Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Abenteuer in der „Neuen Welt“
Ein Proben-besuch bei Markus Huber, dem Chefdirigenten der Thüringen Philharmonie
Antonín Dvořáks Neunte „Aus der Neuen Welt“spielt die Thüringen Philharmonie heute in Gotha und morgen in Eisenach. Nach dem Saisonauftakt ist es das zweite Abo-konzert unter Leitung des neuen Chefdirigenten Markus Huber. Wir besuchten den 50-jährigen Oberbayer und seine Musiker am Dienstag im Probensaal an der „Schönen Aussicht“in Gotha: Wie es wohl klappt mit der Harmonie?
Ein kalter, klarer Novembermorgen. „Super!“nennt der Orchesterwart die Stimmung im Hause, und der Konzertmeister spielt -- „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“-mit Hermann Hesse seine Lyrikvorlieben aus. Wie aufs Stichwort nähert sich federnden Schritts der Urheber solch ungewohnt euphorischer Lagen; geradlinig, forsch und pragmatisch tritt Huber auf. Nach langer Vakanz hat die Thüringen Philharmonie Gotha-eisenach wieder einen Chefdirigenten – für mindestens fünf Jahre, wie es zur Vertragsunterzeichnung im Sommer hieß.
Im Operngraben hat er auch noch zu tun
Zehn Minuten vor Probenbeginn nimmt Huber sich Zeit in seiner Garderobe zum Plaudern. Seinen Gmd-vertrag in Pforzheim hat er nach elf Jahren vorzeitig aufgelöst, um nicht zwischen zwei Chefstellen pendeln zu müssen. Die typischen Probleme kleiner Orchester kennt er genau; mit 41 Planstellen rangieren die Goldstädter in der untersten Tarifgruppe D. Das Handicap liegt jedoch nicht bei der Dotierung, sondern in der hohen Belastung einzelner Musiker. Trotzdem hat Huber „Lohengrin“programmiert. „Die Kritiken waren toll“, erzählt er.
Nein, den Bühnenbetrieb werde er in Gotha gewiss nicht vermissen. „Ich hab’ ja den Graben auch hier im Rahmen unserer Ballettproduktionen“, betont er mit Blick auf die „Petruschka“-premiere vor ein paar Tagen. Außerdem habe er im Oktober als Gast in Pusan, Südkorea, die „Salome“dirigiert und fahre nächstes Jahr wieder hin. Auch für Abstecher nach Luxemburg, Linz, Ludwigshafen und Siegen, wo er regelmäßig auftritt, will er sich die Zeit weiterhin nehmen. Doch das Standbein hat er nun in Thüringen.
Kontinuität, Planungssicherheit und Ruhe – gerade in einem Fusionsorchester, darauf kommt es, um künstlerisch Fortschritte zu machen, ihm jetzt unbedingt an. Ebenso hat der neue Chef die treuen Zuhörer seiner Philharmoniker im Blick: „Vertrauen schaffen, auch fürs Publikum: Das ist mein Amt“, verspricht er. „Das Orchester hat bei mir die Verpflichtung, jede Note, die wir öffentlich aufführen, mit einer unheimlichen Leidenschaft zu spielen. Wir leisten uns keine Durchhänger.“Dann, wie aufs Stichwort, dringt ein Kammerton A aus dem Saal. Huber springt auf, lässt seine Musiker keine Minute warten. Und schon schlägt er den Auftakt zu Dvořáks Amerika-abenteuer und dirigiert energisch und flott die Symphonie ohne Unterlass durch. Nur wenig korrigiert er; als mal ein Horn-solo kiekst, führt sein aufmunternder Ruf bei der Wiederholung ein paar Takte später prompt zum Erfolg. Trotzdem passt da so einiges noch nicht wirklich gut.
In der Pause, beim Kaffee, wieder in der Garderobe. „Musik ist der rote Faden in meinem Leben“, erzählt der frühere Tölzer Chorknabe, der mit Kapellmeister-stellen in Detmold und Chemnitz die klassische Laufbahn begann. Von klein auf wollte er ans Dirigieren. „Das besteht für mich nicht aus dem Ausüben von Tönen und Dynamiken; die sind nur Mittel zum Zweck. Ich möchte die Geschichten, die hinter der Musik stecken, entdecken.“Etwa den indianischen Tanz ums Feuer im dritten Satz und dessen Konkurrenz zur böhmischen Polka.
Zwei große symphonische Zyklen über Jahre geplant
Huber weiß um die Nöte „seiner“Gotha-eisenacher, die sich zurzeit mit 73 Musikern auf 64 Stellen aufteilen. Bis auf die Zielgröße 59 soll noch reduziert werden, das schränkt auch das Repertoire ein. Dennoch will Markus Huber in seiner Amtszeit Akzente mit Brucknerund Schostakowitsch-zyklen setzen. Da zeigt der sportive Turnschuhmann Schneid – obwohl er weiß, dass schon allein das Aufgabenspektrum des Orchesters herausfordernd ist: zwei Städte und Landkreise mit Konzerten bespielen, das Eisenacher Ballett begleiten, für junge Leute spielen, mit Tourneen Geld verdienen und obendrein noch Musiker nach Erfurt abstellen. „Das ist die Quadratur des Kreises“, sagt Huber fest.
Wieder ertönt der Lockruf des Kammertons. Jetzt macht der erfahrene Pragmatiker sich an die Detailarbeit und korrigiert, wo es eben noch hakte. Im dritten Satz will er vom Wilden Westen erzählen und fragt: „Kennen Sie Winnetou?“Die koreanische Bratscherin schüttelt den Kopf. Aber tanzen, das kann sie, hörbar mit den Fingern übers Griffbrett. „Und Sie sind die Indianer-trommel“, erklärt er den Bässen eine markante Figur. Schritt für Schritt kommen die Musiker Hubers Vorstellungen näher – und bis zum Konzert ist’s ja noch ein bisschen Zeit.
Forsch geht Markus Huber es an. Sein Elan stiftet den oft totgesagten Philharmonikern eine Zukunftsperspektive. Endlich.
Heute, 20 Uhr, im Kulturhaus Gotha; Freitag, 19.30 Uhr, im Theater Eisenach