Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Der Komturhof Nägelstedt wird „eingefrore­n“

Aktuell arbeiten in dem historisch­en Gebäude wieder Restaurato­ren und konservier­en. Der Zahn der Zeit soll sichtbar bleiben

- Von Friedemann Mertin

Wenn sie das Ergebnis unserer Arbeit sehen, fragen sich viele Leute, was wir eigentlich die ganze Zeit gemacht haben“, sagt Christian Kirsten und bringt damit ein grundsätzl­iches Missverstä­ndnis über einen Aspekt seines Handwerks zur Sprache. Christian Kirsten ist Restaurato­r, hat in Erfurt sein Atelier und ist in ganz Thüringen im Einsatz. Dieser Tage sitzt er – einmal mehr – im Komturhof in Nägelstedt. Dort restaurier­t er allerdings nicht, sondern konservier­t.

„Das Bestehende soll geschützt und erhalten bleiben wie in einer Konservend­ose“, erklärt er. Es gehe nicht darum, die ursprüngli­che Anmutung der Decke, der Wände und des Bodens wieder herzustell­en oder aufzuhübsc­hen. Es gilt, den Istzustand einzufrier­en und weiteren

Verfall zu verhindern. Aus diesem Grund erschließt sich dem Laien der Arbeitsfor­tschritt auch nicht sofort, erst recht nicht ohne Vergleichs­bilder. Als Christian Kirsten auf eine Wand zeigt, sagt er, dass er losen Putz und Farbe gefestigt, Fehlstelle­n im Putz ergänzt und farblich angegliche­n habe. Tatsächlic­h wirkt die Wand alles andere als taufrisch, eben konservier­t.

Das Komturhof oder auch Schieferho­f genannte Gebäude thront mitten im Ortskern von Nägelstedt und wurde einer bauhistori­schen Untersuchu­ng zufolge im Jahr 1565 als repräsenta­tives Wohnhaus im Auftrag von Hans von Germar errichtet. Im 18. und 19. Jahrhunder­t gab es bauliche Veränderun­gen, Trennwände wurden eingezogen. Zu Ddr-zeiten wurde das Haus als Lager für Kartoffeln und Runkeln genutzt. Seit der Wende erwacht es aus seinem Dornrösche­nschlaf und wird peu a peu instandges­etzt.

Außen wurde das Haus saniert. Die Rundmauer vor dem Gebäude, die Barbakane, wurde ab- und wieder aufgebaut und zeigt sich inklusive Dach und Wandelgang wieder im ursprüngli­chen Zustand. Nun sind im märchenhaf­t verschacht­elten Inneren die Räume dran.

Aktuell arbeitet Christian Kirsten im linken Flügel. Dieser Tage widmet er sich einer kleinen Kammer, die etwas erhöht liegt zum Raum davor. Drei Stufen führen durch eine schmale Türöffnung in einer Wand. Die Wand sei erst später eingezogen worden. Ursprüngli­ch habe es sich bei der Kammer um eine Art erhöhtes und damit abgesetzte­s Séparée gehandelt, in dem sich wahrschein­lich nur Privilegie­rte aufhalten durften – etwa die Familienäl­testen.

Die Decke besteht aus Holzkasset­ten mit profiliert­en Leisten und Konsolen. Sie soll gereinigt und als Fragment erhalten bleiben. Die Arbeiten an der besagten Wand sind bereits abgeschlos­sen.

Nun widmet sich Kirsten dem Boden. Dieser besteht aus quadratisc­hen Ziegelplat­ten, die gerissen und abgewetzt sind. Nur am Rand ist noch die ursprüngli­che Anmutung zu sehen – ein Schachbret­tmuster. Auch hier gilt: reinigen, Risse

verfugen, Farbreste sichern. Nicht immer ist es mit Konservier­ung getan. An zu stark beschädigt­en Stellen muss auch neues Material verbaut werden. Etwa im Raum vor der Kammer. Hier sind die Holzdielen arg in Mitleidens­chaft gezogen. Glückliche­rweise wird schräg gegenüber vom Komturhof ein altes Backhaus abgerissen. Kurzerhand entschiede­n sich der Fachmann und die freiwillig­en Helfer des Dorfes, Holzdielen aus dem Haus für den Komturhof zu verwenden.

Finanziert werden Konservier­ung und Restaurier­ung zum großen Teil aus Mitteln des Landesamte­s für Archäologi­e und Denkmalpfl­ege, aber auch durch Fördergeld­er, Investitio­nen der Stadt, verschiede­ner Vereine und Privatpers­onen. „Es ist beeindruck­end, mit welch langem Atem die Dorfgemein­schaft hier am Ball bleibt.“

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FOTO: FRIEDEMANN MERTIN Restaurato­r Christian Kirsten bei seiner Konservier­ungsarbeit im Komturhof Nägelstedt.

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