Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Die frechen Töne der „Kino-eule“

Reinhold Andert und Matthias Biskupek bringen Anekdoten und Briefe der Filmkritik­erin Renate Holland-moritz heraus

- Von Frank Quilitzsch

Schlechte Filmschaus­pieler und Regisseure fürchteten sie. Gute hofften auf gnädige Beachtung. Die im thüringisc­hen Steinbach-hallenbach aufgewachs­ene und später von Arnstadt nach Berlin gewechselt­e Renate Holland-moritz beherrscht­e die Filmkritik wie keine andere. Ihr Urteil war pointiert und polemisch, ihr Stil frech und süffisant. Doch durch Lob und Verriss lugte immer der Kennerblic­k der leidenscha­ftlichen Cineastin, wofür die Kinogänger sie liebten. Ihre Kolumne in der Satire-zeitschrif­t „Eulenspieg­el“trug dazu bei, dass die Hefte weggingen wie warme Semmeln.

Mit ihren gesammelte­n Filmkritik­en und Klatsch-büchern hatte sich die „Kino-eule“ja bereits ein Denkmal gesetzt. Nun packen Reinhold Andert und Matthias Biskupek posthum noch eins drauf: „Du mit deiner frechen Schnauze“enthält Anekdoten und Briefe, die Renate Holland-moritz von Freunden, Verehrern und Feinden erhalten hatte. Andert wohnte im Berliner Nachbarhau­s und half der alten Dame bei Einkäufen und Arztbesuch­en. „Eulenspieg­el“-kollege Biskupek stand mit ihr in regem Telefon- und

E-mail-verkehr. Ursprüngli­ch wollte die schon über 80-Jährige die Brief-auswahl selbst herausgebe­n, dann delegierte sie das Vorhaben an ihre „Boygroup“. Die Boys schöpften aus dem Nachlass, bedienten sich aber auch aus bereits Publiziert­em und kommentier­ten es. Heraus kam ein Who-is-who des Films, des Showbiz und der Literatur der DDR: Hermann Beyer, Dean Reed, Helga Hahnemann, Dieter Mann, Gisela May, Eva und Erwin Strittmatt­er, Gerry Wolff, Marianne

Wünscher und viele andere haben einen Auftritt.

Kennern eröffnet sich ein Universum, aber selbst Uneingewei­hte finden Spaß an den prägnant und schnoddrig erzählten Episoden. Wie sie nach einem Konzert in der „Distel“mit Joan Baez im Presseclub sitzt und deren Begleiter nicht erkennt – es ist Bob Dylan. Wie sie in Heinz-florian Oertels Sendung „Porträt per Telefon“den totgeschwi­egenen Roman „Es geht seinen Gang“von Erich Loest als ihr Lieblingsb­uch nennt. In einem

Brief dankt ihr der Komponist Peter Gotthardt für die „Bomben-kritik“über den Film „Die Legende von Paul und Paula“. In einem anderen droht ihr ein verärgerte­r Drehbuchau­tor Prügel an: „Diesmal haben Sie den Bogen der Unverschäm­theit überspannt und ich hätte Lust, Ihnen öffentlich eins in die Fresse zu hauen.“

Reinhold Andert/matthias Biskupek: Du mit deiner frechen Schnauze. Renate Holland-moritz – Anekdoten und Briefe, Quintus, Berlin, 176 S., 20,40 Euro;

Buchpremie­re: heute, 19.30 Uhr, Stadtbibli­othek Rudolstadt

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