblinge auf dem Rasen einmal nicht stimmt.

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