Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Immer mehr Rentner zahlen Steuern
Linke-fraktionschef fordert umfassende Reform der nachgelagerten Besteuerung. SPD verteidigt geltende Regeln
Berlin. Lange Jahre mussten sehr viele Rentner gar keine Steuern zahlen, doch inzwischen müssen immer mehr Ruheständler eine Steuererklärung abgeben. Und nicht nur das: Die Steuerbelastung ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen – zum Teil sogar um das Fünffache. Das zeigt eine Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage, die die Linke-bundestagsfraktion an das Haus von Minister Olaf Scholz (SPD) gerichtet hat.
Aus den Tabellen geht hervor, dass ein Rentner, der im Jahr 2019 in den Ruhestand getreten ist und beispielsweise jeden Monat brutto 1500 Euro Rente erhält, für das gesamte Jahr – also für 18.000 Euro Rente – insgesamt 430 Euro Einkommensteuer zahlen muss. Dagegen musste ein Rentner, der 2010 das erste Mal Altersbezüge bekam, für die gleiche Rente 79 Euro Steuern zahlen.
Grund für die sehr unterschiedlichen Werte ist ein Systemwechsel bei der Steuerpflicht von Rentnern, der seit 2005 gilt. Die Beträge sind also nur bedingt miteinander vergleichbar.
Linke-fraktionschef Dietmar Bartsch findet diese Entwicklung trotzdem „inakzeptabel“. Die Rente könne nicht immer stärker besteuert werden, sagt er, wenn gleichzeitig das Rentenniveau sinke – also das Verhältnis der Durchschnittsrente zum Durchschnittslohn der arbeitenden Bevölkerung: „Die Renten vieler Menschen sind zu gering, um noch Steuern zu zahlen“, meint Bartsch. „Wenn Rentner erleben, dass sie einen Teil ihrer Lebensleistung ins Finanzamt tragen müssen, besteht Handlungsbedarf“, glaubt der Chef der Linken-fraktion und fordert eine „große Rentenreform“. Bei der Besteuerung müssten kleine und mittlere Renten besonders geschützt werden.
Das, was der Linke-politiker kritisiert, ist ein Mechanismus, der vor 14 Jahren nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Kraft gesetzt wurde. Die Steuerlast verschiebt sich aus der Zeit des Erwerbslebens
in die der Rente. Warum ist das so? Fragen und Antworten zur Besteuerung von Renten:
Warum zahlen Rentner Steuern?
Während ehemalige Beamte und Richter fast ihr ganzes Alterseinkommen versteuern mussten (und müssen), galt das früher für Rentner nur für einen kleinen Teil ihrer Rente. Dahinter stand der Gedanke, dass Beamte ihre Pension nicht selbst finanzieren. Arbeitnehmer dagegen zahlten einen Teil ihres versteuerten Erwerbseinkommens in die Rentenkasse. Das Bundesverfassungsgericht urteilte 2002, dass diese Art der Besteuerung nicht dem Gleichheitsgebot des Grundgesetzes entsprach, und forderte eine Gesetzesänderung ab 2005.
Was änderte sich 2005?
Es gab einen Systemwechsel. Rentenbeiträge werden jetzt aus steuerfreiem Einkommen geleistet und die Rentenleistungen unterliegen der Besteuerung. Da ein vollständiger Wechsel ab 2005 zu Doppelbesteuerungen geführt hätte, gibt es eine lange Übergangszeit: Die Steuerbefreiung der Beiträge wird von Jahr zu Jahr erhöht, im Gegenzug steigt die Besteuerung der Altersrenten.
Wie stark steigt die Steuerbelastung für Rentner?
Arbeitnehmer, die 2005 in Rente gingen, mussten nur 50 Prozent ihrer Rente versteuern. Seitdem steigt dieser Prozentsatz jedes Jahr um zwei Punkte. Ab 2020 steigt der Anteil nur noch um einen Prozentpunkt pro Jahr – bis 2040 dann 100 Prozent der Rente zu versteuern sind.
Müssen Rentner wirklich immer mehr Steuern zahlen?
Rentner mit kleiner Rente bleiben unterhalb des Grundfreibetrags – und werden daher im Ruhestand nie Einkommensteuer zahlen. Andere haben höhere Bezüge und rutschen in die Steuerpflicht. Haben sie zusätzliches Einkommen, müssen sie es ohnehin versteuern. Zusätzliche Ausgaben für Altersvorsorge können die Steuerlast dagegen mindern.
Lothar Binding, Finanzexperte der SPD, verteidigt die Besteuerung von Renten. Personen mit derselben wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit müssten gleich besteuert werden – und zwar unabhängig davon, ob das Einkommen durch Gehalt oder eine Rente erzielt wird: „Die Behauptung der Linken, dass die Besteuerung der Altersrenten unzumutbar sei, lässt sich bei einer unvoreingenommenen Betrachtung nicht halten.“