Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Den Tod begreifen lernen

Erstmals beginnt heute in Thüringen ein Sargbausem­inar für Männer. Teilnehmer können ihre Grabrede vorlesen

- Von Sibylle Göbel

In Hoheneiche bei Saalfeld beginnt heute ein viertägige­s Sargbausem­inar für Männer. Damit bietet die Männerarbe­it der Evangelisc­hen Kirche Mitteldeut­schland (EKM) erstmals in Thüringen die Möglichkei­t, sich mit dem Thema Tod und Sterben auch praktisch auseinande­rzusetzen. Wir sprachen darüber mit Seminarlei­ter Frank Schröder (63) vom Christlich­en Verein Junger Menschen (CVJM) Thüringen, in dem die Männerarbe­it der EKM verortet ist.

Liegen für das Seminar genügend Anmeldunge­n vor?

Ja, wir sind ungefähr 12, 13 Leute. Zwei davon kommen sogar von außerhalb Thüringens.

Was war Ihre Intention?

Das Thema Tod und Sterben ist eines der am besten verdrängte­n – nicht nur bei Männern, bei Menschen überhaupt. Deshalb wollte ich dazu schon immer mal ein Seminar machen. Und als ich dann las, dass es ein solches Angebot in Bayern gibt, dachte ich mir, dass ich das jetzt auch mal für Thüringen angehe.

Bei dem Seminar wollen sie sich nicht nur austausche­n. Sie bieten den Teilnehmer­n auch an, die eigene Grabrede zu schreiben und einen Sarg oder eine Stele zu bauen. Weshalb?

Ich sage immer: Männer begreifen gerne etwas –- mit den Händen. Denn das, was ich begreife, geht über die Hand in den Kopf und auch ins Herz. Wir wollen uns dem Thema nicht akademisch nähern. Das Beste wäre es, wenn wir so ins Gespräch kommen, dass auch Ängste und eigene Erfahrunge­n eine Rolle spielen und die Männer ihr Innerstes offenlegen.

Und weshalb die eigene Grabrede schreiben?

Es gibt ja den Spruch: Bei nichts wird so viel gelogen wie bei Steuererkl­ärungen und Grabreden. Aber darum ging es mir weniger. Ich will die Männer eher dazu anregen zu überlegen, wie uns die Menschen in Erinnerung behalten sollen und – da wir darüber als Christen reden – welche Hoffnung uns bleibt. Darüber wollen wir am Sonntag sprechen – und wer mag, kann seine Grabrede auch vorlesen.

Sie wollen auch gemeinsam tischlern. Welche Voraussetz­ungen gibt es dafür vor Ort?

Das CVJM hat in Hoheneiche ein Jugendzent­rum mit großen Räumen, außerdem einen Mitarbeite­r, der im Erstberuf Tischler ist. Wir haben unter anderem Holzstelen vorbereite­t, aus denen die Männer Gedenkstel­en fertigen können, indem sie zum Beispiel Bibelsprüc­he oder eigene Gedanken darauf schreiben – also alles, was ihnen wichtig ist, wenn sie an das Thema denken.

Was prädestini­ert Sie dazu, dieses Seminar zu leiten?

Ich habe einen Abschluss als Religionsp­ädagoge und bin seit 2013 Referent für Männerarbe­it. Das ist eine Form der Erwachsene­nbildung, die mir immer sehr viel Spaß macht. Nun bin ich zwar kein Experte für das Thema Tod und Sterben, aber es hat mich schon immer sehr gereizt, weil ich mit Männern auch oft darüber rede, welche Prioritäte­n sie in der zweiten Lebenshälf­te setzen oder wie sie sich den Ruhestand vorstellen. Ich will aber nicht nur darüber sprechen, wie sie mit ihrem eigenen Tod umgehen, sondern auch darüber, wie sie mit Menschen umgehen, die einen lieben Menschen durch den Tod verloren haben. Denn ich mache oft die Erfahrung, dass sich Trauernde doppelt bestraft fühlen: zum einen durch den Tod des Angehörige­n, zum anderen durch Menschen, die nicht fähig sind, in dieser Situation auf sie zuzugehen.

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FOTO: CVJM Frank Schröder (63) leitet das Seminar.

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