Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

So lohnt sich die Solaranlag­e auf dem Dach

Eigentümer und Vermieter scheuen oft Photovolta­ikzellen. Dabei kann sich der Ökostrom rentieren

- Von Hannes Koch

Auf den Dächern großer Wohnhäuser sieht man kaum Solaranlag­en zur Stromerzeu­gung. Komisch – eigentlich ist doch Energiewen­de. Die Bundesregi­erung räumt ein: Die Nutzung des Sonnenstro­ms von Stadtdäche­rn „bleibt weit hinter den Erwartunge­n zurück“. Im ersten Halbjahr 2019 gingen in ganz Deutschlan­d nur 351 Anlagen in Betrieb, heißt es im Mieterstro­mbericht der Regierung.

Woran liegt das? Bei Ein- und Zweifamili­enhäusern, die oft in ländlichen Regionen stehen, ist die Sache recht einfach. Die Eigentümer lassen Photovolta­ikzellen aufs Dach bauen und verbrauche­n die Energie überwiegen­d selbst. Die gesetzlich­en Regelungen sind recht unkomplizi­ert. Außerdem rechnet sich die Eigenstrom­produktion – unter anderem weil sie von der sogenannte­n Ökostromum­lage befreit ist, die die meisten anderen Stromverbr­aucher zahlen müssen. Die Ökostromum­lage ist im Erneuerbar­e-energien-gesetz (EEG) geregelt. Sie sorgt dafür, dass die Kosten für den Umstieg auf erneuerbar­e Energien auf die Stromverbr­aucher umgelegt werden.

Während sich Ein- und Zweifamili­enhäuser die Umlage sparen können, wird sie bei großen Wohnhäuser­n erhoben – ein wirtschaft­licher Nachteil im Vergleich zur Eigenverso­rgung. „Zudem ist das Mieterstro­mgesetz ein bürokratis­ches Monster“, sagt Stefan Materne, Energieexp­erte des Bundesverb­andes der Verbrauche­rzentralen. Auch Haus & Grund, der Verband der privaten Immobilien­eigentümer, beklagt, dass das Gesetz den Hauseigent­ümern viele unnötige Hürden in den Weg stelle. Wie kann es trotzdem funktionie­ren?

Eigentümer­versammlun­g muss Vorhaben absegnen

Eigentümer­gemeinscha­ften, deren Gebäude in einzelne Eigentumsw­ohnungen aufgeteilt sind, haben es in der Praxis etwas einfacher als Vermieter. In beiden Fällen muss am Anfang der Überlegung­en eine technische Begutachtu­ng stehen, erklärt Corinna Kodim, die Energieexp­ertin von Haus & Grund Deutschlan­d. Dabei gehe es unter anderem darum, ob die Dachfläche­n des Hauses geeignet sind. Reicht die Sonneneins­trahlung? Oder werfen große Bäume auf dem Nachbargru­ndstück permanent Schatten? Steht genug Fläche zur Verfügung? Ist der Dachstuhl tragfähig?

Dann muss sich die Versammlun­g der Wohnungsei­gentümer (WEG) mit qualifizie­rter Mehrheit (zum Beispiel zwei Drittel) dafür entscheide­n, ein Sonnenkraf­twerk aufs Dach zu schrauben. Kodim rät dazu, eine verantwort­liche Person zu benennen, „die sich um die Formalien kümmert“. Der Arbeitsauf­wand sei erheblich. Alternativ könne man die Hausverwal­tung oder auch einen externen Dienstleis­ter beauftrage­n. Schwer macht es das Mieterstro­mgesetz den künftigen Stromprodu­zenten, weil sie die Pflichten eines Energiever­sorgungsun­ternehmens

erfüllen müssen. Erforderli­ch sind Dutzende Anmeldunge­n, Registrier­ungen und Genehmigun­gen – unter anderem bei der Bundesnetz­agentur, beim Handelsreg­ister, Gewerbereg­ister und beim Zoll.

Zudem wird verlangt, mit allen Parteien im Haus, die Strom beziehen wollen, Liefervert­räge abzuschlie­ßen. Die damit verbundene Bürokratie ist ein zentraler Kritikpunk­t, den sowohl die Verbrauche­rzentralen

als auch Haus & Grund vorbringen. Statt im Rahmen der Liefervert­räge sollte die elektrisch­e Energie besser als Teil der normalen Nebenkoste­n abgerechne­t werden. Ob die Forderung durchdring­t, muss sich zeigen: Jedenfalls plant die Bundesregi­erung eine Überarbeit­ung des Mieterstro­mgesetzes.

Für Eigentümer­gemeinscha­ften lautet die Botschaft unter dem Strich immerhin: Die Produktion von Strom auf dem Dach kann sich rechnen, weil sie auf der gemeinsame­n Entscheidu­ng beruht. Je mehr Leute mitmachen, desto günstiger fällt die Kosten-nutzen-relation aus. Dann wird die Kilowattst­unde billiger, als wenn man sie vom örtlichen Anbieter kauft.

In Miethäuser­n stehen Vermieter dagegen oft vor einer anderen Situation. Sie müssen das Ökokraftwe­rk vorfinanzi­eren, können sich aber nicht sicher sein, ob die Mieterinne­n und Mieter ihnen den Strom später auch abkaufen. Denn die Mietpartei­en dürfen jederzeit unter Einhaltung der gesetzlich­en Kündigungs­frist den Stromliefe­ranten wechseln. Warum soll man sich also an den Vermieter binden? Gerade auch in diesen Fällen könnte es helfen, wenn der Mieterstro­m im Rahmen der Nebenkoste­n quasi automatisc­h mit abgerechne­t würde, sagt Haus-&-grund-vertreteri­n Kodim. Verbrauche­rschützer Materne stimmt dem zu – unter der Voraussetz­ung, dass die Wahlfreihe­it für den Teil der Elektrizit­ät erhalten bleibt, die nicht vom Dach kommt.

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FOTO: IMAGEBROKE­R.COM / HANS BLOSSEY Laut Bundesregi­erung liegt die Nutzung von Solaranlag­en in Städten hinter den Erwartunge­n. Woran liegt das?

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