Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Türkei schiebt deutsche Is-mitglieder ab
Von den Islamisten, die den Niedergang des Pseudo-kalifats überlebt haben, kommen jetzt einige zurück
Der Ernstfall ist eingetreten: Die Türkei öffnet ihre Gefängnisse und schiebt „Extremisten“in andere Staaten ab, nach Deutschland zunächst drei Männer, fünf Frauen und zwei Kinder. Die erste Aktion wurde schon für Montag in Aussicht gestellt, fand nach Angaben des Bundesinnenministeriums aber nicht statt. Offiziell angekündigt wurden Abschiebungen nun für Donnerstag (sieben) und für Freitag (zwei).
Die Betroffenen sind allesamt im türkischen Gewahrsam – unter ihnen ist nach Informationen unserer Redaktion auch ein Ehepaar mit fünf Kindern. Das Paar soll aus einer Stadt in Niedersachsen stammen und erst vor knapp einem Jahr aus Deutschland in die Türkei gereist sein. Unklar ist, ob sie einen Bezug zum „Islamischen Staat“haben.
Generell gilt: Weil sie Deutsche sind, dürfen sie einreisen
Am Freitag werden zudem zwei Frauen erwartet, eine davon mutmaßlich frühere Is-anhängerin und ebenfalls aus Niedersachsen. Insgesamt knapp 20 Deutsche sollen in der Türkei in Abschiebehaft sitzen und in den kommenden Wochen nach Deutschland ausreisen. Bei einer Frau aus Hamburg müssen die Behörden nach Informationen unserer Redaktion noch die Identität ihrer drei Kinder überprüfen. Sobald alle Daten den deutschen Behörden bekannt sind, sollen sie kontrolliert mit dem Flugzeug einreisen. Die Bundespolizei hat die Personen auf dem Radarschirm: Sie checkt, ob sie zur Fahndung ausgeschrieben sind, ob Haftbefehle vorliegen. In diesem Fall können sie sofort bei Ankunft festgenommen werden.
Generell gilt: Weil sie Deutsche sind, dürfen sie einreisen. Wie man mit ihnen weiter verfährt, hängt davon ab, was gegen sie vorliegt, insbesondere, ob sie einen Bezug zum Terrornetzwerk IS haben. Von den 84 Deutschen, die zuletzt in kurdischer Haft in Nordsyrien waren, gilt den Sicherheitsbehörden etwa ein Drittel als „islamistische Gefährder“, also als Personen, denen sie schwere Verbrechen bis hin zu Anschlägen zutrauen. Ohnehin halten die Sicherheitsbehörden die Risiken für hoch, die von den früheren Is-kämpfern ausgehen. Gegen 28 deutsche Männer, die einst in Richtung Is-gebiet ausgereist waren und in Syrien inhaftiert wurden, liegt laut deutschen Behörden inzwischen ein Haftbefehl vor, ebenso gegen acht Frauen. Kehrt ein mutmaßlicher Dschihadist regulär mit einem Flugzeug zurück, kann er gleich am Flughafen festgenommen werden. Wenn gerichtsfeste Beweise fehlen, die Behörden aber von „Gefährdern“ausgehen, werden sie überwacht..
Doch das ist aufwendig. Zwischen 20 und 30 speziell ausgebildete Beamte braucht die Polizei oder der Verfassungsschutz, um einen Dschihadisten 24 Stunden und sieben Tage die Woche auf dem Schirm zu haben. Daneben prüft die Justiz, ob die türkischen Gefängnisstrafen auch in Deutschland vollstreckt werden. Das ist bei jedem Einzelfall anders. Nicht allen mutmaßlichen Is-anhängern, die künftig aus der Türkei nach Deutschland kommen, werden deutsche Staatsanwälte den Prozess machen können. Denn oftmals ist die Beweislage gegen die mutmaßlichen Is-anhänger dünn. Wenig oder keine Fotos und Videos belegen die Mitgliedschaft in der Terrororganisation oder sogar die Teilnahme an Morden oder Folter, die es unter der Is-herrschaft gegeben hatte.
Die Türkei kritisiert, viele europäische Länder entzögen sich ihrer Verantwortung, indem sie Is-kämpfern die Staatsangehörigkeit entzögen, um sie nicht zurücknehmen zu müssen. Die Türkei sei „kein Hotel für ausländische Is-terroristen“.
Und im Prinzip argumentiert die Bundesregierung nicht anders: Wenn es eine Chance gibt, „islamistische Gefährder“aus Deutschland abzuschieben – dann versuchen die Behörden genau das.