Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
So lohnt sich die Solaranlage auf dem Dach
Eigentümer und Vermieter scheuen oft Photovoltaikzellen. Dabei kann sich der Ökostrom rentieren
Auf den Dächern großer Wohnhäuser sieht man kaum Solaranlagen zur Stromerzeugung. Komisch – eigentlich ist doch Energiewende. Die Bundesregierung räumt ein: Die Nutzung des Sonnenstroms von Stadtdächern „bleibt weit hinter den Erwartungen zurück“. Im ersten Halbjahr 2019 gingen in ganz Deutschland nur 351 Anlagen in Betrieb, heißt es im Mieterstrombericht der Regierung.
Woran liegt das? Bei Ein- und Zweifamilienhäusern, die oft in ländlichen Regionen stehen, ist die Sache recht einfach. Die Eigentümer lassen Photovoltaikzellen aufs Dach bauen und verbrauchen die Energie überwiegend selbst. Die gesetzlichen Regelungen sind recht unkompliziert. Außerdem rechnet sich die Eigenstromproduktion – unter anderem weil sie von der sogenannten Ökostromumlage befreit ist, die die meisten anderen Stromverbraucher zahlen müssen. Die Ökostromumlage ist im Erneuerbare-energien-gesetz (EEG) geregelt. Sie sorgt dafür, dass die Kosten für den Umstieg auf erneuerbare Energien auf die Stromverbraucher umgelegt werden.
Während sich Ein- und Zweifamilienhäuser die Umlage sparen können, wird sie bei großen Wohnhäusern erhoben – ein wirtschaftlicher Nachteil im Vergleich zur Eigenversorgung. „Zudem ist das Mieterstromgesetz ein bürokratisches Monster“, sagt Stefan Materne, Energieexperte des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen. Auch Haus & Grund, der Verband der privaten Immobilieneigentümer, beklagt, dass das Gesetz den Hauseigentümern viele unnötige Hürden in den Weg stelle. Wie kann es trotzdem funktionieren?
Eigentümerversammlung muss Vorhaben absegnen
Eigentümergemeinschaften, deren Gebäude in einzelne Eigentumswohnungen aufgeteilt sind, haben es in der Praxis etwas einfacher als Vermieter. In beiden Fällen muss am Anfang der Überlegungen eine technische Begutachtung stehen, erklärt Corinna Kodim, die Energieexpertin von Haus & Grund Deutschland. Dabei gehe es unter anderem darum, ob die Dachflächen des Hauses geeignet sind. Reicht die Sonneneinstrahlung? Oder werfen große Bäume auf dem Nachbargrundstück permanent Schatten? Steht genug Fläche zur Verfügung? Ist der Dachstuhl tragfähig?
Dann muss sich die Versammlung der Wohnungseigentümer (WEG) mit qualifizierter Mehrheit (zum Beispiel zwei Drittel) dafür entscheiden, ein Sonnenkraftwerk aufs Dach zu schrauben. Kodim rät dazu, eine verantwortliche Person zu benennen, „die sich um die Formalien kümmert“. Der Arbeitsaufwand sei erheblich. Alternativ könne man die Hausverwaltung oder auch einen externen Dienstleister beauftragen. Schwer macht es das Mieterstromgesetz den künftigen Stromproduzenten, weil sie die Pflichten eines Energieversorgungsunternehmens
erfüllen müssen. Erforderlich sind Dutzende Anmeldungen, Registrierungen und Genehmigungen – unter anderem bei der Bundesnetzagentur, beim Handelsregister, Gewerberegister und beim Zoll.
Zudem wird verlangt, mit allen Parteien im Haus, die Strom beziehen wollen, Lieferverträge abzuschließen. Die damit verbundene Bürokratie ist ein zentraler Kritikpunkt, den sowohl die Verbraucherzentralen
als auch Haus & Grund vorbringen. Statt im Rahmen der Lieferverträge sollte die elektrische Energie besser als Teil der normalen Nebenkosten abgerechnet werden. Ob die Forderung durchdringt, muss sich zeigen: Jedenfalls plant die Bundesregierung eine Überarbeitung des Mieterstromgesetzes.
Für Eigentümergemeinschaften lautet die Botschaft unter dem Strich immerhin: Die Produktion von Strom auf dem Dach kann sich rechnen, weil sie auf der gemeinsamen Entscheidung beruht. Je mehr Leute mitmachen, desto günstiger fällt die Kosten-nutzen-relation aus. Dann wird die Kilowattstunde billiger, als wenn man sie vom örtlichen Anbieter kauft.
In Miethäusern stehen Vermieter dagegen oft vor einer anderen Situation. Sie müssen das Ökokraftwerk vorfinanzieren, können sich aber nicht sicher sein, ob die Mieterinnen und Mieter ihnen den Strom später auch abkaufen. Denn die Mietparteien dürfen jederzeit unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist den Stromlieferanten wechseln. Warum soll man sich also an den Vermieter binden? Gerade auch in diesen Fällen könnte es helfen, wenn der Mieterstrom im Rahmen der Nebenkosten quasi automatisch mit abgerechnet würde, sagt Haus-&-grund-vertreterin Kodim. Verbraucherschützer Materne stimmt dem zu – unter der Voraussetzung, dass die Wahlfreiheit für den Teil der Elektrizität erhalten bleibt, die nicht vom Dach kommt.