Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Etappensieg für die Chefin
Annegret Kramp-karrenbauer stellt die Machtfrage – und hält Friedrich Merz vorerst auf Abstand
Die Überraschung kommt am Schluss, fast beiläufig. Die Delegierten auf dem Cdu-parteitag sind nach einer fast eineinhalbstündigen Parteitagsrede schon etwas unruhig. Die Ausführungen der Cdu-chefin Annegret Kramp-karrenbauer sind routiniert, manchmal etwas ausführlich, an einigen Stellen kämpferisch.
AKK kommt zum Ende. Und das hat es in sich: „Wenn ihr der Meinung seid, dass dieses Deutschland, so wie ich es möchte, nicht das Deutschland ist, das ihr euch vorstellt, wenn ihr der Meinung seid, dass dieser Weg, den ich gemeinsam mit euch gehen möchte, nicht der Weg ist, den ihr für den richtigen haltet – dann lasst es uns heute aussprechen. Und dann lasst es uns heute auch beenden. Hier und jetzt und heute.“
Die Vorsitzende stellt nach nur einem Jahr bereits die Machtfrage. Der Parteitag hält spürbar den Atem an. Und dann folgt ein sehr langer Applaus für die Vorsitzende, viele Delegierte erheben sich. Die Vorsitzende steht in Leipzig gar nicht zur Wahl. Aber ihre Offensive zielt natürlich auf einen Mann, der auf der Rednerliste auf Platz sechs gemeldet ist: Friedrich Merz. Ob der angesichts des Stimmungsbildes
mit Dauerklatschen für AKK den Fehdehandschuh aufnimmt?
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, der bei der Landtagswahl die AFD und nun den Parteitag in Schach hält, gibt eine Antwort: „Der Applaus zeigt, heute wird nicht Schluss gemacht, liebe Annegret!“Interessant, denn Kretschmer ist durchaus ein Anhänger des Akk-rivalen Friedrich Merz. Die Saarländerin wird gelobt für ihren Mut. Auf den Gängen hört man danach jedoch auch, sie habe überzogen. Derart bedroht sei sie gar nicht gewesen.
Wie war die Rede von AKK vorher? In einem Punkt hat die Cduchefin bereits äußerlich gelernt. War sie letztes Jahr beim Hamburger Parteitag noch in einem groß gemusterten Blazer aufgetreten, so hat sich Kramp-karrenbauer dieses Jahr in einen bildschirmtauglichen blauen Anzug gewandet. Sie geht gleich zu Beginn auf die Querelen in der Partei ein und kritisiert Merz – zumindest indirekt. Es dürfe nicht sein, dass die CDU die von der
Union geführte Bundesregierung schlechtrede. „Das ist keine erfolgreiche Wahlkampfstrategie“, fügt sie hinzu und erntet großen Applaus. Merz hat nach der Wahlschlappe in Thüringen das Erscheinungsbild der Bundesregierung als „grottenschlecht“bezeichnet und dafür vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel verantwortlich gemacht. Kramp-karrenbauer sagt dagegen über die Ära Merkel: „Es waren 14 gute Jahre für Deutschland, und darauf können wir alle miteinander stolz sein.“Führungsfragen habe es immer schon in der CDU gegeben. „Wir lassen uns nicht in den Ruin hineinschreiben.“Sind die Medien schuld am Absturz auf unter 30 Prozent? AKK räumt auch Fehler ein. Aus der Rezo-affäre hat sie gelernt. Mit dem „Diebstahl“des Buchstaben C – Greenpeace entführte ein Teil des Logos vom Dach der Parteizentrale – ging die CDU selbstironisch und souverän um.
Applaus gibt es bei Aussagen wie „Wir wollen Wohlstand für alle, aber nicht Wohlfahrt für alle“. Sie freue sich, dass der Us-konzern Tesla jetzt ein Werk in Deutschland baue. Es sei ihr aber wichtiger, dass der Verbrennungsmotor mit synthetischen Kraftstoffen in Deutschland erhalten bleibe. Sie schimpft: „Ich habe die Nase voll davon, dass wir immer die Langsamsten in Europa sind. Wir müssen wieder an die Spitze.“
Die Cdu-chefin grenzt die Partei scharf nach links und rechts ab. Zur AFD sagt sie: „Das sind die Brandstifter. Wir dürfen nicht diejenigen sein, die die Streichhölzer geben.“Bundesfinanzminister und Vielleicht-spd-chef Olaf Scholz bekommt sein Fett ab. Die Verteidigungsministerin
macht sich für eine Steigerung des Wehretats stark, am besten auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung, wie in der Nato zugesagt. Wenn der Bundestag Soldatinnen und Soldaten in gefährliche Einsätze schicke, dann gebe es „die verdammte Pflicht, den Haushalt so aufzustellen, dass die auch anständig ausgerüstet sind“. Jubel im Saal. Sie will nach 2021 ein Digitalministerium und einen Tüv für Sozialausgaben. Sie setzt viele schöne Überschriften, liefert aber wenig Inhalte. Das könnte die Chance von Merz sein. Klartext aus dem Sauerland?
Wie loyal Friedrich Merz ist, wird sich zeigen
„Dann lasst es uns heute auch beenden. Hier und jetzt.“Annegret Kramp-karrenbauer
Der Revoluzzer hat Kreide gefressen. Als der Wirtschaftsanwalt um 14.30 Uhr mit langen Schritten zum Pult eilt, dauert es nur ein paar Sätze, bis das letzte Putschgeflüster in der Messehalle verstummt ist. Merz lobt: „Unsere Parteivorsitzende hat eine kämpferische, eine mutige und nach vorn zeigende Rede gehalten. Dafür sind wir ihr alle wirklich dankbar.“Dem 64-Jährigen ist nicht entgangen, dass AKK großen Rückhalt hat – für den Moment. Der Cdu-parteitag will Harmonie. Das spürt jeder. Auch Merz. Seine Manöverkritik nach Thüringen hat ihm geschadet. Merz, der Nestbeschmutzer. Das nervte selbst Unterstützer. Er sagt, am härtesten habe ihn der Vorwurf getroffen, die CDU sei seinetwegen so ein zerstrittener Haufen wie die SPD. „Die Sozialdemokraten sind strukturell illoyal. Wir sind loyal zu unserer Vorsitzenden und zur Bundesregierung“, ruft Merz.
Wie loyal Merz ist, wird sich zeigen. Er spricht auffällig oft von Verantwortung, von Führung. Der nächste Parteitag Ende 2020 werde alles entscheiden. „Wenn Sie wollen, dass ich dabei bin, dann bin ich dabei!“Merz würde nicht Nein sagen, sollte die Partei ihm die Kanzlerkandidatur antragen. Er ist in der Bevölkerung viel populärer als sie. Kommt AKK nicht aus ihrem Umfrageund Fettnäpfchentief heraus, wird die CDU beizeiten schauen, wer die Macht nach der Ära Merkel sichern kann. Merz beteuert, er wolle den gemeinsamen Erfolg. Die Mitte müsse wieder stark sein. „Dafür stehe ich hier“, sagt er zum Schluss. Es klingt wie Luthers „Hier stehe ich und kann nicht anders“. AKK muss auf der Hut bleiben.