Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Wandlungen einer Freundschaft
Briefe von Sarah Kirsch und Christa Wolf
Zwei Frauen, auf dem Weg zur Lyrikerin die eine, Prosaautorin die andere, verschieden in Charakter und Temperament. So beginnen Sarah Kirsch (1935 bis 2013) und Christa Wolf (1929 bis 2011) Anfang der 60er-jahre eine Freundschaft, die nach drei Jahrzehnten ein Ende findet. Ein Teil davon wird in dem Briefwechsel „Wir haben uns wirklich an allerhand gewöhnt“lebendig, aus dem die Herausgeberin Sabine Wolf, nicht verwandt mit der Schriftstellerin, am Donnerstagabend bei der Erfurter Herbstlese las. Anfangs setzen die „Vielliebe Sarah“und die „Sehr liebe Christa“, wie es in den Anreden öfter heißt, gleichermaßen Hoffnungen in den sozialistischen Aufbau der DDR; sie wollen ihn mitgestalten, das heißt auch: kritisieren.
So erhellen Sabine Wolf und der Journalist Torsten Unger kenntnisreich die Wandlungen dieser Freundschaft bis zu ihrem Zerbrechen im Gespräch. Die Briefe, die zwischen Sarah Kirsch und Christa Wolf hin- und hergehen, sind zunehmend von Nähe, Sorge und Anteilnahme auch angesichts kulturpolitischer Zumutungen geprägt. Es geht um den Literaturbetrieb, Alltägliches, Männer, das Leben auf dem Land. Die Tonlage reicht von heiter bis ironisch, niedergeschlagen bis brüskierend. Eine Zäsur, so Sabine Wolf, ist Sarah Kirschs Ausreise 1977 in die Bundesrepublik; Christa Wolf befürchtet eine Entfremdung. Immer deutlicher zeigt sich, dass Sarah Kirsch niemandem als sich selbst, ihrer Kunst und denen, die ihrem Herzen nahe sind, verpflichtet ist. Christa Wolf nimmt das eigene Dasein, aber auch die gesellschaftliche Verantwortung ernst. Auch Letzteres bringt die Freundschaft 1990 an ihr Ende. Christa Wolf schweigt fortan. Sarah Kirsch schreibt gallige Bemerkungen. Kein Versuch des Verstehens. Keine Versöhnung. Nirgends.