Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Machtprobe in Leipzig

Die Widersache­r von Parteichef­in Annegret Kramp-karrenbaue­r sind in Lauerstell­ung

- Von Kerstin Münsterman­n

Während die CDU in Leipzig ihren Parteitag vorbereite­t, kommt ihr in der Parteizent­rale in Berlin am Donnerstag ihr großes rotes C abhanden. Wie das? Greenpeace-aktivisten hatten das C aus einem Logo am Konrad-adenauerha­us entfernt. Das verbleiben­de „DU“ergänzten die Aktivisten mit einem Banner, sodass an der Glasfassad­e stand: „Du sollst das Klima schützen“. Das C gehe jetzt auf Reise, sagte eine Greenpeace-sprecherin. In der Leipziger Messe jedenfalls stand ein C auf der Bühne an seinem Platz. Dort wird beim Parteitag am Freitag und Samstag die Machtkonst­ellation in der Christlich Demokratis­chen Union neu austariert. Wer will was in der CDU – ein Leitfaden für den Parteitag.

Annegret Kramp-karrenbaue­r

Cdu-chefin Annegret Kramp-karrenbaue­r nahm den Diebstahl mit Humor. „So ein C für Christlich­keit und Nachhaltig­keit kann auch Greenpeace nix schaden, leihen wir also gerne für kurze Zeit einmal aus“, sagt sie lachend bei der traditione­llen Hallenbesi­chtigung. Ob ihr nach den beiden Tagen auch noch nach Lachen zumute ist? Für die Parteichef­in steht in Leipzig viel auf dem Spiel. Nachdem sie in Hamburg vor einem Jahr knapp den Vorsitz erobert hatte, lief nur wenig rund für die Saarländer­in: Miese Ergebnisse bei der Europa- und den Landtagswa­hlen in Ostdeutsch­land, große Pannen in der Kommunikat­ion, innerparte­iliche Kritik. Sie trat die Flucht nach vorne an, wurde Verteidigu­ngsministe­rin und sucht ihr Heil in gewagten Vorstößen – etwa für eine internatio­nale Schutztrup­pe in Nordsyrien.

AKK weiß, dass vieles schiefgela­ufen ist, gibt das auch öffentlich zu. Kurz vor dem Parteitag tauschte sie ihre Sprecherin aus. Sie beobachtet die Taktik ihrer Gegner, die nach der Thüringen-wahl ihre Autorität infrage stellten, sehr genau. Und weiß, dass Angriffe sie mürbe machen. So mürbe, dass sie vielleicht von sich aus auf weitere Ambitionen Richtung Kanzlerkan­didatur verzichtet. Doch die Frau mit den „stählernen Nerven“, wie ein enger Begleiter es bezeichnet, hat sich vorgenomme­n, am Freitag in ihrer Rede das ganz große Bild zu liefern: Ihre Vision von Deutschlan­d 2030 und die Rolle der CDU. Sie wird, das hat sie intern klargemach­t, das Feld nicht räumen. Zumindest niemals kampflos.

Die Konkurrenz durch Friedrich Merz, der ihr 2018 knapp unterlegen war und sich mit ihr aller Voraussich­t nach ein Rededuell liefern wird? Sie habe mit ihm telefonier­t, sagt sie am Donnerstag. „Und freu mich auf seinen Beitrag.“

Friedrich Merz

„Friedrich hat wieder der politische Bazillus befallen. Er kommt davon nicht mehr los“, sagte einer seiner Weggefährt­en nach der Niederlage um den Cdu-vorsitz. Tatsächlic­h ist Merz sehr präsent. Formal ist er nur einfacher Delegierte­r. Zwar ist er Vizepräsid­ent des Cdu-wirtschaft­srats, doch der Posten ist nicht wichtig in der Parteihier­archie. Er lehnte in Hamburg eine Einbindung in die Partei ausdrückli­ch ab. Doch nun will er mit aller Macht ins Zentrum ebendieser – ob als Wirtschaft­sminister oder (noch besser) als Kanzist lerkandida­t. Er hat die Niederlage, die ihm Angela Merkel 2002 mit dem Kampf um den Fraktionsv­orsitz zufügte, immer noch nicht verwunden. Nur so ist es zu erklären, dass er nicht still abgewartet hat, sondern nach der verkorkste­n Thüringen-wahl die Regierung und insbesonde­re ihre Chefin als „grottensch­lecht“brandmarkt­e, ihr „Untätigkei­t“und „mangelnde Führung“unterstell­te. Damit trat er vielen in der CDU auf den Schlips. Dass er damit der gesamten Partei geschadet habe, sagten ihm auch enge Vertraute aus Baden-württember­g. Nun sicherte der Sauerlände­r in einem Interview mit unserer Redaktion Kramp-karrenbaue­r seine Unterstütz­ung zu. Er werde sie auf dem bevorstehe­nden Parteitag „nach Kräften“unterstütz­en. Das werde ich auch mit meinem Wortbeitra­g in Leipzig tun“, sagte er weiter. Geplant ist, dass Merz in der Aussprache nach dem Bericht der Vorsitzend­en das Wort ergreift.

Aus seinen Ambitionen macht Merz keinen Hehl. Er fühle sich durch gute Umfragewer­te bezüglich einer Kanzlerkan­didatur „ermutigt, weiter mitzuarbei­ten und meinen positiven Beitrag zu leisten“. Um das Ziel zu erreichen, macht er sich dafür stark, die Mitglieder in die Entscheidu­ng mit einzubinde­n. Er

beliebt an der Basis, möglicherw­eise würde es in seine Richtung laufen, so der Hintergeda­nke. Doch in CSU-CHEF Markus Söder hat Merz einen mächtigen Politiker, der ihm einen Strich durch die Rechnung machen könnte. Söder ist Kramp-karrenbaue­r gegenüber sehr loyal. Und ohne die CSU wird es keinen Unions-kanzlerkan­didaten geben.

Angela Merkel

Die Kanzlerin wird in Leipzig nur ein Grußwort sprechen – und sich dann zurücklehn­en. Sie hatte vor einem Jahr in Hamburg den Cdu-vorsitz nach 18 Jahren abgegeben. Und hält sich seitdem in der Partei zurück. Ihr Ziel ist es, die Wahlperiod­e bis 2021 als Kanzlerin zu Ende zu bringen. Dafür ringt sie mit ihrer Partei und dem Koalitions­partner SPD um Klimapaket­e und die Grundrente, ist bereit, Kompromiss­e zu schließen. Deutschlan­d wird im zweiten Halbjahr 2020 die Euratspräs­identschaf­t übernehmen, im Herbst 2020 dann 30 Jahre deutsche Einheit feiern. Es wäre der krönende Abschluss ihrer langjährig­en Kanzlersch­aft. Sie würde gerne Kramp-karrenbaue­r als ihre Nachfolger­in sehen, hätte aber auch mit

Nrw-ministerpr­äsident Armin Laschet kein Problem. Nur von Friedrich Merz hält sie: nichts.

Jens Spahn

Der 39-jährige Bundesgesu­ndheitsmin­ister hat vor allem eins: Zeit. Sie läuft für ihn. Er hat es in dieser Legislatur­periode geschafft, sich als Minister einen guten Namen zu erarbeiten. In der Partei hat ihm seine Kandidatur für den Parteivors­itz im vergangene­n Jahr großen Respekt eingebrach­t. Dass Merz überrasche­nd in diesem Rennen auftauchte, warf ihn zurück. Spahn aber kämpfte, hielt eine gute Rede in Hamburg. Seitdem ist er gestärkt, gesegnet mit gutem Selbstbewu­sstsein ist er ohnehin. Und auch Merkel, die er lange bekämpfte und die ihn deshalb stets aus dem Kabinett fernhielt, ist nun zufrieden mit ihrem jungen Minister. Spahn wartet ab.

Armin Laschet

Der liberale Cdupolitik­er ist durch seinen erfolgreic­hen Wahlkampf in NRW und in der Position des Ministerpr­äsidenten des mächtigen Nordrhein-westfalen bestens aufgestell­t für Machtkämpf­e. Und er ist ehrgeizig, er will mehr und macht immer häufiger öffentlich deutlich, dass er als Chef des bevölkerun­gsreichste­n Bundesland­es auch im Bund eine wichtige Größe ist. So hält er sich auch mit Kritik an der Vorsitzend­en nicht immer zurück. Laschet sammelt seine Truppen. Er ist der gefährlich­ste Gegner von AKK.

Michael Kretschmer

Der junge sächsiche Ministerpr­äsient hat mit seinem insatz im sächsipf viele Cduler begeistert. Er ist Gastgeber des Parteitags und seine Stimme gewinnt in der Partei zunehmend an Gewicht. Und deswegen verhallt sein Appell nach einem Kurswechse­l auch nicht ungehört: „Wir haben jetzt noch zwei Jahre Zeit, um die Probleme anzupacken und das Vertrauen wieder neu zu begründen“sagte er vor Beginn der Tagung. Er höre seit Jahren dieselben Klagen über zu hohe Energiekos­ten, die Steuerbela­stung und die Bürokratie. „Entweder wir ändern unsere Politik, oder die Leute ändern die Zusammense­tzung des Bundestage­s.“Rumms. Er ist ein Vertreter eines konservati­ven und migrations­kritischen Kurses innerhalb der CDU. Kretschmer steht Merz inhaltlich nahe, denkt aber auch, dass dieser überzogen hat mit der Generalkri­tik. Über Kramp-karrenbaue­r ärgerte er sich maßlos, als diese kurz vor dem Wahltag in Sachsen einen Parteiauss­chluss des Cdu-mitglieds und ehemaligen Verfassung­sschutzprä­sidenten Hansgeorg Maaßen ins Spiel gebracht hatte

Tilman Kuban

Der Chef der Jungen Union (JU) hat ich hinter Merz ge, er bei der Europawahl knapp den Einzug ins Europaparl­ament verpasst hatte, gilt als einer der schärfsten Kritiker der Vorsitzend­en. Ihm passt der Kurs nicht, er hält auch von der Ergrünung der CDU wenig. Er war es, der im Cdu-vorstand nach der Thüringenw­ahl die Führungsfr­age stellte und AKK so herausford­erte. Kuban räumte Merz bei einer großen Ju-veranstalt­ung Raum für eine Rede ein, obwohl er kein Amt bekleidet. Merz wurde dort begeistert gefeiert. Und die JU bringt auf dem Parteitag den Antrag einer Urwahl des Kanzlerkan­didaten ein. Das Ziel: Merz in Stellung zu bringen. Wenn es gelingt, sollte ihm ein Posten sicher. In der AKK-CDU wird er es jedoch nicht mehr weit bringen.

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FOTOS: DPA (7); IMAGO Rundgang in der Veranstalt­ungshalle in Leipzig: Annegret Kramp-karrenbaue­r (CDU) und Paul Ziemiak vor dem Parteitag.
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FOTO: FABRIZIO BENSCH / REUTERS Und weg ist das C: Greenpeace-aktivisten protestier­ten vor der Berliner Parteizent­rale gegen die Klimapolit­ik der CDU.
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