Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Machtprobe in Leipzig
Die Widersacher von Parteichefin Annegret Kramp-karrenbauer sind in Lauerstellung
Während die CDU in Leipzig ihren Parteitag vorbereitet, kommt ihr in der Parteizentrale in Berlin am Donnerstag ihr großes rotes C abhanden. Wie das? Greenpeace-aktivisten hatten das C aus einem Logo am Konrad-adenauerhaus entfernt. Das verbleibende „DU“ergänzten die Aktivisten mit einem Banner, sodass an der Glasfassade stand: „Du sollst das Klima schützen“. Das C gehe jetzt auf Reise, sagte eine Greenpeace-sprecherin. In der Leipziger Messe jedenfalls stand ein C auf der Bühne an seinem Platz. Dort wird beim Parteitag am Freitag und Samstag die Machtkonstellation in der Christlich Demokratischen Union neu austariert. Wer will was in der CDU – ein Leitfaden für den Parteitag.
Annegret Kramp-karrenbauer
Cdu-chefin Annegret Kramp-karrenbauer nahm den Diebstahl mit Humor. „So ein C für Christlichkeit und Nachhaltigkeit kann auch Greenpeace nix schaden, leihen wir also gerne für kurze Zeit einmal aus“, sagt sie lachend bei der traditionellen Hallenbesichtigung. Ob ihr nach den beiden Tagen auch noch nach Lachen zumute ist? Für die Parteichefin steht in Leipzig viel auf dem Spiel. Nachdem sie in Hamburg vor einem Jahr knapp den Vorsitz erobert hatte, lief nur wenig rund für die Saarländerin: Miese Ergebnisse bei der Europa- und den Landtagswahlen in Ostdeutschland, große Pannen in der Kommunikation, innerparteiliche Kritik. Sie trat die Flucht nach vorne an, wurde Verteidigungsministerin und sucht ihr Heil in gewagten Vorstößen – etwa für eine internationale Schutztruppe in Nordsyrien.
AKK weiß, dass vieles schiefgelaufen ist, gibt das auch öffentlich zu. Kurz vor dem Parteitag tauschte sie ihre Sprecherin aus. Sie beobachtet die Taktik ihrer Gegner, die nach der Thüringen-wahl ihre Autorität infrage stellten, sehr genau. Und weiß, dass Angriffe sie mürbe machen. So mürbe, dass sie vielleicht von sich aus auf weitere Ambitionen Richtung Kanzlerkandidatur verzichtet. Doch die Frau mit den „stählernen Nerven“, wie ein enger Begleiter es bezeichnet, hat sich vorgenommen, am Freitag in ihrer Rede das ganz große Bild zu liefern: Ihre Vision von Deutschland 2030 und die Rolle der CDU. Sie wird, das hat sie intern klargemacht, das Feld nicht räumen. Zumindest niemals kampflos.
Die Konkurrenz durch Friedrich Merz, der ihr 2018 knapp unterlegen war und sich mit ihr aller Voraussicht nach ein Rededuell liefern wird? Sie habe mit ihm telefoniert, sagt sie am Donnerstag. „Und freu mich auf seinen Beitrag.“
Friedrich Merz
„Friedrich hat wieder der politische Bazillus befallen. Er kommt davon nicht mehr los“, sagte einer seiner Weggefährten nach der Niederlage um den Cdu-vorsitz. Tatsächlich ist Merz sehr präsent. Formal ist er nur einfacher Delegierter. Zwar ist er Vizepräsident des Cdu-wirtschaftsrats, doch der Posten ist nicht wichtig in der Parteihierarchie. Er lehnte in Hamburg eine Einbindung in die Partei ausdrücklich ab. Doch nun will er mit aller Macht ins Zentrum ebendieser – ob als Wirtschaftsminister oder (noch besser) als Kanzist lerkandidat. Er hat die Niederlage, die ihm Angela Merkel 2002 mit dem Kampf um den Fraktionsvorsitz zufügte, immer noch nicht verwunden. Nur so ist es zu erklären, dass er nicht still abgewartet hat, sondern nach der verkorksten Thüringen-wahl die Regierung und insbesondere ihre Chefin als „grottenschlecht“brandmarkte, ihr „Untätigkeit“und „mangelnde Führung“unterstellte. Damit trat er vielen in der CDU auf den Schlips. Dass er damit der gesamten Partei geschadet habe, sagten ihm auch enge Vertraute aus Baden-württemberg. Nun sicherte der Sauerländer in einem Interview mit unserer Redaktion Kramp-karrenbauer seine Unterstützung zu. Er werde sie auf dem bevorstehenden Parteitag „nach Kräften“unterstützen. Das werde ich auch mit meinem Wortbeitrag in Leipzig tun“, sagte er weiter. Geplant ist, dass Merz in der Aussprache nach dem Bericht der Vorsitzenden das Wort ergreift.
Aus seinen Ambitionen macht Merz keinen Hehl. Er fühle sich durch gute Umfragewerte bezüglich einer Kanzlerkandidatur „ermutigt, weiter mitzuarbeiten und meinen positiven Beitrag zu leisten“. Um das Ziel zu erreichen, macht er sich dafür stark, die Mitglieder in die Entscheidung mit einzubinden. Er
beliebt an der Basis, möglicherweise würde es in seine Richtung laufen, so der Hintergedanke. Doch in CSU-CHEF Markus Söder hat Merz einen mächtigen Politiker, der ihm einen Strich durch die Rechnung machen könnte. Söder ist Kramp-karrenbauer gegenüber sehr loyal. Und ohne die CSU wird es keinen Unions-kanzlerkandidaten geben.
Angela Merkel
Die Kanzlerin wird in Leipzig nur ein Grußwort sprechen – und sich dann zurücklehnen. Sie hatte vor einem Jahr in Hamburg den Cdu-vorsitz nach 18 Jahren abgegeben. Und hält sich seitdem in der Partei zurück. Ihr Ziel ist es, die Wahlperiode bis 2021 als Kanzlerin zu Ende zu bringen. Dafür ringt sie mit ihrer Partei und dem Koalitionspartner SPD um Klimapakete und die Grundrente, ist bereit, Kompromisse zu schließen. Deutschland wird im zweiten Halbjahr 2020 die Euratspräsidentschaft übernehmen, im Herbst 2020 dann 30 Jahre deutsche Einheit feiern. Es wäre der krönende Abschluss ihrer langjährigen Kanzlerschaft. Sie würde gerne Kramp-karrenbauer als ihre Nachfolgerin sehen, hätte aber auch mit
Nrw-ministerpräsident Armin Laschet kein Problem. Nur von Friedrich Merz hält sie: nichts.
Jens Spahn
Der 39-jährige Bundesgesundheitsminister hat vor allem eins: Zeit. Sie läuft für ihn. Er hat es in dieser Legislaturperiode geschafft, sich als Minister einen guten Namen zu erarbeiten. In der Partei hat ihm seine Kandidatur für den Parteivorsitz im vergangenen Jahr großen Respekt eingebracht. Dass Merz überraschend in diesem Rennen auftauchte, warf ihn zurück. Spahn aber kämpfte, hielt eine gute Rede in Hamburg. Seitdem ist er gestärkt, gesegnet mit gutem Selbstbewusstsein ist er ohnehin. Und auch Merkel, die er lange bekämpfte und die ihn deshalb stets aus dem Kabinett fernhielt, ist nun zufrieden mit ihrem jungen Minister. Spahn wartet ab.
Armin Laschet
Der liberale Cdupolitiker ist durch seinen erfolgreichen Wahlkampf in NRW und in der Position des Ministerpräsidenten des mächtigen Nordrhein-westfalen bestens aufgestellt für Machtkämpfe. Und er ist ehrgeizig, er will mehr und macht immer häufiger öffentlich deutlich, dass er als Chef des bevölkerungsreichsten Bundeslandes auch im Bund eine wichtige Größe ist. So hält er sich auch mit Kritik an der Vorsitzenden nicht immer zurück. Laschet sammelt seine Truppen. Er ist der gefährlichste Gegner von AKK.
Michael Kretschmer
Der junge sächsiche Ministerpräsient hat mit seinem insatz im sächsipf viele Cduler begeistert. Er ist Gastgeber des Parteitags und seine Stimme gewinnt in der Partei zunehmend an Gewicht. Und deswegen verhallt sein Appell nach einem Kurswechsel auch nicht ungehört: „Wir haben jetzt noch zwei Jahre Zeit, um die Probleme anzupacken und das Vertrauen wieder neu zu begründen“sagte er vor Beginn der Tagung. Er höre seit Jahren dieselben Klagen über zu hohe Energiekosten, die Steuerbelastung und die Bürokratie. „Entweder wir ändern unsere Politik, oder die Leute ändern die Zusammensetzung des Bundestages.“Rumms. Er ist ein Vertreter eines konservativen und migrationskritischen Kurses innerhalb der CDU. Kretschmer steht Merz inhaltlich nahe, denkt aber auch, dass dieser überzogen hat mit der Generalkritik. Über Kramp-karrenbauer ärgerte er sich maßlos, als diese kurz vor dem Wahltag in Sachsen einen Parteiausschluss des Cdu-mitglieds und ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hansgeorg Maaßen ins Spiel gebracht hatte
Tilman Kuban
Der Chef der Jungen Union (JU) hat ich hinter Merz ge, er bei der Europawahl knapp den Einzug ins Europaparlament verpasst hatte, gilt als einer der schärfsten Kritiker der Vorsitzenden. Ihm passt der Kurs nicht, er hält auch von der Ergrünung der CDU wenig. Er war es, der im Cdu-vorstand nach der Thüringenwahl die Führungsfrage stellte und AKK so herausforderte. Kuban räumte Merz bei einer großen Ju-veranstaltung Raum für eine Rede ein, obwohl er kein Amt bekleidet. Merz wurde dort begeistert gefeiert. Und die JU bringt auf dem Parteitag den Antrag einer Urwahl des Kanzlerkandidaten ein. Das Ziel: Merz in Stellung zu bringen. Wenn es gelingt, sollte ihm ein Posten sicher. In der AKK-CDU wird er es jedoch nicht mehr weit bringen.