Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Bizarre Auktion um Hitlers Nachlass
In München kommen sein Zylinder, aber auch Kleidung von Eva Braun unter den Hammer. Scharfe Kritik des Antisemitismus-beauftragten
München/berlin. Das ist der Moment, auf den die meisten der Anwesenden gewartet haben: Der Zylinder Adolf Hitlers ist an der Reihe – aus seiner Privatwohnung an der Münchner Prinzregentenstraße, aus dem Nachlass Eva Brauns. Plötzlich mehren sich die Gebote, Schilder gehen in die Höhe. 12.500 Euro, das Startgebot, sind schnell überschritten. Bald sind es 30.000 Euro, bis ein englischsprachiger Herr Mitte 50 im grauen Anzug das Bieten mit 50.000 Euro beendet.
Ein Raunen geht durch den Raum. Mehrere Dutzend Menschen sitzen an diesem trüben Novembermorgen im Auktionshaus Hermann Historica in Grasbrunn (Landkreis München) in einem bestuhlten Quadrat. Rechtwinklig gegenüber befinden sich weitere Sitzreihen, die den Agenten der Telefonbieter vorbehalten sind. Daneben stehen Laptops, hinter den Bildschirmen arbeiten junge Mitarbeiter des Auktionshauses. Es handele sich hier um ein heikles Thema, ein „hot topic“, sagt der Geschäftsführer Bernhard Pacher gleich zu Beginn der Auktion – zahlreiche Nazi-devotionalien sollen in den nächsten rund acht Stunden versteigert werden.
„Hier werden die Verbrechen der Nazis verharmlost“
„Da sind keine Nazis dabei“, betont Pacher. Laut Website des Auktionshauses dürfen die ersteigerten Gegenstände nur zur Lehre, Forschung, Kunst und Wissenschaft verwendet werden. Dabei wird auf Paragraf 86, Absatz 3 des Strafgesetzbuches verwiesen. „Wir gehen davon aus, dass alle, die hier im Publikum sitzen, sich daran halten werden“, sagt der Veranstalter. Die Leute nicken.
Am Morgen sind die Einlasskontrollen allerdings lascher als bei einem innerdeutschen Flug. Ein DIN-A-4-BLATT muss unterschrieben werden, Aufklärung über den besagten Paragrafen, ein Ausweisdokument muss vorgelegt werden. Dabei wird im Vorfeld nichts geprüft. Kein polizeiliches Führungszeugnis, keine Meldebescheinigung ist nötig, um Einlass zu erhalten.
Dafür hagelt es aus der Politik scharfe Kritik an der Veranstaltung. Die Versteigerung von Nazi-devotionalien sei „widerwärtig“, sagte der Antisemitismus-beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, unserer Redaktion. „Hier werden die Verbrechen der Nazis verharmlost. Es wird so getan, als ob mit ganz normalen historischen Kunstgegenständen gehandelt würde.“Klein geht noch weiter. „Versteigerungen wie diese bereiten den Boden für Äußerungen, die den Holocaust relativieren. Hier wird wieder einmal eine rote Linie überschritten.“Er fordert: „Der Verfassungsschutz sollte solche Auktionen beobachten.“Der Geheimdienst müsse wissen, wer solche Gegenstände kaufe und wo sie hingingen. „Es besteht die Gefahr, dass Nazi-devotionalien zu Kultgegenständen werden.“Daraus könnten schnell „Wallfahrtsorte für Neonazis“werden.
Auch die European Jewish Association in Brüssel, ein Dachverband jüdischer Organisationen, rügte das Auktionshaus. „Mit einigen Dingen sollte man einfach keinen Handel treiben“, hatte Rabbi Menachem Margolin von dem Verband in einem Brief an das Auktionshaus geschrieben. Er hatte eine Absage der Versteigerung verlangt. „Dies ist kein juristischer Appell, aber ein moralischer. Was Sie tun, ist nicht verboten, aber es ist falsch“, schrieb er. Geschäftsführer Pacher beklagte sich über den Protest aus Brüssel. Seit der Berichterstattung über den Brief werde er in zahlreichen Emails beschimpft.
Der Versteigerung tut dies keinen Abbruch. Eine Hermann-göringluxusausgabe von „Mein Kampf“im silbernen Einband kommt für 130.000 Euro unter den Hammer. Eva Brauns blau-grüner Mantel hat es da schwerer als Hitlers Zylinder. Er geht für 6000 Euro weg. Eine Glückwunschkarte zum 65. Geburtstag von Adolf Hitler an den Ssbrigadeführer Ulrich Graf wechselt für 4200 Euro den Besitzer. Die Kasserolle aus dem Kantinenservice von Hermann Göring will dann übrigens keiner haben. „Geht zurück“, sagt der Leiter der Auktion. Dann ist das nächste Objekt an der Reihe.
Hitlers Zylinder mit den Initialen „AH“erzielt 50.000 Euro.
Auch das Cocktailkleid von Eva Braun stand zum Verkauf.