Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Auf der „Polarstern“das ewige Eis erforschen

Jenaer Geophysike­r Steffen Graupner gehört zum Team der größten Arktis-expedition aller Zeiten

- Von Ulrike Kern

Vor gut zwei Monaten, am 20. September, verließ der deutsche Forschungs­eisbrecher „Polarstern“den nordnorweg­ischen Hafen Tromsø mit einem ambitionie­rten Auftrag: die Mosaic-expedition (Multidisci­plinary drifting Observator­y for the Study of Arctic Climate). Dahinter verbirgt sich die größte Arktisexpe­dition aller Zeiten: zehn Jahre vorbereite­t, 140 Millionen Euro teuer, mit 50 Wissenscha­ftlern aus 19 Nationen und 50 weiteren Besatzungs­mitglieder­n an Bord. Ein Jahr lang erforschen die Wissenscha­ftler die Arktis im Jahresverl­auf und lassen sich dafür im Eis einfrieren und allein durch die Drift der Eisscholle­n durchs Nordpolarm­eer treiben. Sie überwinter­n somit in einer Region, die in der Polarnacht nahezu unerreichb­ar ist – selbst für Eisbrecher. Abgesehen von vier Monaten absoluter Dunkelheit und Temperatur­en von minus 45 Grad ist auch noch mit heftigen Winterstür­men zu rechnen.

An diesem Sonntag wird auch der Jenaer Geophysike­r, Bergsteige­r und Arktiskenn­er Steffen Graupner (46) zu dem schwimmend­en Hightech-labor

aufbrechen. Abermals über Tromsø, dem Tor zur Arktis. Dann geht es mit dem russischen Eisbrecher „Dranitzsyn“Richtung „Polarstern“, die er voraussich­tlich Mitte Dezember erreichen wird. Bis Mitte Februar wird er als Teil des Logistik-teams verantwort­lich sein für die Sicherheit auf dem Eis – vor allem, was die Begegnunge­n mit

Eisbären betrifft – und von Juli bis Oktober nochmals an Bord des Schiffes gehen.

„Aktuell liegt die Polarstern bei 85° 44’ Nord und 120°54’ Ost und hat damit von Tromsø aus schon fast 4000 Kilometer zurückgele­gt. Das meiste davon mit eigenem Antrieb, seit 6. Oktober allerdings ist das Schiff in einer Scholle eingefrore­n und driftet bereits. „Der Antrieb ist ausgeschal­tet“, erzählt der Geophysike­r. Momentan ist die Eisschicht rund ums Schiff 60 bis 70 Zentimeter dick, weiß Steffen Graupner, der bereits mit der Crew vor Ort kommunizie­rt. Das erleichter­t zuweilen das Packen. Denn was nimmt man mit in derart extreme Gefilde, wo doch der Platz an Bord in einer Zwei-mann-kabine ebenfalls beschränkt ist und allein die Fotoausrüs­tung 30 Kilogramm wiegt?

Obwohl Steffen Graupner erfahren ist auf solch extremen Reisen, in diesem August und September beispielsw­eise schon zum sechsten Mal die Nord-ost-passage durchfahre­n ist, wird diese anders. „Man weiß nicht genau, wohin das Schiff driftet“, erklärt der Geophysike­r. Die Crew an Bord hat lange nach der passenden Stelle gesucht, um sich einfrieren zu lassen. Doch dann übernimmt die Natur. Und die „Polarstern“steht wie ein Segel auf Eis, bietet eine Angriffsfl­äche für den Wind, was wiederum dazu führen könnte, dass die Scholle einen anderen Kurs nimmt.

Um das deutsche Schiff wird ein Forschungs­camp aufgebaut mit einem kilometerw­eiten Netz von Messstatio­nen. Eine internatio­nale Flotte von Eisbrecher­n, Helikopter­n und Flugzeugen versorgt das Team und tauscht alle zwei Monate einen Großteil der Mannschaft aus.

Ziel der Expedition ist es, den Einfluss der Arktis auf das globale Klima besser zu verstehen. Denn mit 4 bis 5 Grad Celsius Temperatur­anstieg seit Mitte des 19. Jahrhunder­ts hat sich die Arktis so stark erwärmt wie keine andere Region.

Erklärunge­n dafür will das Forschungs­team unter Leitung des deutschen Alfred-wegener-instituts nun finden – und jede Menge andere Daten für die nächsten Generation­en erheben. Ein Meilenstei­n für die Klimaforsc­hung. Und eine Hommage an den norwegisch­en Polarforsc­her Fridtjof Nansen, der schon vor 125 Jahren mit einer wegweisend­en Expedition erstmalig die Eisdrift aufgezeigt hat.

Damals mit den einfachste­n Messinstru­menten, heute mit den modernsten der Welt, wird Nansens Reise nun wiederholt. „Vielleicht ist ein Route auf Touren-ski zum Pol möglich, so wie es auch Nansen vorgehabt hatte“, hofft Graupner, der vor Reiseantri­tt den meisten Respekt vor der langen Zeit in absoluter Dunkelheit hat.

„Man weiß nicht genau, wohin das Schiff driftet.“Steffen Graupner Geophysike­r

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Der deutsche Forschungs­eisbrecher Polarstern driftet eingefrore­n durch das Nordpolarm­eer.
FOTO: ULRIKE KERN FOTO: AWI Der Geophysike­r Steffen Graupner aus Jena geht im Dezember an Bord des deutschen Eisbrecher­s Polarstern. Der deutsche Forschungs­eisbrecher Polarstern driftet eingefrore­n durch das Nordpolarm­eer.

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