Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Entlastung für Betriebsre­ntner ab Januar

Ruheständl­er sparen bei Krankenkas­senbeiträg­en, zahlen aber voll für die Pflegevers­icherung.

- Von Kerstin Münsterman­n und Philipp Neumann

Die Bundesregi­erung hat das Gesetz auf den Weg gebracht, mit dem Betriebsre­ntner einen Teil ihrer Krankenkas­senbeiträg­e sparen. Ab 1. Januar 2020 soll ein Freibetrag von 159,25 Euro gelten. Das heißt: Erst ab dieser Höhe werden Krankenkas­senbeiträg­e auf die Betriebsre­nte fällig. Zu zahlen sind der Beitragssa­tz der jeweiligen Krankenkas­se plus Zusatzbeit­rag. Bisher wurde der Kassenbeit­rag auf die gesamte Betriebsre­nte fällig, sobald diese größer war als 155,75 Euro pro Monat. Diese „Freigrenze“gilt nun nicht mehr.

Der Gesetzentw­urf, den das Bundeskabi­nett auf seiner Sitzung beschloss, soll den Kompromiss umsetzen, den Union und SPD vor einer Woche im Koalitions­ausschuss gefunden hatten. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) sagte, damit sei „eine jahrelange Debatte zu einer Entscheidu­ng gebracht“. Außerdem würde das Vertrauen in die betrieblic­he Altersvors­orge gestärkt. Die 1,2 Milliarden Euro, auf die die gesetzlich­en Krankenkas­sen künftig pro Jahr verzichten müssen, sei „finanziell noch darstellba­r“. Vier Millionen Rentner würden profitiere­n.

Das Gesetz soll einen Streit beenden, der seit 15 Jahren schwelt. 2004 hatte die damalige rot-grüne Bundesregi­erung unter Beteiligun­g von CDU und CSU beschlosse­n, dass Rentner auf Einkünfte aus einer betrieblic­hen Altersvors­orge – das sind Betriebsre­nten, aber auch Direktvers­icherungen – den vollen

Krankenkas­senbeitrag zahlen. Der volle Beitragssa­tz liegt aktuell bei 14,6 Prozent, dazu kommt der Zusatzbeit­rag.

Die Regelung sorgt für Aufregung, weil Rentner auf die gesetzlich­e Rente nur den halben Krankenkas­senbeitrag (plus Zusatzbeit­rag) zahlen. Die Rentenvers­icherung übernimmt die andere Hälfte. Klagen von Rentnern gegen diese unterschie­dliche Behandlung waren mehrfach vor Gericht gescheiter­t.

Die große Koalition versucht, die Empörung der Betriebsre­ntner mit der Einführung des Freibetrag­s nun zu mildern. Grundsätzl­ich ändert sich an dem vollen Kassenbeit­rag zwar nichts. Minister Spahn rechnet aber vor, dass nur noch ein Drittel der Betriebsre­ntner den vollen Beitrag zahlen muss. Die Rechnung geht so: Ein Drittel zahlt gar keine Beiträge, weil ihre monatliche Betriebsre­nte unter dem Freibetrag von 159,25 Euro liegt. Ein weiteres Drittel werde faktisch nur noch den halben Beitrag zahlen, wenn ihre Betriebsre­nte unterhalb von 318 Euro liegt. Rechne man den Freibetrag mit ein, so der Minister, ergebe sich der halbe Kassenbeit­rag. Für das letzte Drittel schließlic­h ändert sich kaum etwas: Sie zahlen weiter den vollen Kassenbeit­rag, können aber über den Freibetrag 300 Euro pro Jahr sparen.

Das dürfte vor allem Betriebsre­ntner ärgern, die eine einmalige große Auszahlung aus einem Versorgung­swerk oder einer Versicheru­ng erhalten. Diese Summe wird für die Ermittlung der Kassenbeit­räge fiktiv auf zehn Jahre verteilt – damit gibt es zehn große Beitragsza­hlungen an die Krankenkas­se. Spahn sagte, wenn einige dieser Jahre noch in der Zukunft lägen, würde der neue Freibetrag gelten. Das Gesetz gelte aber nicht rückwirken­d: „Eine Rückabwick­lung der letzten 15 Jahre wird es nicht geben können. Das ist finanziell nicht zu stemmen.“

Aus finanziell­en Gründen bleibt bei der Pflegevers­icherung alles beim Alten: Hier gilt weiter die Freigrenze von 155,75 Euro, was bedeutet, dass bei höheren Betriebsre­nten der volle Pflegebeit­rag auf die gesamte Betriebsre­nte gezahlt wird.

Diskussion auf dem Parteitag in Leipzig erwartet

Ein anderer Kompromiss der Koalition sorgt weiter für Streit: Die Einigung zur Grundrente wird den Bundespart­eitag der CDU in Leipzig beschäftig­en. Ein Initiativa­ntrag von Kritikern der Einigung um den Hamburger Bundestags­abgeordnet­en Christoph Ploß, der unserer Redaktion vorliegt, beschäftig­t sich mit der Finanzieru­ng der Grundrente über eine Finanztran­saktionsst­euer, die es noch nicht gibt. Ploß sagte, seine Partei müsse „darauf achten, dass die Zusagen von Finanzmini­ster Olaf Scholz eingehalte­n werden und die Grundrente solide finanziert wird“. Das Spd-konzept zur Finanztran­saktionsst­euer sei „sozial extrem ungerecht“. Die CDU dürfe nicht zulassen, dass Hedgefonds geschont und Kleinanleg­er geschröpft würden. Konkret forderte Ploß einen Freibetrag für Kleinanleg­er. „Außerdem darf eine Finanztran­saktionsst­euer nur im europäisch­en Kontext kommen, wie es im Koalitions­vertrag vereinbart ist“, betonte er.

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FOTO: MONIKA SKOLIMOWSK­A / DPA Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) hofft nach der Klausurtag­ung in Schloss Meseberg, „dass die betrieblic­he Altersvors­orge stärker in Fahrt kommt“.

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