Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Gesundheits-apps auf Rezept
Die große Koalition ermöglicht die Verschreibung von digitalen Anwendungen – die Opposition sorgt sich um Datensicherheit
Auf vielen Handys sind sie installiert: Applikationen, die Gesundheitsdaten sammeln und verarbeiten. Das kann die Strecke sein, die beim Joggen gelaufen wird oder die Blutzuckerwerte von Diabetikern. Auch den Rhythmus, in dem Medikamente eingenommen werden müssen, können Gesundheitsapps vorgeben und überwachen.
Eine Kontrolle, welche dieser Anwendungen nützlich sind, findet bisher nicht statt. Ärzte konnten die Hilfsmittel bisher nicht verordnen. Das soll ab Januar 2020 anders werden: Mit den Stimmen der großen Koalition hat der Bundestag am Freitag das „Digitale-versorgunggesetz“beschlossen. Es soll Patienten und Ärzten auch helfen, Videosprechstunden durchzuführen.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, das Gesetz sei eine Weltneuheit: „Wir werden das erste Land auf der Welt sein, das die Wildwest-situation bei den Apps beendet“, sagte er. Es werde eine Orientierung geben, welche Apps eine Nutzen haben und welche nicht.
Dem Gesetz zufolge soll das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BFARM) die Apps auf Datensicherheit, Datenschutz und Funktionalität prüfen. Dann könne die jeweilige App ein Jahr lang vorläufig von den gesetzlichen Kassen erstattet werden. In dieser Zeit muss der Hersteller nachweisen, dass die App die Versorgung der Patienten verbessert. Spahn sagte, man betrete damit Neuland: „Es wird nicht beim ersten Mal alles perfekt sein. Aber vielleicht sollten wir anfangen, digitale Innovationen möglich zu machen.“Der Minister versicherte, die Gesundheitsdaten der Patienten würden „auf dem höchsten Niveau“geschützt.
Zweifel an der Datensicherheit meldeten alle Oppositionsparteien an. „Das Gesetz wird fatale Folgen haben. Am Ende werden die Versicherten teuer dafür bezahlen“, warnte der Linke-politiker Achim Kessler. Spahn treibe die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens voran. Auch Christine Aschenberg-dugnus (FDP) sagte: „Der Datenschutz wird nicht hinreichend beachtet.“Es sei falsch, dass die Daten nicht verschlüsselt würden. Afd-politiker Uwe Witt kritisierte, dass viele ältere Menschen kein Smartphone besäßen oder Apps nicht bedienen könnten.
Vor dem Bundestagsbeschluss hatte Ärztepräsident Klaus Reinhardt ein behutsames Vorgehen bei digitalen Angeboten für Patienten angemahnt. „Es haben nicht alle Menschen in dieser Gesellschaft die gleiche Vertrautheit mit neuen
Technologien, zum Beispiel auch wegen ihres Alters“, sagte er. „Wenn wir zu stark und zu schnell auf digitale Unterstützung abstellen, darf man die Menschen nicht vergessen, die damit vielleicht nicht umgehen können.“Sonst drohe eine Art „Zweiklassenversorgung“.
Entlastung für Angehörige:
Am späten Donnerstagabend hat der Bundestag auch ein Gesetz beschlossen, auf das Angehörige von pflegebedürftigen Menschen lange gewartet haben: Wenn Angehörige in einem Heim versorgt werden und die Kosten dafür selbst nicht mehr bezahlen können, dann sollen Eltern und Kinder nicht mehr zum Unterhalt herangezogen werden, wenn sie weniger als 100.000 Euro brutto pro Jahr verdienen. Das bedeutet, dass auf das Einkommen der Kinder von pflegebedürftigen Eltern, die die sogenannte Hilfe zur Pflege erhalten, erst ab einer Höhe ab 100.000 Euro zurückgegriffen werden kann. Umgekehrt soll dies für Eltern gelten, deren volljährige und pflegebedürftige Kinder in einem Heim leben. Wie viele Angehörige profitieren, ist laut Bundesregierung unklar. Die jährlichen Kosten, die Ländern und Kommunen entstehen, werden auf 300 Millionen Euro pro Jahr geschätzt.
Steuer für Hygieneprodukte:
Auf öffentlichen Druck senkt die Regierung die Mehrwertsteuer auf Hygieneprodukte für Frauen wie Tampons von 19 auf sieben Prozent.
„Wir sollten anfangen, digitale Innovationen möglich zu machen,“
Jens Spahn (CDU),
Bundesgesundheitsminister