Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Reputationsverlust
Zur Koalitionsfrage in Thüringen:
Wahlergebnisse sind dazu da, dass man sie zur Kenntnis nimmt und respektiert. Doch wie so mancher tatsächlich damit umgeht, kann sehr aufschlussreich sein. Mike Mohring hat, aus Sicht der Cduvorstände in Bund und Land, den Fehler begangen, das Wahlergebnis und die dadurch erwartbaren Stimmenverhältnisse im Landtag zur Kenntnis zu nehmen und zu respektieren. Viel schlimmer war aber, dass er darüber nachgedacht hat, was das für seine staatspolitische Verantwortung für das Land bedeuten kann. Dafür wurde er von seinen Vorständen in Bund und Land „zur Bank geschlagen“und mit der Order: „keine Tolerierung und keine Duldung von Linken und AFD“wieder nach Hause geschickt. Zunächst erlaube ich mir daran zu erinnern, dass es eben diese CDU war, die nach der Bundestagswahl 2017, nachdem die Koalitionsverhandlungen durch den Ausstieg der FDP geplatzt waren, die SPD mit dem Argument der „staatspolitischen Verantwortung“zurück in die Große Koalition gedrängt hat. Dass die SPD mit der klaren Wahlaussage ins Rennen gegangen war „Nie wieder Groko“, ließ die CDU nicht gelten. Ist Demokratie also doch nicht gleich Demokratie? Weiterhin ergibt sich für mich die Frage, wie es die Cdu-vorstände denn mit der Treue zum Grundgesetz
halten. Wer sich damit beschäftigt hat, der weiß, dass Duldung oder Tolerierung im parlamentarischen Alltag für das Stimmverhalten der Abgeordneten gegenüber einer Minderheitsregierung von Bedeutung sind. Der Beschluss der Cdu-gremien verpflichtet Cduabgeordnete, ihre Stimmen der Minderheitsregierung bei jeder Abstimmung zu verweigern. Artikel 38 (1) Grundgesetz besag, dass der Abgeordnete an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur seinem Gewissen verantwortlich ist. Das absolut Letzte ist für mich der Vorschlag des Ostbeauftragten Michael Hirte, Mike Mohring möge zur Wahl als Ministerpräsident gegen Bodo Ramelow antreten. Die Stimmen von Linke und AFD werden doch auch von Herrn Hirte abgelehnt! Selbst wenn alle anderen verbleibenden Abgeordneten ihre Stimme Mohring geben würden, stünde des Ergebnis 39:51 gegen Mohring. Herr Hirte muss wissen, dass sein Vorschlag zum Scheitern verurteilt ist. Warum macht der stellvertretende Landesvorsitzende dem Landesvorsitzenden der CDU Thüringen einen Vorschlag, der letztendlich nur zu einem weiteren Reputationsverlust führen kann? Das würde wahrscheinlich nicht nur mich interessieren.
Leserbriefe sind in keine Meinungsäußerung der Redaktion. Wir behalten uns Textkürzung vor. leserbriefe@tlz.de