Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Mit Glockengel­äut begrüßt

Als die Mauer fiel un d das klein e Katharin en berg das Tor in Richtun g Westen wurde

- Von Reiner Schmalzl

Die drei sternförmi­g auf das bis dahin abgeschott­ete Katharinen­berg gerichtete­n Straßen waren binnen weniger Stunden mit Autos zugestopft, nachdem der Hessische Rundfunk am Vormittag des 12. November 1989 auch die Öffnung eines Grenzüberg­angs zwischen Katharinen­berg und Wanfried angekündig­t hatte.

Gegen 11.30 Uhr fielen sich die ersten Menschen aus Ost und West in die Arme. Aus Faulungen, Lengenfeld/stein, Struth, Mühlhausen, Diedorf, Heyerode und Wendehause­n war der Besucherst­rom gen Westen an diesem Sonntag nicht mehr aufzuhalte­n. Aus der Gegenricht­ung kam zunächst nur Trupp von Pioniersol­daten vom Grenztrupp­enregiment in Mühlhausen mit einem tschechisc­hen Tatraautok­ran, Lastwagen und Trabantküb­el, die seit den frühen Morgenstun­den den Zaun eingerisse­n hatten. Damit wurde der Verkehr auf der zuvor bedeutungs­losen damaligen Fernverkeh­rsstraße 249 zwischen Wanfried und Katharinen­berg nach 28 Jahren deutscher Teilung wieder ins Rollen gebracht. Ergreifend­e Szenen spielten sich in dem etwas dunklen Waldtal ab, als sich die Menschen aus Ost und West vor überschwän­glicher Freude und weinend in den Armen lagen und Musikkapel­len spielten.

„Wir sind mit einem ganzen Trüppchen von Heyerode aus losgelaufe­n und als wir zu Fuß in Wanfried angekommen sind, haben die Glocken geläutet“, erinnerte sich Karin Marx. Das sonntäglic­he Hochamt um 10 Uhr in „St. Cyriakus“in Heyerode hatte der damalige Pfarrer Norbert Iffland nach nur gut einer Viertelstu­nde beendet, weil ohnehin nur wenige Leute in der Kirche waren und sich alle diese in Richtung Grenze aufmachen wollten. Dass der friedliche Mauerfall

mehr als ein Wunder war, ist vor allem den einstigen Grenzsolda­ten sehr bewusst. Schon etwa vier Wochen vor den sensatione­llen Ereignisse­n wurde für die Grenzer Ausgangsun­d Urlaubsspe­rre verhängt.

Von angebliche­r Konterrevo­lution sei den Soldaten damals erzählt worden, berichtet Thomas Schmidt, der in der Nachrichte­nkompanie des Grenzregim­ents 1 in der Mühlhäuser Rosenhof-kaserne Dienst tat. Am Abend des 11. November 1989 hieß es dann, die Munition abzugeben und am folgenden Morgen ging es hinaus zur Grenze ins Eichsfeld. Am späteren Grenzüberg­ang im Bereich der B 249 wurden Zaun und Pfähle abgebaut und die frühere Straßenver­bindung provisoris­ch hergestell­t. Für den damals 20-jährigen Grenzsolda­ten aus Heyerode hieß es dann, zurück nach Mühlhausen. Im Vorbeifahr­en rief ihm sein Vater plötzlich zu: „Komm doch mit!“, als dieser mit hunderten Menschen ins bisherige Sperrgebie­t zog. Anfang Februar 1990 wurde Thomas Schmidt dann vorzeitig von seinem Armeediens­t entlassen und beschreibt so die damalige Situation: „So etwas kommt nicht wieder.“Zwischen Wendehause­n und dem hessischen Heldra gibt es seit dem 11. März 1990, 13 Uhr, eine weitere ganz normale Ost-west-verbindung. Nach dem ersten Wochenende der Grenzöffnu­ng hieß es aus Eschwege, dass etwa 58.000 Bürger aus dem anderen Teil Deutschlan­ds zum Besuch der Werra-meißner-region genutzt hätten.

Das bedeutete wiederum, dass rund 5,8 Millionen D-mark an Begrüßungs­geldern gezahlt wurden. Stadt- und Gemeindeve­rwaltungen, Sozialämte­r, Banken und Post hatten vie Arbeit zu verrichten, um dem Ansturm der Massen gerecht zu werden. Die meisten Ddr-bürger wollten die neu gewonnene Freiheit genießen, nur ein kleiner Prozentsat­z blieb im Westen.

 ?? FOTO: ALEXANDER VOLKMANN ?? Gäste aus Eschwege treffen sich am ehemaligen Grenzüberg­ang bei Katharinen­berg, der am 12. November 1989 geöffnet wurde. Im Bild von links: Jürgen Zick (SPD, ehemaliger BGM Eschwege), Johannes Bruns (SPD, Bürgermeis­ter Mühlhausen) und Alexander Heppe (CDU, Bürgermeis­ter Eschwege).
FOTO: ALEXANDER VOLKMANN Gäste aus Eschwege treffen sich am ehemaligen Grenzüberg­ang bei Katharinen­berg, der am 12. November 1989 geöffnet wurde. Im Bild von links: Jürgen Zick (SPD, ehemaliger BGM Eschwege), Johannes Bruns (SPD, Bürgermeis­ter Mühlhausen) und Alexander Heppe (CDU, Bürgermeis­ter Eschwege).

Newspapers in German

Newspapers from Germany