Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
„Friede auf Erden“
Unter die Haut geht die Messe von Karl Jenkins in der Kornmarktkirche in Mühlhausen
Der Chor marschiert auf der Stelle, kleine Trommel und Piccoloflöte intonieren ein französisches Soldatenlied aus dem 15. Jahrhundert. So beginnt die Friedensmesse „The Armed Man“(Der bewaffnete Mann) von dem heute 75-jährigen Karl Jenkins, geschrieben um die Jahrtausendwende anlässlich des Kosovokriegs zwischen Serbien und der Nato.
Ein Großaufgebot an Chören – Bachchor Mühlhausen, Kammerchor und Kantoreijugend Eschwege – füllt zusammen mit der Kammerphilharmonie Weimar und den vielen Zuhörern den Raum der großen Kornmarktkirche. Auch zwei Gesangssolisten sind dabei: Constanze Hirsch (Mezzosopran) und Stephan Heinemann (Bariton). Die Leitung hat Kreiskantor Oliver Stechbart.
Die eingängige Melodie und der eindringliche Rhythmus zwingen die Hörer, in Resonanz zu gehen, unwillkürlich wippt der Fuß des
Sitznachbarn. Marschmusik ist ein altbewährtes Mittel, Menschen ihrer geistigen Selbstbestimmung zu berauben und in einen rauschhaften Zustand der Mordlust zu versetzen. Die Architekten der Kriege wissen das. Karl Jenkins verwendet verschiedene historische und nationale Idiome – auch religiös motivierte, hatte und hat doch missbrauchte Religion unterm Motto „Wir sind die Guten“oft Anteil an der Entstehung von Kriegen. Psalmen erklingen im gregorianischen, im Kyrie erleben wir die Polyphonie des Barock, und gleich nach dem einleitenden Marsch ruft der Muezzin zum Gebet mit seinem „Allahu akbar“(Gott ist groß) von der Wendeltreppe ganz oben, gänzlich ohne instrumentale Begleitung (Abdelhamid Alsharbaji).
Im „Sanctus“schält sich zunehmend bedrängend ein kriegerischer Marschrhythmus heraus: Unter Berufung auf die Heiligkeit Gottes werden Menschen geschlachtet. Im „Hymnus before Action“(Lobgesang vor der Schlacht; Text: Rudyard Kipling) wird der Gott des alten Testaments zum „Herrn der Schlachten“. Und in Nr. 7, „Charge!“(Angriff!) steigert sich der Chorgesang zum Schreien. Danach Stille, nur das Rieseln eines Regenrohrs. Dann ein Flügelhornsignal, üblich bei militärischen Begräbnissen. Schließlich die Erinnerung an das bisher größte Kriegsverbrechen der Neuzeit, Hiroshima und Nagasaki, und die an vorgeschichtliche Berichte im indischen Epos „Mahabarata“, wo von „brennenden Städten am Himmel“die Rede ist und – in dem hier verwendeten Abschnitt – von „lebenden Fackeln“.
Im Schlussteil die überraschende Metamorphose: Wieder erklingt das französische Soldatenlied, doch diesmal heißt es im Text: „Läutet hinaus die tausend vergangenen Jahre; läutet ein tausend Jahre Frieden.“ein zweites Mal wird dieser Teil dann, Minuten später, als ermutigende Zugabe erklingen. Die Hörer haben sich erhoben und applaudieren lange, tief beeindruckt.