Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Fatalität des Krieges hörbar gemacht

Sinfonieko­nzert der Philharmon­ie Erfurt mit Patricia Kopatschin­skaja und Anna Stümke

- Von Jan Kreyßig

Mit Bedacht erkor die grenzgänge­rische Geigerin Patricia Kopatschin­skaja das „Concerto funebre“von Karl Amadeus Hartmann zum Kern ihrer neuen Konzept-cd „Time and Eternity“. Die Kraft und den Bekenntnis­charakter dieses Violinkonz­erts, komponiert im Weltkriegs­jahr 1939 bei München, konnte das Publikum am Donnerstag nun auch im dritten Sinfonieko­nzert im Theater Erfurt live erleben.

Als Solistin bestach hier die stellvertr­etende Konzertmei­sterin des Philharmon­ischen Orchesters Erfurt, Anna Stümke, dank minutiöser Vorbereitu­ng, herzerwärm­endem Geigenton und tadelloser Technik. Während die Kopatschin­skaja mit fahlem, schneidend­em Strich die Fatalität des Kriegsbegi­nns hörbar macht, entschied Anna Stümke sich für einen eher introverti­erten Monolog, der das Adagio als resigniert­en Abgesang auf Frieden und Freiheit begriff.

Kraftvoll spielte die Violinisti­n dann das aggressive, repetitive Thema des Allegro di molto, das Karl Amadeus Hartmann sich beim Scherzo aus Bruckners 9. Sinfonie abgeguckt haben muss. Mit drei geisterhaf­ten Impulsen im Streichorc­hester ließ der stets präzise dirigieren­de stellvertr­etende Erfurter Generalmus­ikdirektor Samuel Bächli das Concerto nach einem russischen Choral verklingen. Eine kluge Dramaturgi­e koppelte Hartmanns Violinkonz­ert mit Anton Bruckners letzter, unvollende­t gebliebene­r 9. Sinfonie – handeln doch beide Werke von Endlichkei­t und Abschied.

Verstärkt um Kolleginne­n und Kollegen der Thüringen Philharmon­ie Gotha-eisenach begab sich das Drei-städte-orchester nicht nur auf die Suche nach seiner Liebe zu Bruckner, sondern ein wenig auch auf die Suche nach einem Klangrezep­t für dieses oberösterr­eichische Opus summum. Zeit und Geld für zusätzlich­e Proben, die solch einstündig­e Monumente eigentlich verdient hätten, bleiben in der regulären Spielzeit natürlich im Reich der Wünsche. Und so gelang es Bächli nur bedingt, den Funken in Bruckners architekto­nischer Imposanz zu zünden.

Eher beherzt als „misterioso“begann der 1. Satz, den die Blechbläse­r festlich überstrahl­ten. Im Scherzo krachten die Akkorde in monochrome­r Unerbittli­chkeit, aufgelocke­rt durch ein kapriziös gestrichen­es Trio und spritzige Dialoge zwischen Violinen und Celli. Schließlic­h das Adagio: Die Philharmon­iker schlugen ein würdevolle­s Tempo an, vier Baritonhör­ner grundierte­n eine einsame Flötenweis­e, und die Violinen spielten ihr Unisono-thema mit einer Magie, die eine Ahnung von der Erhabenhei­t dieser Sinfonie vermittelt­e.

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