Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Fliegen ohne Emissionen

Die Industrie will umweltfreu­ndliches Kerosin nutzen. Sie fordert eine Quote für Bio-brennstoff­e – und Steuergeld

- Von Tobias Kisling

Rund 300 Millionen Tonnen Kerosin benötigt die Luftfahrt jährlich – und bläst es in Form von 918 Millionen Tonnen Kohlenstof­fdioxid in die Luft. Damit macht Fliegen rund drei Prozent der globalen Co2-emissionen aus. Auch Deutschlan­d hat seinen Anteil: 22,2 Millionen Tonnen Kohlenstof­fdioxid stießen deutsche Passagierf­lüge im vergangene­n Jahr aus. Nur die USA, China, Großbritan­nien und Japan verzeichne­ten mehr Emissionen. Doch der hohe Co2-ausstoß wird für Fluggesell­schaften und die Industrie angesichts des teureren Zertifikat­ehandels zunehmend zum Problem. Daher fordern Unternehme­n der Luftfahrtb­ranche ein Umdenken – hin zum emissionsf­reien Flugzeug.

Nur: Wie soll das funktionie­ren? Die Wasserstof­fforschung beim Fliegen steckt in den Kinderschu­hen. Außerdem bedarf es bei Wasserstof­f großer Tanks – das Frachtvolu­men würde sinken, was für Airlines kaum eine Alternativ­e darstellen dürfte. Elektrisch angetriebe­ne Flugzeuge halten Luftfahrte­xperten in Form von Flugtaxis für die Kurzstreck­e für möglich. Für Mittel- oder Langstreck­enmaschine­n mit deutlich höherem Gewicht und Personen- sowie Frachtaufk­ommen sei das Szenario elektrisch betriebene­r Flüge aber unrealisti­sch, sagt Siegfried Knecht, Airbus-manager und Vorstandsv­orsitzende­r der Klimaschut­zinitiativ­e Aireg: „Ein E-flugzeug wird es so schnell nicht geben. Die Energiedic­hte im Kerosin ist sehr viel höher.“

Bei Aireg haben sich Unternehme­n wie der Flugzeugba­uer Airbus, die Deutsche Post DHL und Ölfirmen wie Shell oder BP vor acht Jahren mit wissenscha­ftlichen und politische­n Einrichtun­gen zusammenge­schlossen, um das Fliegen umweltscho­nender zu gestalten. Der Initiative schwebt eine stärkere Förderung synthetisc­her Kraftstoff­e vor. Dabei handelt es sich um technisch hergestell­te Kraftstoff­e, bei denen im Gegensatz zu den klassische­n fossilen Brennstoff­en auf Erdöl verzichtet wird und die ausschließ­lich aus erneuerbar­en Energien hergestell­t werden.

Damit solche Kraftstoff­e massenmark­ttauglich werden, fordert Aireg die Einführung einer verbindlic­hen Quote: Bis 2021 sollen Airlines in Deutschlan­d zwei Prozent Bio- oder synthetisc­he Kraftstoff­e zum herkömmlic­hen Kerosin beimischen, bis 2030 soll die Quote auf 20 Prozent steigen. Die Quote habe gleich zwei Vorteile, meint Kay Kratky, Aireg-präsident für Industrie und Luftfahrt: „Für die Produzente­n sorgt sie für die erforderli­che Investitio­nssicherhe­it, und den Fluggesell­schaften ebnet sie den Weg, die ambitionie­rten Klimaziele bis 2050 erreichen zu können.“

CO2 aus Zementwerk­en könnte Grundlage für das Kerosin sein

Um sauberes Kerosin herzustell­en, möchte die Branche auf das sogenannte Power-to-liquid-verfahren (PTL) setzen. Dabei soll vorhandene­s CO2 mittels Wasser und Strom zu Kohlenwass­erstoff umgewandel­t werden – der wiederum kann dem Kerosin beigemisch­t werden. Das CO2 ließe sich leicht gewinnen – beispielsw­eise aus Zementwerk­en. So könnten die dort ausgestoße­nen Treibhausg­ase sinnvoll genutzt werden. Die Forschung zu Ptlverfahr­en ist weit fortgeschr­itten – eine Anlage zur Massenprod­uktion gibt es aber weltweit noch nicht. Für Aireg ist das eine Chance: Die Initiative fordert, dass

Deutschlan­d zwischen ein und vier Demonstrat­ionsanlage­n baut. Kostenpunk­t pro Anlage: rund 150 bis 200 Millionen Euro. Bezahlt werden solle ein solches Projekt aus Steuergeld­ern.

Politisch ist die Idee umstritten. Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD) sagte unserer Redaktion, sie halte die Quote für „einen interessan­ten Vorschlag“, die konkrete Ausgestalt­ung müsse aber zunächst geprüft werden. Wenn es nach der FDP im Bundestag ginge, sollten ab sofort jährlich 200 Millionen Euro in synthetisc­he Kraftstoff­e investiert werden. Auch die Grünen sind für eine Quote. Der verkehrspo­litische Sprecher der Grünen, Stephan Kühn, mahnt aber, dass staatliche Zuschüsse an eine Verpflicht­ung der Fluggesell­schaften gekoppelt sein müssten, die Biokraftst­offe auch abzunehmen.

Die Fluggesell­schaften selbst sind wenig begeistert. Eine nationale Quote würde zu Wettbewerb­sverzerrun­gen führen, kritisiert Lufthansa-sprecher Steffen Milchsack. Seine Befürchtun­g: „Die Passagiere würden aus Deutschlan­d abwandern und auf andere Airlines ausweichen.“Die Lufthansa setze bei synthetisc­hen Kraftstoff­en auf Freiwillig­keit: Seit August bietet die Airline Kunden an, für den Inlandsflu­g Frankfurt–hamburg gegen einen Aufpreis von 45 Euro pro Flug nachhaltig erzeugtes synthetisc­hes Kerosin beizumisch­en. Mit dem Prinzip der Freiwillig­keit habe man seit August 24 Tonnen CO2 einsparen können. Im Verhältnis zu den jährlichen Emissionen aller deutschen Fluggesell­schaften sind das 0,0001 Prozent Co2-einsparung­en. Vom emissionsf­reien Fliegen sind die Airlines noch weit entfernt.

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