Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Anfang vom Ende Donald Trumps?
Das Amtsenthebungsverfahren naht. Der Us-präsident steht kurz vor den Wahlen im kommenden Jahr vor seiner härtesten Bewährungsprobe
Impeachment. Amtsenthebung. Vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses zwischen den USA und ihrem 45. Präsidenten. Ab Mittwoch dreht sich in Washington fast alles nur noch um eine Frage: Überlebt Donald Trump die Ukraine-affäre politisch – oder wird er als erster Präsident in der Us-geschichte vor Ablauf seiner ersten Amtszeit aus dem Weißen Haus geschickt? Die wichtigsten Aspekte im Überblick:
Was steht im Mittelpunkt der Vorwürfe gegen Trump?
Aus Sicht der Demokraten, die in zwei Monaten mehr als ein Dutzend Top-zeugen aus höchsten Regierungskreisen vernommen haben, hat Trump in Kiew um Amtshilfe gebeten, um seine Chancen bei der nächsten Wahl im November 2020 zu steigern. Die ukrainische Regierung sollte öffentlich erklären, dass sie staatsanwaltliche Untersuchungen gegen seinen möglichen demokratischen Herausforderer, Alt-vizepräsident Joe Biden, und dessen Sohn Hunter einleite.
Der 49-Jährige saß im Aufsichtsrat des ukrainischen Gaskonzerns Burisma, während Biden senior unter Präsident Obama das Ukraine-dossier versah. Trump interpretiert das als Korruption. Er erhoffte sich durch belastendes Material aus Kiew Rückenwind für seine Wiederwahl. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, drohte Trump Kiew mit dem Einbehalt von 400 Millionen Dollar Us-militärhilfe. Die Demokraten werfen ihm Verfassungsbruch und Amtsmissbrauch vor. Ab dem 13. November werden die Belastungszeugen zum ersten Mal öffentlich unter Eid aussagen. Den Anfang macht William Taylor, kommissarischer Us-botschafter in Kiew.
Wie läuft das Impeachment ab?
Zum Schluss der Anhörungen, die bis Ende November dauern sollen, geht ein Bericht an den Justizausschuss. Erst dort würden die endgültigen Weichen für das Amtsenthebungsverfahren gestellt. Sieht der Ausschuss genügend Indizien, um Trump „treason, bribery, or other high crimes and misdemeanors“(Landesverrat, Bestechung oder andere schwere Verbrechen und Vergehen) vorzuhalten, stimmt das gesamte Repräsentantenhaus ab – womöglich noch vor Weihnachten.
Da die Demokraten eine komfortable Mehrheit haben (235 von 435 Abgeordneten), ist mit einem Ja zu rechnen. Trump wäre danach „impeached“, also angeklagt. Danach würde das Verfahren in den Senat wechseln, der die Anklage prüft, ihr mit Zweidrittelmehrheit zustimmt – dann wäre Trump Geschichte – oder sie verwirft. Die entscheidende Abstimmung könnte bis Ende Januar geschehen.
Was ist das Besondere eines Impeachment-verfahrens?
Es gab erst zwei in der Geschichte: Sowohl Präsident Andrew Johnson 1868 als auch Bill Clinton 1998 sicherte der Senat das politische Überleben. Richard Nixon trat in der Endphase der Watergate-affäre 1974 freiwillig zurück. Ein Impeachment orientiert sich am Kodex für ehrenwertes Regierungshandeln – und der Verfassung. Was das im Einzelfall genau ist, entscheidet die politische Mehrheit im Senat. Dort sitzen 100 Politiker, aktuell haben die Republikaner mit 53 zu 47 Stimmen die Mehrheit. Um Trump zu schassen, sind 67 Stimmen notwendig.
Was ist das Kalkül der Demokraten?
Die öffentliche Meinung ist bisher gespalten. Knapp mehr als 50 Prozent sind für die Einleitung des Impeachment-verfahrens. Etwas weniger als die Hälfte hält den Rauswurf Trumps nicht für angezeigt, will die nächste Wahl entscheiden lassen. Bei den Partei-orientierungen sind die Verhältnisse klarer: 80 Prozent mit demokratischer Bindung sind für den Rauswurf. Fast 90 Prozent der Anhänger der Republikaner sind dagegen.
Die Demokraten setzen darauf, dass durch die Kraft live übertragener Aussagen von hochkarätigen Zeugen das Anti-trump-lager massiv Zulauf bekommt. Ähnlich war es bei Nixon. Als Tonbänder öffentlich wurden, die seine Verstrickung in die Watergate-affäre belegten, kippte die öffentliche Meinung.
Was ist die Strategie Trumps und der Republikaner?
Der Präsident sieht sich als Opfer der schlimmsten „Hexenjagd“in der amerikanischen Geschichte. Führende Köpfe der Demokraten nennt er „geisteskrank“und „kriminell“. Belastungszeugen sind für Trump „menschlicher Abschaum“. Republikanische Wortführer argumentieren so: Ja, Trump habe wohl mit dem ukrainischen Präsidenten ein Geschäft auf Gegenseitigkeit anbahnen wollen: Us-militärhilfe gegen „Schmutz“über Joe Biden. Ja, dies könne man falsch finden. Aber: Für ein Impeachment reiche diese Verfehlung nicht aus.
Wo liegen die Gefahren für Trump?
Niemand kann heute die Dynamik einschätzen, die durch die Tvliveübertragungen entsteht. Politikforscher sagen: Wenn 65 Prozent der Amerikaner Trump weghaben wollen, dann werden die Republikaner Trump fallen lassen – aus Angst, bei den nächsten Wahlen abgestraft zu werden. Die Frage ist, ob es frühzeitige Absetzbewegungen von republikanischen Prominenten gibt. Mitt Romney, Ex-präsidentschaftskandidat, nannte die Indizienlage gegen Trump „himmelschreiend“. Am Ende, so hoffen Trump-gegner, könnte ein Dominoeffekt den Präsidenten kippen.