Über Moral

Weil wir den ganzen Tag Kohldampf schieben, beschließen wir abends, zur Roten Laterne zu reiten. Alle Augen richten sich auf Dick. „Klar, ich komm’ mit“, sagt unser Frauenheld tapfer. „Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Notfalls müssen wir uns auf dem Rückzug den Weg freischießen.“Dick lebt in ständiger Furcht vor Chinas Geheimdienst, Shentes Alimente wegen.

Die Begrüßung ist herzlich. Hop Sing, unser Wirt, bringt Pfefferminztee und flötet: „Wenn Handelskrieg vorbei, machen wieder auf dicke Freundschaft mit Usa.“– „Wer’s glaubt!“warnt Dick. „Dieser Trump ist völlig unberechenbar und sucht nur seinen Vorteil.“Schon haben wir unser Thema. „Wie die stolzen Amis so einen ehrlosen Schuft ins höchste Amt wählen konnten, ist mir ein Rätsel“, klagt Bill. „In der Ukraine-affäre hat er sich zur Kenntlichkeit entstellt“, merke ich an. „Und sein Wortbruch bei den Kurden in Syrien ist eine Schande.“

Da kommt Shen-te und stellt uns tellergroße Yak-steaks auf den Tisch. „Liebe geht durch den Magen“, lockt die sezuanische Circe. Dick wird knallrot. Bill bemerkt: „Dabei haben wir vom Syrienkrieg durchaus profitiert. Manche Geflüchtete sind supersympathisch.“Dick wird noch röter. „Man weiß nie, woran man ist mit fremden Leuten“, druckst er. „Trump hat sich in der Syrien-frage dem Erdogan angebiedert – wegen seiner Immobiliengeschäfte in Istanbul.“

„Bei dem Kerl kann man sich darauf verlassen“, urteilt Jack, „dass er allen in den Rücken fällt.“Wir schimpfen noch ein bisschen, während wir schmausen. Dann brechen wir so unvermittelt auf, dass Hop Sing und die übrigen Gäste – lauter Chinesen! – nicht reagieren können. Wir geben den Gäulen die Sporen und sind, froh der gelben Gefahr entronnen zu sein, in Windeseile wieder auf unserer Ranch.

Zu unserer Überraschung ist Minavere zu Besuch. Sie hat sogar gekocht. „Lieb sein im Bauch“, haucht sie und schaut Dick tief in die Augen. Etwas verlegen machen wir uns übers Essen her.