Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Deutschland als „Gestaltungsmacht“
Neuer Vorstoß von Annegret Kramp-karrenbauer: Die Verteidigungsministerin will eine aktivere Sicherheitspolitik und nicht „einfach am Rande stehen und zuschauen“
Annegret Kramp-karrenbauer (CDU) wünscht sich eine aktivere Außenpolitik. Dazu gehört, „militärische Mittel, wenn nötig, auszuschöpfen“, erläutert die Verteidigungsministerin am Donnerstag in einer Rede an der Bundeswehr-universität in München. Wenn Kampf gemeint ist, drücken sich deutsche Politiker oft unscharf aus. Gemeint sind mehr und robuste Militäreinsätze, „so, wie wir es in Afghanistan schon bei der Bekämpfung des Terrorismus gezeigt haben“. AKK , wie Kramp-karrenbauer genannt wird, ist der Meinung, dass Abwarten und Mitlaufen nicht mehr genügt, dass Deutschland selbst „mehr Initiative“ergreifen und „mehr Impulse“setzen sollte. Darüber müsse man reden, „öffentlicher und offener“.
Zum Schluss platzt es aus ihr heraus: „Ja, ich weiß, dass auch die Diskussion, die wir heute hier führen, die Vorschläge, die heute auf den Tisch kommen, sicherlich dazu führen, dass wir eine gesellschaftliche Kontroverse erleben werden. Das ist auch gut so. Das ist so beabsichtigt.“Es ist eine Passage, die nicht im Manuskript steht, aber Aufschluss über ihre Motive gibt: Sie will – auch als Cdu-chefin – in die Offensive gehen, zum zweiten Mal binnen kürzester Zeit, nachdem sie neulich die Einrichtung einer Sicherheitszone in Syrien vorgeschlagen hatte.
Mehr Verantwortung auf weltpolitischer Bühne
Es ist ihr erster Besuch an der Universität der Bundeswehr, wo die Studenten lernen sollen, „über den Tellerrand
zu schauen“, wie die Ministerin sagt. AKK macht es dem Führungsnachwuchs mit ihrer Rede vor. Die gesamte Truppe kann sie im Intranet verfolgen, auf bundeswehr.de wurde sie per Livestream übertragen, außerdem bei n-tv. Obendrein erläutert die Ministerin in der „Süddeutschen Zeitung“ihre Initiative.
Als Beispiele für künftige Auslandseinsätze nennt sie zum einen die Bekämpfung des Terrorismus in der Sahelregion, die vor allem in den Händen der Franzosen liege, „obwohl wir in Deutschland gleichermaßen vom Terror und seinen Folgen bedroht sind“. Zum anderen erwähnt sie Australien, Japan, Südkorea und Indien, die sich vom Machtanspruch Chinas zunehmend bedrängt fühlten und sich ein klares Zeichen wünschten. „Es ist an der Zeit“, so Kramp-karrenbauer, „dass Deutschland auch ein solches Zeichen setzt, indem wir unseren Verbündeten Präsenz in der Region zeigen.“An einer anderen Stelle sagt AKK, sie höre aus allen Richtungen, dass Deutschland eine Rolle als „Gestaltungsmacht“annehmen müsse.
Dazu macht sie Vorschläge. Sie fordert einen „Sicherheitsrat auf nationaler Ebene“, also ein Gremium, das die Außen- und Sicherheitspolitik verzahnt, koordiniert, vorbereitet und die Regierung berät. Außerdem regt sie an, die Mandatierung durch den Bundestag zu „vereinfachen“und zu „beschleunigen“. Keiner der drei Kernvorschläge ist neu.
In ihrer Rede erinnert Krampkarrenbauer selber daran, dass schon 2014 der Bundespräsident (Gauck), der Außenminister (Steinmeier) und die Verteidigungsministerin (von der Leyen) auf der Münchner Sicherheitskonferenz gefordert hatten, Deutschland müsse auf der weltpolitischen Bühne mehr Verantwortung übernehmen. Der Sicherheitsrat ist eine oft aufgewärmte Forderung des Ex-diplomaten Wolfgang Ischinger. Konkrete Vorschläge, die Mitspracherechte des Bundestages einzuschränken, machte schon vor Jahren die sogenannte Rühe-kommission.
Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnet den Vorschlag eines Nationalen Sicherheitsrates sogar als „richtige Idee“. Doch bisher sei es nicht möglich gewesen, dies in Koalitionsverträgen zu verankern. Und genau das nervt AKK: dass nichts passiert. „Unsere Absichtserklärungen und strategischen Konzepte stimmen nicht immer und nicht vollständig mit unserem tatsächlichen Handeln überein.“Ein Land mit der Größe, Kraft und der geostrategischen Lage Deutschlands habe globale Interessen, „das kann nicht einfach nur am Rande stehen und zuschauen“.
Kramp-karrenbauer setzt sich an die Spitze der Bewegung
Sie ist nicht allein. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) forderte in einer Rede Ende Oktober, es gehe jetzt darum, „strategische Interessen zu definieren, außenpolitische Zusammenhänge immer wieder zu erklären und die Deutschen von der Notwendigkeit zu überzeugen, dass wir uns in der Verteidigungspolitik noch weiter werden bewegen müssen. Auch gegen Widerstände.“Und der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU), beklagte erst kürzlich in der „New York Times“: „Ich kann keine europapolitische Linie erkennen, der Außenminister ist ein Ausfall, und die Kanzlerin weiß das alles und tut nichts.“Die Verteidigungsministerin weiß es – und redet darüber.