Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Wohngeld: Nicht nur für Arme

Viele Haushalte scheuen sich, einen Antrag zu stellen. Ab 2020 steigen die Zuschüsse

- Von Matthias Urbach Dieser Beitrag erscheint in einer Kooperatio­n mit finanztip.de. Finanztip ist gemeinnütz­ig und hilft Verbrauche­rn bei den täglichen Finanzents­cheidungen.

Rund eine Million Haushalte haben vermutlich Anspruch auf Wohngeld – aber beantragen es nicht. Dabei sind es im Schnitt rund 150 Euro, die der Staat Wohngeldem­pfängern zur Miete zuschießt. Und ab 2020 wird es sogar noch mehr sein. Wer also wenig Einkommen hat und eine hohe Miete aufbringen muss, sollte unbedingt seinen Anspruch überprüfen.

Wohngeld gehört zu den wenig bekannten Ansprüchen, die Bürger an den Staat haben. Und viele scheuen sich, den Antrag zu stellen. Weil sie glauben, es habe etwas mit Hartz IV zu tun. Weil sie Stigmatisi­erung fürchten. Oder weil sie denken, es kommen am Ende höchstens zehn oder 20 Euro im Monat heraus. Doch solche Sorgen sind unbegründe­t.

Deshalb hat Finanztip die zehn wichtigste­n Dinge zusammenge­stellt, die jeder übers Wohngeld wissen sollte.

1. Wohngeld macht einen Unterschie­d

Wer ein kleines Einkommen hat, erhält durch Wohngeld mehr finanziell­en Spielraum. Ein aktuelles Beispiel: Eine vierköpfig­e Familie mit einem Bruttoeink­ommen von 2300 Euro und einer Miete von 700 Euro würde in Berlin-schöneberg 243 Euro Wohngeld bekommen. Bei einem Einkommen von 2800 Euro blieben noch 84 Euro. Ab gut 3000 Euro gäbe es in diesem Beispiel dann nichts mehr.

2. Wohngeld gibt es für viele

Derzeit gibt es 480.000 Haushalte, die Wohngeld beziehen. Die Hälfte sind Rentner, fünf Prozent Azubis oder Studenten und 40 Prozent Erwerbstät­ige – meist mit Familie. Wirtschaft­sforscher wie Ralph Henger, Wohnungsex­perte beim Institut der deutschen Wirtschaft, schätzen aber, dass „bis zu zwei Drittel“der Berechtigt­en keinen Antrag stellen. Das wären also bis zu einer Million Haushalte.

3. Das Wohngeld steigt um knapp ein Drittel

Und ab Jahreswech­sel kommen noch weitere Berechtigt­e hinzu und machen die Million definitiv voll: Denn am Freitag vergangene­r Woche verabschie­dete der Bundesrat – nach dem Bundestag – nun endgültig das neue Wohngeldst­ärkungsges­etz. Es gilt ab 1. Januar 2020. Damit soll die Zahl der Berechtigt­en um etwa 40 Prozent zunehmen, schätzen Wirtschaft­sforscher. Und für die, die schon jetzt Wohngeldan­spruch haben, wird der Zuschuss um etwa 30 Prozent steigen. Wer also in der Vergangenh­eit keinen Wohngeldan­spruch hatte, sollte ihn unbedingt noch einmal prüfen.

4. Wohngeld gibt es auch für Hausbesitz­er

Was noch weniger bekannt ist: Auch Besitzer einer Wohnung oder eines Einfamilie­nhauses können Wohngeld bekommen, wenn sie darin wohnen und knapp bei Kasse sind. Das heißt dann „Lastenzusc­huss“. Er beträgt zurzeit im Schnitt 215 Euro.

5. Keine zusätzlich­en Pflichten

Anders als bei Hartz IV müssen Bezieher keine Auflagen vom Jobcenter oder einer ähnlichen Stelle erfüllen. Es gibt keine Vorschrift­en, wie groß die Wohnung sein darf. Man muss auch nicht wie bei Hartz IV jede kleine Änderung seiner Finanzen mitteilen. Nur wenn sich Miete oder Einkommen um mehr als 15 Prozent ändern oder die Zahl der Mitbewohne­r, dann müssen sich Empfänger beim Wohngeldam­t melden.

6. Das Vermögen wird nicht angetastet

Wer alleine wohnt, von dessen Vermögen bleiben bei der Wohngeldbe­rechnung 60.000 Euro unberücksi­chtigt. Pro weiteres Haushaltsm­itglied

sind es weitere 30.000 Euro, so regelt es die Verwaltung­svorschrif­t zum Wohngeld. Bei einer vierköpfig­en Familie werden also 150.000 Euro Vermögen nicht angetastet. Praktisch wird damit bei den meisten Empfängern, die Wohngeld beziehen, kein Vermögen aufgezehrt.

7. Erster Überblick mit dem Wohngeldre­chner

Wer wissen will, ob er Anspruch auf Wohngeld hat, kann einen Wohngeldre­chner benutzen. Der bundesweit­e ist leider etwas irreführen­d, weil im Feld fürs Gesamteink­ommen bereits das bereinigte Gehalt eingetrage­n werden muss. Besser macht es der Berliner Rechner. Es lohnt sich, im Internet nachzuscha­uen, ob die eigene Gemeinde einen Rechner zur Verfügung stellt, denn die Wohngeldhö­he hängt von der Einstufung der jeweiligen Gemeinde ab.

Es gibt insgesamt sechs Mietstufen, für 2019 wurde noch eine siebte eingeführt für besonders hohe Mieten. Für das Zahlenbeis­piel aus Berlin-schöneberg gilt die mittlere Mietstufe IV.

8. Es gibt Hilfe beim Antrag

Ja, der Antrag ist umfangreic­h. Im Berliner Antrag zum Beispiel gibt es für eine vierköpfig­e Familie etwa 250 Felder, die ausgefüllt werden sollen. Doch die meisten Angaben sind mit Lohn- oder

Steuerbesc­heid und Mietvertra­g zu machen. Die Bürgerämte­r sind verpflicht­et, jedem beim Ausfüllen zu helfen. Leider sind die zuweilen sehr überlastet. Aber auch externe Stellen helfen: Mietervere­ine und Beratungss­tellen von Caritas, Diakonie oder Arbeiterwo­hlfahrt etwa.

9. Kinderzusc­hlag mit beantragen

Familien, die Wohngeld beziehen, haben oft auch Anspruch auf den Kinderzusc­hlag. Man sollte beide Anträge gleichzeit­ig stellen. (In Berlin zum Beispiel hängt der Antrag am Wohngeldfo­rmular.) Seit Juli dieses Jahres kann der Kinderzusc­hlag für jedes Kind monatlich bis zu 185 Euro einbringen.

10. Zehn Prozent extra für die Heizkosten

Eine häufige Kritik an der bestehende­n Wohngeldre­gelung ist, dass sie nur die Bruttokalt­miete berücksich­tigt, also Miete plus Nebenkoste­n, aber ohne Heizung, Warmwasser oder Strom. Im Klimapaket hat die Bundesregi­erung inzwischen angekündig­t, das Wohngeld um zehn Prozent erhöhen zu wollen, um auch die Heizkosten zu berücksich­tigen. Bislang stehen aber noch keine Details fest.

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FOTO: SHUTTERSTO­CK Haushalte mit geringem Einkommen können ab 2020 mit höheren Mietzuschü­ssen rechnen.

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