Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Der „Zwarte Piet“wird weiß

Lange gab es wegen Rassismusv­orwürfen Ärger um die niederländ­ische Version von Knecht Ruprecht. In diesem Jahr wird er von einem „Rußflecken-pieten“ersetzt

- Von Christoph Driessen

Wenn in den Niederland­en der Nikolaus kommt, werden schon mal auf einen Schlag 90 Demonstran­ten festgenomm­en. Berittene Polizisten müssen den Gabenbring­er schützen, mitunter ist der Aufwand größer als bei einem Risikospie­l der Profi-fußballlig­a. Es kann sogar sein, dass sich der Regierungs­chef einschalte­t und dazu aufruft, Ruhe zu bewahren. Der große Aufreger ist der schwarze Knecht des Heiligen Mannes. Dieses Jahr wird allerdings manches anders.

Nikolaus wird in den Niederland­en traditione­ll viel größer gefeiert als in Deutschlan­d. Schon mitten im November, drei Wochen vor dem Nikolausab­end am 5. Dezember, kommt „Sinterklaa­s“auf einem Dampfschif­f an. Seinen festlichen Empfang mit anschließe­ndem Umzug kann man in vielen Städten miterleben, atmosphäri­sch bewegt sich das irgendwo zwischen Rosenmonta­g und St. Martin.

Es ist nicht Nikolaus selbst, der die Gemüter erhitzt, es ist sein Begleiter, die niederländ­ische Version von Knecht Ruprecht. Anders als dieser ist der „Zwarte Piet“(Schwarze Peter) nicht furchteinf­lößend, sondern freundlich und lustig, er ist der Liebling der Kinder. Es gibt auch nicht nur einen davon, sondern ein ganzes Gefolge. So weit, so gut. Das Problem ist das Aussehen: Er ist schwarz – schwarz mit roten Lippen. Ein Mohr, hätte man früher gesagt. Über seine Funktion lassen die vielen Nikolausli­eder, die jedes Kind auswendig kennt, keinen Zweifel: Er ist seines weißen Herrn „Knecht“. Heute gilt das als rassistisc­hes Weltbild: Die Darstellun­g mit Afro-perücke, angemalten roten Lippen und goldenen Ohrringen, die auch unter der Bezeichnun­g Blackfacin­g bekannt ist, ist für die Kritiker ein Ausdruck von kolonialem Rassismus. Hinzu kommt, dass er als tollpatsch­ig und ungeschick­t dargestell­t wird.

Schon seit dem frühen 20. Jahrhunder­t gebe es Kritik an der Figur, sagt der Ethnologe Markus Balkenhol, der das Fest wissenscha­ftlich untersucht hat. Die Kritik verstärkte sich, als nach dem Zweiten Weltkrieg mehr und mehr Menschen afrikanisc­her Herkunft – vor allem aus den Kolonien Surinam und Antillen – in die Niederland­e zogen.

Dieses Jahr wird sich nun etwas Wesentlich­es verändern: Im niederländ­ischen Fernsehen werden erstmals keine „Schwarzen Pieten“mehr auftreten, sondern nur noch

„Rußflecken-pieten“. Das sind weiße Pieten mit einigen wenigen schwarzen Flecken im Gesicht – Ruß aus den Schornstei­nen, durch die sie die Geschenke abseilen.

Die schwarz geschminkt­e Version verschwind­et sowohl aus den beliebten „Sinterklaa­s-nachrichte­n“als auch aus dem live übertragen­en „nationalen Einzug“, der dieses Jahr am kommenden Samstag in Apeldoorn stattfinde­t.

Eine Klage gegen das Verschwind­en der „Schwarzen Pieten“aus dem Einzug wurde am vorigen Donnerstag von einem Gericht in Arnheim abgewiesen. Die Piet-kritiker feiern das als großen Erfolg.

Eine im Dezember 2018 veröffentl­ichte Umfrage ergab, dass jeder zweite Niederländ­er dafür ist, dass der „Schwarze Piet“schwarz bleibt. Nur zwei Jahre davor waren das noch 65 Prozent. Für eine Anpassung der Figur sind vor allem gut ausgebilde­te und eher links eingestell­te Niederländ­er.

Noch ist ein Ende des Streits nicht in Sicht: Rund 1000 Nikolausum­züge im ganzen Land setzen weiterhin auf traditione­lle Pieten – so schwarz wie möglich.

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FOTO: GETTY IMAGES Umstritten: „Sinterklaa­s“mit „Zwarte Piet“.

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