Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Zu Kanzlerkandidat Cdu-basis befragen
Friedrich Merz über seine Parteitagsrede, Annegret Kramp-karrenbauer und seine eigenen Ambitionen
Berlin. Der Cdu-politiker Friedrich Merz hat sich dafür ausgesprochen, die Parteibasis an der Entscheidung über die Kanzlerkandidatur zu beteiligen. Das sagte der frühere Unionsfraktionschef in einem Interview dieser Zeitung auf eine entsprechende Frage. „Die Regionalkonferenzen vor der Wahl zum Parteivorsitzenden waren doch sehr spannend und attraktiv. Die offene Diskussion hat der Partei gut getan.“
Berlin. 517 Stimmen für Annegret Kramp-karrenbauer, 482 für Friedrich Merz – so knapp ging vor einem Jahr die Stichwahl zum Cdu-vorsitz aus. Aber wer wird Kanzlerkandidat der Union? Favorit in den Umfragen jedenfalls ist Merz, ehemals Vorsitzender der Unionsfraktion und notorischer Kritiker von Kanzlerin Angela Merkel. An diesem Donnerstag beginnt der Cdu-parteitag in Leipzig – und Merz hat eine Rede angekündigt.
Herr Merz, mit welcher Botschaft kommen Sie nach Leipzig?
Friedrich Merz: Ich werde mich wie hoffentlich viele andere Delegierte auch an der Aussprache zum Bericht der Vorsitzenden beteiligen und einige wenige Anmerkungen machen zur Lage der Union und zu den Themen, die uns in den nächsten Jahren aus meiner Sicht beschäftigen müssten. Es wird also sehr sachlich und konstruktiv werden.
Welche Absicht verfolgen Sie mit Ihrem Auftritt?
Ich bin einer von 1000 Delegierten auf dem Parteitag. Im letzten Jahr in Hamburg habe ich der neu gewählten Bundesvorsitzenden zugesagt, dass ich sie nach Kräften unterstützen werde. Das tue ich, und das werde ich auch mit meinem Wortbeitrag in Leipzig tun.
Wäre es nicht an der Zeit, mal eine spektakuläre Rede zu halten? Ihre Antwort?
Das Potenzial für die Union in der politischen Mitte, bei Liberalen, bei Wertkonservativen, bei sozial engagierten Menschen, bei umweltbewussten älteren und jüngeren Menschen, ist doch ohne Zweifel vorhanden. Wir müssen in der ganzen Breite unserer Themen und unseres personellen Angebots überzeugend sein. Dann können wir dieses Potenzial ausschöpfen.
Nach der verlorenen Thüringenwahl haben Sie analysiert, die „Untätigkeit und die mangelnde Führung“der Bundeskanzlerin habe sich „wie ein Nebelteppich“über das Land gelegt. Wie lange wollen Sie sich noch an Angela Merkel abarbeiten?
Für diese Wortwahl habe ich nicht nur viel Zustimmung erhalten, sondern auch einiges an Kritik erfahren. Ich kann die Kritik verstehen. Aber mir ging es darum, die Partei aufzurütteln und nach diesen nun wirklich sehr schlechten Wahlergebnissen die notwendige Debatte über einige Sachfragen anzustoßen. Wir haben auf diesem Parteitag keine Personalentscheidungen, und wir werden auch keine Personaldiskussionen führen. Aber wir müssen uns auf dem Weg zu einem neuen Grundsatzprogramm ernsthaft mit einigen grundsätzlichen Fragen auseinandersetzen. Warum verlieren wir zum Beispiel so viele Wählerinnen und Wähler an die Grünen und auch weiter an die AFD? Es wäre darüber zu reden, wie breit die CDU im deutschen Parteienspektrum aufgestellt ist. Diese Sachdebatte will ich mit führen.
Die Führungsfrage steht im Raum.
Die Partei beschäftigt natürlich die Frage, wie der Übergang gestaltet werden kann. Es ist eine relativ schwierige Situation, wenn das Amt der Bundeskanzlerin und das Amt der Parteivorsitzenden nicht mehr in einer Hand liegen. Diese Phase wird aber zeitlich begrenzt sein. Und auf die Zeit danach müssen wir uns jetzt wirklich gemeinsam und gut vorbereiten.
In welcher Rolle wollen Sie sich einbringen?
Ich bringe mich in der Sache ein. Das hängt nicht an der Formalität eines Amtes.
Eine erfolgreiche Kanzlerkandidatur – das zeigen Umfragen – trauen die Deutschen am ehesten Ihnen zu. Fühlen Sie sich ermutigt?
Noch mal: Personalentscheidungen stehen nicht auf der Tagesordnung. Ich fühle mich durch solche Umfragen aber ermutigt, weiter mitzuarbeiten und meinen positiven Beitrag zu leisten. Ich finde es wie viele andere auch wichtig, dass die CDU in ihrer ganzen Breite dargestellt wird und vertreten ist, sowohl in der Wirtschafts- und Sozialpolitik als auch in der Außen- und Sicherheitspolitik. Und genauso, was das Wertefundament unserer Arbeit als Christlich Demokratische Union angeht.
Wer soll über die Frage der Kanzlerkandidatur entscheiden: die Parteiführungen von CDU und CSU – oder die Basis?
Ich will den Beratungen und der Beschlussfassung des Parteitags nicht vorgreifen. Aber ich halte es nach den Erfahrungen des letzten Jahres für gut und richtig, die Parteimitglieder an Personal- und Sachentscheidungen in Zukunft weiter gut zu beteiligen. Die Regionalkonferenzen vor der Wahl zum Parteivorsitzenden waren doch sehr spannend und attraktiv. Die offene Diskussion hat der Partei gutgetan.
Wie denken Sie über eine Urwahl des Kanzlerkandidaten?
Über die Form der Mitgliederbeteiligung muss man diskutieren. Wichtig ist am Ende des Tages aber auch, dass CDU und CSU eine gemeinsame Kanzlerkandidatin oder einen gemeinsamen Kanzlerkandidaten haben. Wir werden zu einem Ergebnis kommen, das die Partei und die Wähler überzeugt.
Hält die große Koalition denn bis 2021?
Die Wahrscheinlichkeit, dass die große Koalition über den Jahreswechsel fortbesteht, ist größer geworden nach der Einigung bei der Grundrente. Sicher ist das aber nicht, weil die SPD eine neue Führung wählt. Insofern muss sich die Union auf beide Szenarien einstellen. Ein vorzeitiges Ende der Koalition ist immer noch möglich.
„Ich halte es für richtig, die Parteimitglieder an Personal- und Sachentscheidungen zu beteiligen.“
Von einem Parteitag wird mehr erwartet als einzelne spektakuläre Reden. Er soll Orientierung geben und sich mit der Frage beschäftigen, warum die Wahlergebnisse in diesem Jahr so schlecht gewesen sind – aber dann auch den Blick nach vorn richten: Wie können wir den Anspruch wieder einlösen, Volkspartei zu sein, die 35 Prozent plus X der Stimmen in Deutschland erreicht?