Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Die frechen Töne der „Kino-eule“
Reinhold Andert und Matthias Biskupek bringen Anekdoten und Briefe der Filmkritikerin Renate Holland-moritz heraus
Schlechte Filmschauspieler und Regisseure fürchteten sie. Gute hofften auf gnädige Beachtung. Die im thüringischen Steinbach-hallenbach aufgewachsene und später von Arnstadt nach Berlin gewechselte Renate Holland-moritz beherrschte die Filmkritik wie keine andere. Ihr Urteil war pointiert und polemisch, ihr Stil frech und süffisant. Doch durch Lob und Verriss lugte immer der Kennerblick der leidenschaftlichen Cineastin, wofür die Kinogänger sie liebten. Ihre Kolumne in der Satire-zeitschrift „Eulenspiegel“trug dazu bei, dass die Hefte weggingen wie warme Semmeln.
Mit ihren gesammelten Filmkritiken und Klatsch-büchern hatte sich die „Kino-eule“ja bereits ein Denkmal gesetzt. Nun packen Reinhold Andert und Matthias Biskupek posthum noch eins drauf: „Du mit deiner frechen Schnauze“enthält Anekdoten und Briefe, die Renate Holland-moritz von Freunden, Verehrern und Feinden erhalten hatte. Andert wohnte im Berliner Nachbarhaus und half der alten Dame bei Einkäufen und Arztbesuchen. „Eulenspiegel“-kollege Biskupek stand mit ihr in regem Telefon- und
E-mail-verkehr. Ursprünglich wollte die schon über 80-Jährige die Brief-auswahl selbst herausgeben, dann delegierte sie das Vorhaben an ihre „Boygroup“. Die Boys schöpften aus dem Nachlass, bedienten sich aber auch aus bereits Publiziertem und kommentierten es. Heraus kam ein Who-is-who des Films, des Showbiz und der Literatur der DDR: Hermann Beyer, Dean Reed, Helga Hahnemann, Dieter Mann, Gisela May, Eva und Erwin Strittmatter, Gerry Wolff, Marianne
Wünscher und viele andere haben einen Auftritt.
Kennern eröffnet sich ein Universum, aber selbst Uneingeweihte finden Spaß an den prägnant und schnoddrig erzählten Episoden. Wie sie nach einem Konzert in der „Distel“mit Joan Baez im Presseclub sitzt und deren Begleiter nicht erkennt – es ist Bob Dylan. Wie sie in Heinz-florian Oertels Sendung „Porträt per Telefon“den totgeschwiegenen Roman „Es geht seinen Gang“von Erich Loest als ihr Lieblingsbuch nennt. In einem
Brief dankt ihr der Komponist Peter Gotthardt für die „Bomben-kritik“über den Film „Die Legende von Paul und Paula“. In einem anderen droht ihr ein verärgerter Drehbuchautor Prügel an: „Diesmal haben Sie den Bogen der Unverschämtheit überspannt und ich hätte Lust, Ihnen öffentlich eins in die Fresse zu hauen.“
Reinhold Andert/matthias Biskupek: Du mit deiner frechen Schnauze. Renate Holland-moritz – Anekdoten und Briefe, Quintus, Berlin, 176 S., 20,40 Euro;
Buchpremiere: heute, 19.30 Uhr, Stadtbibliothek Rudolstadt