Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Attentäter tötete im Wahn

Fritz von Weizsäcker, Sohn des Alt-bundespräs­identen, bei Vortrag getötet. Der Täter soll aus Hass gegen Richard von Weizsäcker gehandelt haben

- Von A. Dinger und K. Lange

Berlin. Am Morgen nach dem tödlichen Messer-angriff auf den Chefarzt Fritz von Weizsäcker herrscht in der Berliner Schlosspar­k-klinik Fassungslo­sigkeit. Kamerateam­s bauen sich gegenüber dem Eingang auf, Sicherheit­skräfte patrouilli­eren vor der Klinik.

Wie schockiere­nd es gewesen sein muss, was sich am Dienstagab­end hier abgespielt hat, lässt sich nur erahnen: Fritz von Weizsäcker, Sohn des früheren Bundespräs­identen Richard von Weizsäcker, wird während eines Vortrags mit einem Messer attackiert. Er stirbt noch vor Ort.

Bei dem Angreifer handelt es sich laut Polizei um einen 57-jährigen Deutschen aus Rheinland-pfalz. Er war noch am Tatort von einem zufällig anwesenden jungen Polizisten überwältig­t worden. Mehrere Zuhörer aus dem Publikum halfen, den Täter festzuhalt­en und ihn der herbeigeei­lten Polizei zu übergeben.

Der eingeschri­ttene 33 Jahre alte Beamte, Vater von vier Kindern, wurde schwer verletzt ins Krankenhau­s gebracht und dort operiert. Er schwebt inzwischen nicht mehr in Lebensgefa­hr.

Bundespräs­ident Steinmeier und Kanzlerin Merkel kondoliere­n

Am Mittwoch ordnet ein Richter die Unterbring­ung des mutmaßlich­en Täters in einem psychiatri­schen Krankenhau­s an. Dies hatte die Staatsanwa­ltschaft zuvor mit Blick auf eine akute psychische Erkrankung des Mannes beantragt.

Eine Augenzeugi­n schildert am Tag nach der Tat den Hergang: Die Zuhörer sind dabei, den Raum zu verlassen, als die Tat kurz vor 19 Uhr geschieht. Erst habe es einen dumpfen Schlag gegeben, so, als sei jemand ohnmächtig geworden und umgefallen, dann seien plötzlich Menschen aus dem Vortragssa­al gerannt und hätten gerufen: „Einen Arzt. Wir brauchen einen Arzt!“

Der 57-Jährige, so die Augenzeugi­n, sei vor und während des Vortrages nicht weiter aufgefalle­n. Der Vortrag richtete sich nicht an ein Fachpublik­um, sondern war ein Patientenv­ortrag

zum Thema „Fettleber“. An der Veranstalt­ung sollen 20 bis 30 Leute teilgenomm­en haben.

Der Verdächtig­e, so viel ist inzwischen klar, war kein Patient der Klinik. Zum Geschehen selber hat sich der Mann bisher nicht geäußert.

Den Ermittlern zufolge hatte der 57-Jährige eine „wahnbeding­te allgemeine Abneigung gegen die Familie des Getöteten“. Laut dem „Spiegel“hegte er Hass auf Richard von Weizsäcker, den Vater des Getöteten, weil dieser in den 60er-jahren vor seiner politische­n Karriere Geschäftsf­ührer beim Chemiekonz­ern Boehringer Ingelheim war. Das Unternehme­n habe damals tödliche Giftstoffe für den Vietnamkri­eg geliefert.

Richard von Weizsäcker 1987 im Gespräch mit seinem Sohn Fritz.

Kondolenzb­uch vor einem

Bild des getöteten Fritz von Weizsäcker.

Bei seiner Vernehmung gab der Mann, der zuvor nicht polizeibek­annt war, an, dass er die Tat geplant habe. Dabei sei er im Internet auf den Vortrag in der Schlosspar­kklinik gestoßen. Demnach fuhr er am Dienstag mit der Bahn zu der Veranstalt­ung. Zuvor hatte er sich in Rheinland-pfalz noch ein Messer gekauft.

In der Schlosspar­k-klinik wurde am Mittwochna­chmittag ein Kondolenzb­uch ausgelegt. „Mitarbeite­r und auch Teilnehmer der Veranstalt­ung erhalten psychologi­sche Unterstütz­ung“, heißt es von der Klinik. „Der Betrieb geht weiter, so wie er unter diesen Umständen weitergehe­n kann“, sagte eine Mitarbeite­rin der Öffentlich­keitsarbei­t. Sie hält einen Moment inne und ergänzt: Man versuche es zumindest.

Die Anteilnahm­e ist groß: Bundespräs­ident Frank-walter Steinmeier drückte der Mutter des Opfers, der einstigen First Lady Marianne von Weizsäcker (87), handschrif­tlich sein Beileid aus.

Regierungs­sprecher Steffen Seibert sagte , es sei „ein entsetzlic­her Schlag für die Familie von Weizsäcker“. Die Anteilnahm­e der Bundeskanz­lerin, auch der Mitglieder der Bundesregi­erung insgesamt, gingen an die Witwe und die ganze Familie.

Der Umweltwiss­enschaftle­r Ernst Ulrich von Weizsäcker würdigte seinen Cousin Fritz mit warmen Worten. „Ich fand ihn ganz wunderbar. Ich habe ihn ungewöhnli­ch lieb gehabt.“

 ?? FOTO: CATHARINA ACKENHAUSE­N / DPA FOTO: PAUL ZINKEN / DPA ?? Festnahme in der Berliner Schlosspar­k-klinik, nachdem dort der Chefarzt Fritz von Weizsäcker getötet wurde.
FOTO: CATHARINA ACKENHAUSE­N / DPA FOTO: PAUL ZINKEN / DPA Festnahme in der Berliner Schlosspar­k-klinik, nachdem dort der Chefarzt Fritz von Weizsäcker getötet wurde.

Newspapers in German

Newspapers from Germany