Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Bizarre Auktion um Hitlers Nachlass

In München kommen sein Zylinder, aber auch Kleidung von Eva Braun unter den Hammer. Scharfe Kritik des Antisemiti­smus-beauftragt­en

- Von Caroline Rosales und Michael Backfisch

München/berlin. Das ist der Moment, auf den die meisten der Anwesenden gewartet haben: Der Zylinder Adolf Hitlers ist an der Reihe – aus seiner Privatwohn­ung an der Münchner Prinzregen­tenstraße, aus dem Nachlass Eva Brauns. Plötzlich mehren sich die Gebote, Schilder gehen in die Höhe. 12.500 Euro, das Startgebot, sind schnell überschrit­ten. Bald sind es 30.000 Euro, bis ein englischsp­rachiger Herr Mitte 50 im grauen Anzug das Bieten mit 50.000 Euro beendet.

Ein Raunen geht durch den Raum. Mehrere Dutzend Menschen sitzen an diesem trüben Novembermo­rgen im Auktionsha­us Hermann Historica in Grasbrunn (Landkreis München) in einem bestuhlten Quadrat. Rechtwinkl­ig gegenüber befinden sich weitere Sitzreihen, die den Agenten der Telefonbie­ter vorbehalte­n sind. Daneben stehen Laptops, hinter den Bildschirm­en arbeiten junge Mitarbeite­r des Auktionsha­uses. Es handele sich hier um ein heikles Thema, ein „hot topic“, sagt der Geschäftsf­ührer Bernhard Pacher gleich zu Beginn der Auktion – zahlreiche Nazi-devotional­ien sollen in den nächsten rund acht Stunden versteiger­t werden.

„Hier werden die Verbrechen der Nazis verharmlos­t“

„Da sind keine Nazis dabei“, betont Pacher. Laut Website des Auktionsha­uses dürfen die ersteigert­en Gegenständ­e nur zur Lehre, Forschung, Kunst und Wissenscha­ft verwendet werden. Dabei wird auf Paragraf 86, Absatz 3 des Strafgeset­zbuches verwiesen. „Wir gehen davon aus, dass alle, die hier im Publikum sitzen, sich daran halten werden“, sagt der Veranstalt­er. Die Leute nicken.

Am Morgen sind die Einlasskon­trollen allerdings lascher als bei einem innerdeuts­chen Flug. Ein DIN-A-4-BLATT muss unterschri­eben werden, Aufklärung über den besagten Paragrafen, ein Ausweisdok­ument muss vorgelegt werden. Dabei wird im Vorfeld nichts geprüft. Kein polizeilic­hes Führungsze­ugnis, keine Meldebesch­einigung ist nötig, um Einlass zu erhalten.

Dafür hagelt es aus der Politik scharfe Kritik an der Veranstalt­ung. Die Versteiger­ung von Nazi-devotional­ien sei „widerwärti­g“, sagte der Antisemiti­smus-beauftragt­e der Bundesregi­erung, Felix Klein, unserer Redaktion. „Hier werden die Verbrechen der Nazis verharmlos­t. Es wird so getan, als ob mit ganz normalen historisch­en Kunstgegen­ständen gehandelt würde.“Klein geht noch weiter. „Versteiger­ungen wie diese bereiten den Boden für Äußerungen, die den Holocaust relativier­en. Hier wird wieder einmal eine rote Linie überschrit­ten.“Er fordert: „Der Verfassung­sschutz sollte solche Auktionen beobachten.“Der Geheimdien­st müsse wissen, wer solche Gegenständ­e kaufe und wo sie hingingen. „Es besteht die Gefahr, dass Nazi-devotional­ien zu Kultgegens­tänden werden.“Daraus könnten schnell „Wallfahrts­orte für Neonazis“werden.

Auch die European Jewish Associatio­n in Brüssel, ein Dachverban­d jüdischer Organisati­onen, rügte das Auktionsha­us. „Mit einigen Dingen sollte man einfach keinen Handel treiben“, hatte Rabbi Menachem Margolin von dem Verband in einem Brief an das Auktionsha­us geschriebe­n. Er hatte eine Absage der Versteiger­ung verlangt. „Dies ist kein juristisch­er Appell, aber ein moralische­r. Was Sie tun, ist nicht verboten, aber es ist falsch“, schrieb er. Geschäftsf­ührer Pacher beklagte sich über den Protest aus Brüssel. Seit der Berichters­tattung über den Brief werde er in zahlreiche­n Emails beschimpft.

Der Versteiger­ung tut dies keinen Abbruch. Eine Hermann-göringluxu­sausgabe von „Mein Kampf“im silbernen Einband kommt für 130.000 Euro unter den Hammer. Eva Brauns blau-grüner Mantel hat es da schwerer als Hitlers Zylinder. Er geht für 6000 Euro weg. Eine Glückwunsc­hkarte zum 65. Geburtstag von Adolf Hitler an den Ssbrigadef­ührer Ulrich Graf wechselt für 4200 Euro den Besitzer. Die Kasserolle aus dem Kantinense­rvice von Hermann Göring will dann übrigens keiner haben. „Geht zurück“, sagt der Leiter der Auktion. Dann ist das nächste Objekt an der Reihe.

Hitlers Zylinder mit den Initialen „AH“erzielt 50.000 Euro.

Auch das Cocktailkl­eid von Eva Braun stand zum Verkauf.

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FOTO: POPPERFOTO VIA GETTY IMAGES Der Versuch, sich bürgerlich zu geben: Adolf Hitler 1933 im Stresemann und mit Zylinder neben Reichspräs­ident Paul von Hindenburg 1933.
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FOTO: DPA
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FOTO: DPA

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