Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Schäfer in Not
Der Beruf stirbt langsam aus, auch wenn ihn im Unstrut-hainich-kreis noch viele ausüben
Er hat nie Urlaub und nicht mal den Mindestlohn. Dennoch ist Hendrik Rohrmann Schäfer mit Herzblut. Mit seinem Bruder Tobias führt er in Körner eine Schäferei – und somit die Familientradition in fünfter Generation weiter.
„Ich bin infiziert“, sagt Hendrik Rohrmann. Schon sein Ur-urgroßvater war Schäfer. Von klein auf war der 48-Jährige mit auf der Weide, im Stall und dabei, wenn Lämmer geboren wurden. Deshalb wollte auch er Schäfer werden. Doch als er aber 1990 ausgelernt hatte, fand er keinen Job. Er musste umschulen und wurde Maurer. Zehn Jahre lang war er auf dem Bau, dann sattelte er wieder um. „Ich liebe die Ruhe beim Hüten“, sagt er.
550 Tiere gehören zur Firma, die er seit 2016 mit seinem Bruder Tobias als GBR führt. „Zu Ddr-zeiten konnte man davon gut leben“, berichten die Zwei. Doch heute kann man kaum etwas verdienen mit Wolle oder Fleisch, das an Händler in Hamburg, Berlin, Kassel, und Bad Bentheim geht. Die Haupteinnahmequelle ist die Landschaftspflege. Denn Schafe sind natürliche Rasenmäher, sie verhindern die Verbuschung.
Dagegen aber stehen Kosten für den gepachteten Stall und das Kraftfutter, das Lämmer und Muttertiere brauchen. „Die Berge Stroh und Heu für die man in Vorleistung gehen muss, sieht auch keiner“, so die Rohrmanns. Dazu kommt, dass das Schäfersein ein 365-Tage-job ist. Bei einem Regionaltreffen, bei dem die beiden waren, wurde kürzlich der Durchschnittsverdienst von selbstständigen Schäfern genannt – 3,61 Euro pro Stunde.
„Ich ziehe den Hut vor den privaten Schäfern“, sagt Frank Baumgarten, Chef der Agrargenossenschaft Kirchheilingen, der die Probleme kennt. Früher hatte jeder Agrarbetrieb eine Schäferei, heute ist das Kirchheilinger Unternehmen eines der wenigen, die noch eine besitzen. Verdient wird damit nichts. „Wenn wir Glück haben, haben wir am Jahresende immer eine schwarze Null“, sagt er.
Die Schur sei heute nur noch Körperpflege. Denn die Kosten dafür werden vom Erlös der Wolle nicht gedeckt. „Es müssten sich mehr Gedanken gemacht werden, wie der Naturrohstoff genutzt werden kann“, sagt er. Denn Wolle wäre zum Beispiel ein guter Dämmstoff. Das Agrarunternehmen hat auch selbst experimentiert und Schafwollpellets hergestellt, die guter Dünger sind. Laut Baumgarten greifen Kleingärtner jedoch offensichtlich lieber zu Chemie. Denn Pellets vom vergangenen Jahr liegen noch immer in den Läden der Landfactur, weshalb jetzt auf eine weitere Produktion verzichtet wurde.
Auch bringt das Lammfleisch lediglich ein Drittel des Gesamtgewinns ist. Das liegt mit am Weltmarktpreis,
der wegen Fleisch aus England und Neuseeland sinkt. „Auch der Absatz ist schwer“, sagt Baumgarten. Deshalb wird nur geschlachtet, wenn es Vorbestellungen gibt. Die Schäferei ist ein Tochterbetrieb der Agrargenossenschaft mit 720 Mutterschafen. Zwei Schäfer sind in der Firma angestellt. Auch ausbilden würde das Unternehmen gern. Doch findet sich kein Lehrling.
Flächen für die Tiere fehlen in der Region
Schäfer ist ein aussterbender Beruf. Das bedauert auch Gerhard Schuh, der Zuchtleiter im Landesverband Thüringer Schafzüchter ist. Im Freistaat gibt es nur noch acht Lehrlinge. „Die reichen nicht, um den Berufsstand zu reproduzieren“, sagt er. Auch geht die Zahl der Schäfereien stetig zurück. In Thüringen gibt es nicht einmal mehr hundert. „Wenn die Dienstleistungen in der Landschaftspflege adäquat bezahlt werden würde, würde sich das ändern“, so Schuh. Auch an der Bürokratie müsse sich etwas ändern, die Buchhaltung und das Anträgeschreiben sei eine enorme Belastung.
Im Unstrut-hainich-kreis gibt es vergleichsweise noch viele Schäfer. Für Hendrik und Tobias Rohrmann ist aber genau das ein Problem. „Es fehlen Flächen“, sagen sie. Gerade nach zwei heißen Sommern steigen die Preise.