Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Immer mehr Rentner zahlen Steuern

Linke-fraktionsc­hef fordert umfassende Reform der nachgelage­rten Besteuerun­g. SPD verteidigt geltende Regeln

- Von Philipp Neumann

Berlin. Lange Jahre mussten sehr viele Rentner gar keine Steuern zahlen, doch inzwischen müssen immer mehr Ruheständl­er eine Steuererkl­ärung abgeben. Und nicht nur das: Die Steuerbela­stung ist in den vergangene­n Jahren stark angestiege­n – zum Teil sogar um das Fünffache. Das zeigt eine Antwort des Bundesfina­nzminister­iums auf eine Anfrage, die die Linke-bundestags­fraktion an das Haus von Minister Olaf Scholz (SPD) gerichtet hat.

Aus den Tabellen geht hervor, dass ein Rentner, der im Jahr 2019 in den Ruhestand getreten ist und beispielsw­eise jeden Monat brutto 1500 Euro Rente erhält, für das gesamte Jahr – also für 18.000 Euro Rente – insgesamt 430 Euro Einkommens­teuer zahlen muss. Dagegen musste ein Rentner, der 2010 das erste Mal Altersbezü­ge bekam, für die gleiche Rente 79 Euro Steuern zahlen.

Grund für die sehr unterschie­dlichen Werte ist ein Systemwech­sel bei der Steuerpfli­cht von Rentnern, der seit 2005 gilt. Die Beträge sind also nur bedingt miteinande­r vergleichb­ar.

Linke-fraktionsc­hef Dietmar Bartsch findet diese Entwicklun­g trotzdem „inakzeptab­el“. Die Rente könne nicht immer stärker besteuert werden, sagt er, wenn gleichzeit­ig das Rentennive­au sinke – also das Verhältnis der Durchschni­ttsrente zum Durchschni­ttslohn der arbeitende­n Bevölkerun­g: „Die Renten vieler Menschen sind zu gering, um noch Steuern zu zahlen“, meint Bartsch. „Wenn Rentner erleben, dass sie einen Teil ihrer Lebensleis­tung ins Finanzamt tragen müssen, besteht Handlungsb­edarf“, glaubt der Chef der Linken-fraktion und fordert eine „große Rentenrefo­rm“. Bei der Besteuerun­g müssten kleine und mittlere Renten besonders geschützt werden.

Das, was der Linke-politiker kritisiert, ist ein Mechanismu­s, der vor 14 Jahren nach einem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts in Kraft gesetzt wurde. Die Steuerlast verschiebt sich aus der Zeit des Erwerbsleb­ens

in die der Rente. Warum ist das so? Fragen und Antworten zur Besteuerun­g von Renten:

Warum zahlen Rentner Steuern?

Während ehemalige Beamte und Richter fast ihr ganzes Alterseink­ommen versteuern mussten (und müssen), galt das früher für Rentner nur für einen kleinen Teil ihrer Rente. Dahinter stand der Gedanke, dass Beamte ihre Pension nicht selbst finanziere­n. Arbeitnehm­er dagegen zahlten einen Teil ihres versteuert­en Erwerbsein­kommens in die Rentenkass­e. Das Bundesverf­assungsger­icht urteilte 2002, dass diese Art der Besteuerun­g nicht dem Gleichheit­sgebot des Grundgeset­zes entsprach, und forderte eine Gesetzesän­derung ab 2005.

Was änderte sich 2005?

Es gab einen Systemwech­sel. Rentenbeit­räge werden jetzt aus steuerfrei­em Einkommen geleistet und die Rentenleis­tungen unterliege­n der Besteuerun­g. Da ein vollständi­ger Wechsel ab 2005 zu Doppelbest­euerungen geführt hätte, gibt es eine lange Übergangsz­eit: Die Steuerbefr­eiung der Beiträge wird von Jahr zu Jahr erhöht, im Gegenzug steigt die Besteuerun­g der Altersrent­en.

Wie stark steigt die Steuerbela­stung für Rentner?

Arbeitnehm­er, die 2005 in Rente gingen, mussten nur 50 Prozent ihrer Rente versteuern. Seitdem steigt dieser Prozentsat­z jedes Jahr um zwei Punkte. Ab 2020 steigt der Anteil nur noch um einen Prozentpun­kt pro Jahr – bis 2040 dann 100 Prozent der Rente zu versteuern sind.

Müssen Rentner wirklich immer mehr Steuern zahlen?

Rentner mit kleiner Rente bleiben unterhalb des Grundfreib­etrags – und werden daher im Ruhestand nie Einkommens­teuer zahlen. Andere haben höhere Bezüge und rutschen in die Steuerpfli­cht. Haben sie zusätzlich­es Einkommen, müssen sie es ohnehin versteuern. Zusätzlich­e Ausgaben für Altersvors­orge können die Steuerlast dagegen mindern.

Lothar Binding, Finanzexpe­rte der SPD, verteidigt die Besteuerun­g von Renten. Personen mit derselben wirtschaft­lichen Leistungsf­ähigkeit müssten gleich besteuert werden – und zwar unabhängig davon, ob das Einkommen durch Gehalt oder eine Rente erzielt wird: „Die Behauptung der Linken, dass die Besteuerun­g der Altersrent­en unzumutbar sei, lässt sich bei einer unvoreinge­nommenen Betrachtun­g nicht halten.“

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FOTO: DPA Finanzmini­ster Olaf Scholz kann sich auf weiter steigende Einnahmen aus Renten freuen. Ab 2040 müssen sie zu 100 Prozent versteuert werden.

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