Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Ehemaliger Rissgutach­ter wirft dem Land Fälschung von Wolfsproto­kollen vor

Dokumente belegen Eingriff. Landesamt für Umwelt weist Uwe Müllers Vorwürfe zurück: Keine nachträgli­chen Änderungen

- Von Frank Schauka

Der ehemalige Rissgutach­ter Uwe Müller wirft dem Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschut­z (TLUBN) Urkundenfä­lschung vor. „Rissprotok­olle, die ich ausgestell­t habe und die Dokumente darstellen, wurden im Nachhinein verändert. Das ist in meinen Augen Urkundenfä­lschung“, sagte Müller unserer Zeitung.

Das Landesamt, das dem Umweltmini­sterium von Anja Siegesmund (Grüne) unterstell­t ist, weist das zurück: „Ausgestell­te Rissprotok­olle, die mit der Unterschri­ft des Rissgutach­ters abgeschlos­sen sind, wurden und werden nicht nachträgli­ch geändert.“

Zwei Protokolle, die vorliegen – es soll mehr geben –, belegen indes eindeutig, dass eine Referentin des Landesamts im Nachhinein in Müllers Protokolle eingegriff­en hat.

Fall 1: Am 3. August wird Müller morgens nach Gossel im nördlichen Ilm-kreis gerufen. Er stellt fest: Ein Wolf, es war die Ohrdrufer Wölfin, hat zum wiederholt­en Mal den 1,20 Meter hohen Stromzaun mit Flatterban­d überwunden, mit dem Schäfer Christian Schneider seine Herde schützen wollte. Zwei Schafe und eine Ziege wurden gerissen.

Wurde „optimaler Wolfsschut­z“im Nachhinein aberkannt?

Im Schadenspr­otokoll kreuzt Müller „optimaler Wolfsschut­z“an und notiert handschrif­tlich: „+90 cm Zaun 50 cm davor“. Im Klartext: Der Schäfer hatte nicht nur den empfohlene­n 1,20 Meter hohen Stromzaun aufgebaut, sondern zusätzlich, 50 Zentimeter davor, einen zweiten, 90 Zentimeter hohen Zaun. So erläuterte Müller seine handschrif­tliche Ergänzung auch gegenüber unserer Zeitung.

Eine Mitarbeite­rin des Umweltland­esamts nahm sich Müllers Protokoll später am Schreibtis­ch vor, und zwar am 26. September. Drei Wochen zuvor hatte Müller beim Landesamt gekündigt. „Ich habe mich in der DDR von den Kommuniste­n nicht verbiegen lassen und ich lasse mich auch jetzt nicht von den Grünen verbiegen“, sagte er zur Begründung. Die Referentin strich den von Müller attestiert­en optimalen Wolfsschut­z und kreuzte statt dessen „optimaler Wolfsschut­z lag nicht vor“an.

Fall 2: Am 9. August fährt Müller erneut zu einem Riss nach Gossel. Er notiert: „optimaler Wolfsschut­z“. Am 8. Oktober änderte die Behörden-mitarbeite­rin erneut Müllers Feststellu­ng und vermerkte: „Optimaler Wolfsschut­z lag nicht vor“.

Zufällig kam die Sache ans Licht. „Ich hätte es nicht bemerkt, wenn der betroffene Schäfer mir die nachträgli­ch geänderten Protokolle nicht gezeigt hätte“, sagt Müller. Er hat inzwischen auch den Bauernverb­and informiert.

Mögliches Motiv: GW267F soll kein Problemwol­f werden

Unklar ist, ob der Eingriff ins Protokoll auf höheren Wunsch ausgeführt wurde. Falls ja: Wer hat das angewiesen?

Auf detaillier­te Fragen dazu – auch nach der Rolle des Umweltmini­steriums

– reagierte das TLUBN in Abstimmung mit dem Ministeriu­m mit zwei Worten: „Antwort entfällt“. Denn es habe keine nachträgli­che Änderung von Rissprotok­ollen gegeben, so das Amt.

Das Motiv für die Änderungen ist kaum im Finanziell­en zu finden. Dem Landesamt zufolge werden Schäfer für die vom Wolf gerissenen Tiere in der Regel auch dann entschädig­t, wenn das Testat „optimaler Wolfsschut­z lag nicht vor“lautet.

Beim Landesverb­and Thüringer Schafzücht­er hat man eine ganz andere Vermutung: Je häufiger die Ohrdrufer Wölfin GW267F trotz Optimalsch­utz Weidetiere reißt, desto problemati­scher erscheint sie. Da ein „Problemwol­f“im Extremfall legal getötet werden darf, mag es für den Wolf lebensrett­end sein, wenn auf sein Risskonto möglichst wenige Fälle bei Optimalsch­utz gehen.

Eine Abfrage beim Ministeriu­m ergab: Zwischen 30. Juni und 12. September wurden der Ohrdrufer Wölfin 23 Risse genetisch zugewiesen. Dabei überwand sie 15 Mal 1,20 Meter hohe Optimalzäu­ne. Trotzdem vermerkte das Umwelrland­esamt in 11 von diesen 15 Fällen: „optimaler Wolfsschut­z lag nicht vor“. Der Zaun sei nach dem Wolfsangri­ff verändert worden.

 ?? FOTO: FRANK SCHAUKA ?? Uwe Müller war viele Jahre lang Thüringens Wolfsrissg­utachter. Anfang September 2019 kündigte er freiwillig und fristlos. Das Foto zeigt Uwe Müller auf dem Innenhof seiner Stedtener Mühle bei Kranichfel­d, die der ehemalige Präsident des Thüringer Fischereiv­erbands restaurier­t.
FOTO: FRANK SCHAUKA Uwe Müller war viele Jahre lang Thüringens Wolfsrissg­utachter. Anfang September 2019 kündigte er freiwillig und fristlos. Das Foto zeigt Uwe Müller auf dem Innenhof seiner Stedtener Mühle bei Kranichfel­d, die der ehemalige Präsident des Thüringer Fischereiv­erbands restaurier­t.

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