Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Ein Platz bleibt leer

Vor zehn Jahren nahm sich Robert Enke das Leben. Hat sich seither etwas verändert?

- Von Benjamin Schmutzler

Für Wolfsburgs Manager Jörg Schmadtke ist die Sache eindeutig. Auf die Frage, was sich in den letzten Jahren hinsichtli­ch der Gefahren von Depression­en bei Fußballpro­fis verändert habe, fiel seine Antwort kurz aus: „Nicht viel!“Der Druck für die, die in der Öffentlich­keit stehen, sei nach wie vor groß.

Auch Andreas Trautmann, Pressechef des FC Carl Zeiss Jena, sieht die Entwicklun­g skeptisch. Zwar seien sich viele Proficlubs immer mehr der präventive­n Aufgabe im Umgang mit Leistungs- und Erfolgsdru­ck bewusst, doch ein generelles Umdenken in der Gesellscha­ft sieht auch er nicht. „Der Ton im Profigesch­äft ist hart. Ein gesellscha­ftliches Innehalten ist häufig nur von kurzer Dauer. Auch nach solchen tragischen Ereignisse­n.“

Trautmann meint damit jenen Schicksals­schlag, der am 10. November 2009 die für viele ach so prachtvoll­e Welt des Fußballs erstarren ließ. An diesem Tag sah Nationalto­rhüter Robert Enke keinen anderen Ausweg mehr, nahm sich an einem Bahnüberga­ng in Neustadt am Rübenberge-eilvese (Niedersach­sen) das Leben. Er war 32 Jahre alt.

Zurück blieben Ehefrau Teresa und Adoptivtoc­hter Leila. Die leibliche Tochter des Ehepaars starb 2006 im Alter von zwei Jahren an einem angeborene­n Herzfehler. Ein immenser Verlust, den der an Depression­en erkrankte Fußballer wohl nie wirklich verarbeite­n konnte.

Witwe Teresa gibt sich stark, will mit der „Robert-enke-stiftung“helfen und aufklären. „Robbie ist als Märtyrer gestorben“, sagt sie in einem Interview mit dem Fußballmag­azin Kicker. „Macht euch nicht darüber lustig“, so ihr Appell an Mitspieler und Fans. „Verheimlic­hen ist das Schlechtes­te, was man tun kann“, richtet sie an von Depression­en und Burn-out betroffene Spieler. Doch der öffentlich­e Druck im Profigesch­äft ist groß, die Marke Fußball stärker denn je. Vereine im Profiberei­ch arbeiten gezielt mit Sportpsych­ologen zusammen. Den Weg zu ihnen suchen, sich öffnen, müssen die Spieler selbst. Der Umgang mit der Thematik ist offener, dennoch bleiben viele Defizite, sagt Terese Enke.

Der Tod ihres Ehemannes kam vor zehn Jahren unerwartet, gar überrasche­nd. Ein Abschiedsb­rief gab Einblick, wie es um die Psyche des Torwarts bestellt war. Unter anderem bat er Angehörige und Ärzte um Verzeihung. Zurück blieben Trauer, Ratlosigke­it, Mutmaßunge­n und jede Menge Fragen.

In Thüringen, beim FC Carl Zeiss Jena, begann sein sportliche­r Aufstieg. Jugendmann­schaften, Amateure, 1995 drei Einsätze bei der Profimanns­chaft.

Damals bat Robert Enke während einer Partie nach mäßiger Leistung um die Auswechslu­ng bei Trainer Eberhard Vogel. Dieser blieb stur, ließ ihn auf dem Platz. Enke erfuhr was es heißt, im Profigesch­äft zu bestehen. Heute fährt der

FC Carl Zeiss anders mit seinen Jugendspie­lern, sagt Andreas Trautmann. So gab es im September letzten Jahres eine Prävention­sveranstal­tung zum Thema „psychische Gesundheit im Nachwuchsl­eistungssp­ort“in Jena.

Neben den Frauen- und Mädchenman­nschaften, weiteren Leistungss­portlern, Lehrern sowie Erziehern des Sportgymna­siums, waren auch alle Nachwuchsm­annschafte­n der U 15 bis U 21 sowie die Drittligam­annschaft inklusive aller Trainertea­ms beteiligt. Zwei Jahre zuvor gab es bereits ein Benefizspi­el zugunsten der Robert-enke-stiftung. Man wolle helfen, um nicht zu vergessen.

Vergessen werden die Fans auch nicht den sportliche­n Aufstieg Robert Enkes. Beim Wechsel zu Borussia Mönchengla­dbach war er bereits mehrfacher Jugendnati­onalspiele­r. Nach zwei Jahren auf der Ersatzbank wurde er 1998 Stammtorhü­ter der Fohlen. Enke hielt gut, Gladbach stieg trotzdem ab.

Ein weiterer Rückschlag. In der Folge zog es ihn in die weite Fußballwel­t. Lissabon, Barcelona, Istanbul, Teneriffa: Der talentiert­e Torwart wurde vielerorts gehandelt, die Erwartunge­n an ihn waren hoch. Bei seinem ersten und einzigen Einsatz für den türkischen Erstligist­en Fenerbahce wurde Enke von den eigenen Fans nach der Niederlage mit Gegenständ­en beworfen. Er löste den Vertrag auf. Das war 2003.

Das Jahr, in dem sich Robert Enke laut Aussagen seiner Frau Teresa regelmäßig in psychiatri­sche Behandlung begab. 2004, mit der Geburt von Töchterche­n Lara, schien das Glück zurück im Leben des Jenaers. Nur zwei Jahre später der erneute Schicksals­schlag. Seine letzte Station als Profi war Hannover 96. Dort als Sportdirek­tor tätig: der anfangs zitierte Jörg Schmadtke.

Auch Torsten Ziegner, heutiger Cheftraine­r beim Drittligis­ten Hallescher FC, kannte Enke gut. Bis zuletzt waren beide befreundet. Gemeinsam mit Tausenden nahm er vergangene­n Montag in Hannover an der Gedenkvera­nstaltung „Auch Helden haben Depression“teil. Auf diese Wiese bewältigte Ziegner seine Trauer. Interviews gab er nicht. Zu niemandem. Verständli­ch, geht es in erster Linie um ein verlorenes Menschenle­ben, um den Verlust eines Freundes.

Es ist traurig, dass manchmal erst etwas Schlimmes passieren muss, damit sich Gutes anschließe­n kann. Doch dass etwas passiert, bekräftigt Terese Enke in ihrem Handeln. Der Tod ihres Mannes war zumindest nicht ganz sinnlos. Wenn Sie selbst unter Depression­en oder Selbstmord­gedanken leiden oder Sie jemanden kennen, der daran leidet, sollten Sie sich an die Telefonsee­lsorge wenden unter 0800/111-0-111 und 0800/111-0222 oder im Internet auf www.telefonsee­lsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenfrei, Anrufe werden nicht auf der Telefonrec­hnung vermerkt.

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FOTO: IMAGO Blumen auf Robert Enkes Platz auf der Bank von Hannover 96.

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