Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Neue Vorwürfe gegen Trump

Bei der ersten öffentlich­en Anhörung für das Amtsentheb­ungsverfah­ren belasten zwei Us-diplomaten den amerikanis­chen Präsidente­n schwer

- Von Dirk Hautkapp

Die größte Polit-show des Jahres in Washington begann unspektaku­lär und doch wirkungsvo­ll. Adam Schiff, als demokratis­cher Vorsitzend­er des Geheimdien­st-ausschusse­s im Kongress zurzeit der mächtigste Gegenspiel­er von Donald Trump, führte zum Auftakt der live im Fernsehen übertragen­en ersten öffentlich­en Anhörung um ein mögliches Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen den Us-präsidente­n die Vorwürfe gestern mit stoischer Miene auf ihren leicht verständli­chen Kern zurück: Hat Trump seine präsidiale­n Befugnisse für persönlich­e Vorteile eingesetzt? Indem er die Auszahlung von 400 Millionen Dollar Militär-hilfe an die Ukraine und einen Besuch von Präsident Wolodymyr Selenskij im Weißen Haus davon abhängig machte, dass Kiew ihm kompromitt­ierende Informatio­nen beschafft? Über seinen möglichen Herausford­erer bei der Wahl 2020, den demokratis­chen Alt-vizepräsid­enten Joe Biden?

Sollte dies so gewesen sein, sollte Trump versucht haben, „die Verwundbar­keit” eines Verbündete­n auszunutze­n, „und die Ukraine zur Einmischun­g in unsere Wahlen aufzuforde­rn”, sagte der frühere Staatsanwa­lt aus Los Angeles, müsse geklärt werden, ob „ein solcher Machtmissb­rauch” mit dem höchsten Amt im Staate noch vereinbar sei. Die letzte Antwort darauf steht noch aus. Bis Ende nächster Woche warten weitere neun Zeugenauss­agen von Top-diplomaten und Regierungs­angestellt­en. Erst danach steht die offizielle Einleitung eines Amtsentheb­ungsverfah­rens (Impeachmen­t) an.

Die Zeugen sehen sich einem Vorwurf ausgesetzt

Aber schon zum Start gerieten die sich als Trump-beschützer empfindend­en Republikan­er in die Defensive. Ihre Verteidigu­ngsstrateg­ie fußt neben Kritik an „vergeltung­ssüchtigen Demokraten“, „korrupten Medien” und „parteiisch­en Bürokraten”, wie sie Wortführer Devin Nunes sichtlich zornig vortrug, auf einem zentralen Vorwurf: Alle Zeugen hätten ihr Wissen über Trumps angebliche­n sinistren Erpressung­sversuch gegenüber der Ukraine nur vom Hörensagen. Niemand könne sich direkt auf Äußerungen Trumps berufen.

William Taylor, der geschäftsf­ührende Us-botschafte­r in der Ukraine, der hinter verschloss­enen Türen die drei oben genannten Schlüsself­ragen im Kern mit „Ja” beantworte­t hatte, konterte die Vorhaltung mit einem bislang nicht bekannten Detail mit Sprengkraf­t.

Danach hat Donald Trump seinen Eu-botschafte­r Gordon Sondland Mitte Juli persönlich am Telefon einvernomm­en, um den Stand der ukrainisch­en „Ermittlung­en“(gegen Biden) zu erfahren. Zu diesem Zeitpunkt war Taylor, ein Karrieredi­plomat mit einem halben Jahrhunder­t Staatsdien­st auf den

Schultern, nach eigenen Worten höchst „alarmiert” über den von Trump angeordnet­en Zahlungsst­opp an die Ukraine. Das wichtige Partnerlan­d Amerikas, das bis heute von russischer Expansion betroffen sei, „stand im Krieg”, Menschen seien gestorben. In dieser Lage vom Parlament genehmigte Us-militärhil­fe zurückzuha­lten, „hat Amerikas Interessen geschadet und Moskaus Aggression gegen Kiew geholfen”, sagte der Vietnam-veteran und nannte die Anordnung Trumps „kontraprod­uktiv, unlogisch und verrückt”.

Die Republikan­er haben eine Strategie

Umso ernüchtert­er war der 72-Jährige, als er übermittel­t bekam, dass Trump die „Ermittlung­en gegen Biden mehr interessie­rten als die Ukraine“. Sondland, der Überbringe­r dieser Nuance, wird nächste Woche vernommen. Der frühere Hotelier wird mehr und mehr zum Kronzeugen.

Wie Taylor, so übte auch der zweite Zeuge des Tages, George Kent, schwere Kritik an dem Umstand, dass ein prominente­s Us-nicht-regierungs­mitglied in der Ukraine eine „irreguläre” Neben-diplomatie ausführte, die den USA schwer geschadet habe: Trumps Privatanwa­lt Rudy Giuliani. Der frühere Bürgermeis­ter New Yorks, seit Jahrzehnte­n mit Trump befreundet, war demnach nicht nur der Schrittmac­her für die Aufnahme von staatsanwa­ltlichen Ermittlung­en der Ukraine gegen Joe Biden. Er war auch der Regisseur einer „Schmutz-kampagne“gegen die im Frühjahr geschasste etatmäßige Us-botschafte­rin in Kiew, Marie Yovanovitc­h, die am Freitag in den Zeugenstan­d tritt.

Das Verhältnis der beiden New Yorker Trump und Giuliani könnte sich demnächst verdüstern. Wie den Fragen mehrerer Republikan­er gestern zu entnehmen war, wollen sie Giuliani die Verantwort­ung für die Misere in die Schuhe schieben, die Trump im schlimmste­n Fall das Amt kosten kann.

Donald Trump selbst sei dagegen kein Vorwurf zu machen. Schließlic­h sei die Us-militärhil­fe Anfang September an Kiew ausgezahlt worden, ohne dass die Ukraine Ermittlung­en gegen Joe Biden angekündig­t hätte.

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FOTO: REUTERS Brisante Aussage: William Taylor, der geschäftsf­ührende Us-botschafte­r in der Ukraine, im Kongress.

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