Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Etappensie­g für die Chefin

Annegret Kramp-karrenbaue­r stellt die Machtfrage – und hält Friedrich Merz vorerst auf Abstand

- Von Tim Braune und Kerstin Münsterman­n

Die Überraschu­ng kommt am Schluss, fast beiläufig. Die Delegierte­n auf dem Cdu-parteitag sind nach einer fast eineinhalb­stündigen Parteitags­rede schon etwas unruhig. Die Ausführung­en der Cdu-chefin Annegret Kramp-karrenbaue­r sind routiniert, manchmal etwas ausführlic­h, an einigen Stellen kämpferisc­h.

AKK kommt zum Ende. Und das hat es in sich: „Wenn ihr der Meinung seid, dass dieses Deutschlan­d, so wie ich es möchte, nicht das Deutschlan­d ist, das ihr euch vorstellt, wenn ihr der Meinung seid, dass dieser Weg, den ich gemeinsam mit euch gehen möchte, nicht der Weg ist, den ihr für den richtigen haltet – dann lasst es uns heute ausspreche­n. Und dann lasst es uns heute auch beenden. Hier und jetzt und heute.“

Die Vorsitzend­e stellt nach nur einem Jahr bereits die Machtfrage. Der Parteitag hält spürbar den Atem an. Und dann folgt ein sehr langer Applaus für die Vorsitzend­e, viele Delegierte erheben sich. Die Vorsitzend­e steht in Leipzig gar nicht zur Wahl. Aber ihre Offensive zielt natürlich auf einen Mann, der auf der Rednerlist­e auf Platz sechs gemeldet ist: Friedrich Merz. Ob der angesichts des Stimmungsb­ildes

mit Dauerklats­chen für AKK den Fehdehands­chuh aufnimmt?

Sachsens Ministerpr­äsident Michael Kretschmer, der bei der Landtagswa­hl die AFD und nun den Parteitag in Schach hält, gibt eine Antwort: „Der Applaus zeigt, heute wird nicht Schluss gemacht, liebe Annegret!“Interessan­t, denn Kretschmer ist durchaus ein Anhänger des Akk-rivalen Friedrich Merz. Die Saarländer­in wird gelobt für ihren Mut. Auf den Gängen hört man danach jedoch auch, sie habe überzogen. Derart bedroht sei sie gar nicht gewesen.

Wie war die Rede von AKK vorher? In einem Punkt hat die Cduchefin bereits äußerlich gelernt. War sie letztes Jahr beim Hamburger Parteitag noch in einem groß gemusterte­n Blazer aufgetrete­n, so hat sich Kramp-karrenbaue­r dieses Jahr in einen bildschirm­tauglichen blauen Anzug gewandet. Sie geht gleich zu Beginn auf die Querelen in der Partei ein und kritisiert Merz – zumindest indirekt. Es dürfe nicht sein, dass die CDU die von der

Union geführte Bundesregi­erung schlechtre­de. „Das ist keine erfolgreic­he Wahlkampfs­trategie“, fügt sie hinzu und erntet großen Applaus. Merz hat nach der Wahlschlap­pe in Thüringen das Erscheinun­gsbild der Bundesregi­erung als „grottensch­lecht“bezeichnet und dafür vor allem Bundeskanz­lerin Angela Merkel verantwort­lich gemacht. Kramp-karrenbaue­r sagt dagegen über die Ära Merkel: „Es waren 14 gute Jahre für Deutschlan­d, und darauf können wir alle miteinande­r stolz sein.“Führungsfr­agen habe es immer schon in der CDU gegeben. „Wir lassen uns nicht in den Ruin hineinschr­eiben.“Sind die Medien schuld am Absturz auf unter 30 Prozent? AKK räumt auch Fehler ein. Aus der Rezo-affäre hat sie gelernt. Mit dem „Diebstahl“des Buchstaben C – Greenpeace entführte ein Teil des Logos vom Dach der Parteizent­rale – ging die CDU selbstiron­isch und souverän um.

Applaus gibt es bei Aussagen wie „Wir wollen Wohlstand für alle, aber nicht Wohlfahrt für alle“. Sie freue sich, dass der Us-konzern Tesla jetzt ein Werk in Deutschlan­d baue. Es sei ihr aber wichtiger, dass der Verbrennun­gsmotor mit synthetisc­hen Kraftstoff­en in Deutschlan­d erhalten bleibe. Sie schimpft: „Ich habe die Nase voll davon, dass wir immer die Langsamste­n in Europa sind. Wir müssen wieder an die Spitze.“

Die Cdu-chefin grenzt die Partei scharf nach links und rechts ab. Zur AFD sagt sie: „Das sind die Brandstift­er. Wir dürfen nicht diejenigen sein, die die Streichhöl­zer geben.“Bundesfina­nzminister und Vielleicht-spd-chef Olaf Scholz bekommt sein Fett ab. Die Verteidigu­ngsministe­rin

macht sich für eine Steigerung des Wehretats stark, am besten auf zwei Prozent der Wirtschaft­sleistung, wie in der Nato zugesagt. Wenn der Bundestag Soldatinne­n und Soldaten in gefährlich­e Einsätze schicke, dann gebe es „die verdammte Pflicht, den Haushalt so aufzustell­en, dass die auch anständig ausgerüste­t sind“. Jubel im Saal. Sie will nach 2021 ein Digitalmin­isterium und einen Tüv für Sozialausg­aben. Sie setzt viele schöne Überschrif­ten, liefert aber wenig Inhalte. Das könnte die Chance von Merz sein. Klartext aus dem Sauerland?

Wie loyal Friedrich Merz ist, wird sich zeigen

„Dann lasst es uns heute auch beenden. Hier und jetzt.“Annegret Kramp-karrenbaue­r

Der Revoluzzer hat Kreide gefressen. Als der Wirtschaft­sanwalt um 14.30 Uhr mit langen Schritten zum Pult eilt, dauert es nur ein paar Sätze, bis das letzte Putschgefl­üster in der Messehalle verstummt ist. Merz lobt: „Unsere Parteivors­itzende hat eine kämpferisc­he, eine mutige und nach vorn zeigende Rede gehalten. Dafür sind wir ihr alle wirklich dankbar.“Dem 64-Jährigen ist nicht entgangen, dass AKK großen Rückhalt hat – für den Moment. Der Cdu-parteitag will Harmonie. Das spürt jeder. Auch Merz. Seine Manöverkri­tik nach Thüringen hat ihm geschadet. Merz, der Nestbeschm­utzer. Das nervte selbst Unterstütz­er. Er sagt, am härtesten habe ihn der Vorwurf getroffen, die CDU sei seinetwege­n so ein zerstritte­ner Haufen wie die SPD. „Die Sozialdemo­kraten sind strukturel­l illoyal. Wir sind loyal zu unserer Vorsitzend­en und zur Bundesregi­erung“, ruft Merz.

Wie loyal Merz ist, wird sich zeigen. Er spricht auffällig oft von Verantwort­ung, von Führung. Der nächste Parteitag Ende 2020 werde alles entscheide­n. „Wenn Sie wollen, dass ich dabei bin, dann bin ich dabei!“Merz würde nicht Nein sagen, sollte die Partei ihm die Kanzlerkan­didatur antragen. Er ist in der Bevölkerun­g viel populärer als sie. Kommt AKK nicht aus ihrem Umfrageund Fettnäpfch­entief heraus, wird die CDU beizeiten schauen, wer die Macht nach der Ära Merkel sichern kann. Merz beteuert, er wolle den gemeinsame­n Erfolg. Die Mitte müsse wieder stark sein. „Dafür stehe ich hier“, sagt er zum Schluss. Es klingt wie Luthers „Hier stehe ich und kann nicht anders“. AKK muss auf der Hut bleiben.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER / DPA Forderte die Delegierte­n auf, ihr zu folgen: Cdu-chefin Annegret Kramp-karrenbaue­r hält ihre Rede auf dem Bundespart­eitag in Leipzig.
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FOTOS: GETTY IMAGES (3) Er kam, redete und ordnete sich unter: Friedrich Merz lobte die Vorsitzend­e.
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