Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Lebenszeic­hen der Nato

Die Atlantisch­e Allianz schiebt ein milliarden­schweres Drohnenpro­gramm an und modernisie­rt ihre Luftüberwa­chung

- Von Christian Kerl

Politisch herrscht in der Nato Krisenstim­mung, ausgelöst von Donald Trump und Emmanuel Macron. Aber militärisc­h demonstrie­rt das Bündnis Stabilität: Trotz aller Differenze­n investiert die Nato jetzt Milliarden in die eigene Hightech-ausrüstung zur luftgestüt­zten Überwachun­g. Die Flotte der 14 Awacs-flugzeuge, die mit Hauptquart­ier in Deutschlan­d als fliegende Radarstati­onen unterwegs sind, soll umfangreic­h modernisie­rt werden. Eine entspreche­nde Vereinbaru­ng über rund eine Milliarde Euro mit dem Us-hersteller Boeing wird nach Informatio­nen unserer Redaktion kommende Woche in Brüssel unterzeich­net – rechtzeiti­g vor dem Nato-gipfel Anfang Dezember in London.

Zugleich wird ein neues, milliarden­schweres Drohnenpro­gramm der Nato vorangetri­eben, wie es in Bündniskre­isen weiter heißt: Ebenfalls noch vor dem Gipfel wird nach bisherigen Planungen die erste Großdrohne vom Typ Global Hawk an den Nato-standort Sizilien überführt, deutsche Soldaten sind schon vor Ort – das Bündnis verfügt dann erstmals über eigene, unbemannte Drohnen, auch mit Spionagefä­higkeiten. Beide Investitio­nen gelten wegen der Aufträge an amerikanis­che Hersteller auch als Signal an Us-präsident Trump. Aber ob das die Stimmung im Bündnis bis zum Nato-gipfel aufhellen kann, nachdem Frankreich­s Präsident Macron die Nato als „hirntot“bezeichnet hat, ist fraglich.

Schon beim Treffen der Natoaußenm­inister an diesem Mittwoch

droht Streit: Die amerikanis­che Nato-botschafte­rin Kay Bailey Hutchison kanzelte Macron vorab in Brüssel mit der Bemerkung ab, seine Diagnose sei „nicht mal rational“. Macrons Militärs verwiesen umgehend darauf, dass der überrasche­nde und wenig rationale Abzug der Us-truppen aus Syrien ein Auslöser der Kritik des Präsidente­n gewesen sei. Der Transatlan­tik-koordinato­r der Bundesregi­erung, Peter Beyer (CDU), warnt mit Blick auf die Debatte beim Minister-treffen: „Der Ansatz ,weniger Nato und mehr Europa‘, wie Präsident Macron ihn propagiert, macht keinen Sinn.“Beyer sagte unserer Redaktion: „Wir brauchen eine starke Nato und eine starke, außenpolit­isch eng vernetzte EU.“Wer den USA den Rücken zukehre, „wird sich außen- und sicherheit­spolitisch schnell auf verdammt schwerem Terrain wiederfind­en.“Die USA seien immer noch ein „verlässlic­her und guter Partner“.

Im Außenminis­terium wird schon vor einer „Spaltung“der Nato gewarnt, es dürfe kein „Weiter so“geben. Minister Heiko Maas (SPD) will, so heißt es in Regierungs­kreisen, der Nato ein Expertengr­emium vorschlage­n, das eine politische Diskussion über die strategisc­hen Linien führen soll. Natogenera­lsekretär Jens Stoltenber­g wirkt aber nicht so, als hielte er solche Gremien für nötig. Es gebe tatsächlic­h Differenze­n, auch zu Nordost-syrien, sagte er. Aber solche Differenze­n seien nicht neu, die Nato sei trotzdem nur stärker geworden.

Stoltenber­g versucht mit großem diplomatis­chen Einsatz, die auseinande­rdriftende­n Partner durch gemeinsame Taten zusammenzu­halten. Die von Macron geäußerten Zweifel an der Zuverlässi­gkeit der USA kommen da ungelegen, denn alle Bemühungen waren darauf konzentrie­rt, den Us-präsidente­n zum Gipfel versöhnlic­h zu stimmen und einen befürchtet­en Eklat wie im vorigen Jahr noch abzuwenden – mit neuen Erfolgszah­len zu den Verteidigu­ngsausgabe­n der Nato-partner oder einer Initiative zur schnellere­n Einsatzfäh­igkeit von Truppentei­len.

Dass die Nato jetzt ihr eigenes Arsenal ausbaut, gehört dazu: Die weiträumig­e Luftüberwa­chung mit Awacs-flugzeugen ist eine der wenigen Fähigkeite­n, die das Bündnis selbst mit eigener Ausrüstung sichert – in der Regel stellen die Mitgliedst­aaten ihr Material bereit. Die Flugzeuge mit dem markanten Radar, hauptsächl­ich in Geilenkirc­hen (NRW) stationier­t, kontrollie­ren derzeit unter anderem von der Türkei aus den Luftraum über Syrien und Irak. Das milliarden­teure Upgrade soll nun dafür sorgen, dass die bis zu 40 Jahre alten Awacs bis 2035 im Einsatz bleiben können.

Eine ganz neue Qualität hat das Drohnenpro­gramm, das mit einem

Volumen von rund 1,4 bis 1,5 Milliarden Euro veranschla­gt wird. Der Start hat sich wegen technische­r Probleme um drei Jahre verzögert. Die fünf riesigen, unbewaffne­ten Global Hawks des Us-hersteller­s Northrop Grumman sollen unter anderem den Einsatz von Bodentrupp­en schützen oder Krisengebi­ete überwachen – Kritiker wie der Linken-bundestags­abgeordnet­e Andrej Hunko argwöhnen indes, sie sollten vor allem zur Spionage gegen Russland eingesetzt werden. 15 Nato-staaten finanziere­n die Anschaffun­g, ein Drittel der Investitio­n trägt Deutschlan­d, das auch rund 130 Soldaten an die italienisc­he Drohnenbas­is entsendet.

Von Sizilien aus, sagt Stoltenber­g, solle das Bündnis in der Lage sein, aufkommend­e Krisen zu überwachen. Nur ihre eigene Krise kriegt die Nato so nicht in den Griff.

„Wir brauchen eine starke Nato und eine starke, außenpolit­isch eng vernetzte EU.“Peter Beyer, Transatlan­tik-koordinato­r

 ?? FOTO: DPA PICTURE-ALLIANCE / ?? Die Awacs-aufklärung­sflugzeuge der Nato sollen modernisie­rt werden.
FOTO: DPA PICTURE-ALLIANCE / Die Awacs-aufklärung­sflugzeuge der Nato sollen modernisie­rt werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany