Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Start in eine neue Skisprung-ära
Nach dem Abgang von Erfolgscoach Schuster soll Stefan Horngacher Siege ermöglichen
Ernsthaft, richtig freimachen kann man sich davon nicht, oder? Wer einen neuen Job antritt, noch dazu von einem äußerst erfolgreichen Vorgänger, muss sich zwangsläufig mit diesem messen lassen. Selbst wenn man es selbst gar nicht will. Was macht der Neue anders? Wo hat sich der Alte besser bewährt? Kann an die vergangenen Erfolge angeknüpft werden oder lassen sie sich künftig gar noch mehr steigern?
Im Prinzip könnte sich Stefan Horngacher mit Michael Dolezal prima darüber unterhalten. Beide waren gute Skispringer, Erstgenannter für Österreich, Zweitgenannter in Tschechien – jetzt sind sie beide Trainer bedeutender Nationen in dieser von Wagemut geprägten Wintersport-disziplin.
Horngacher, 50 Jahre alt, ist seit diesem Weltcup, der am Wochenende im polnischen Wisla mit dem Teamspringen (Samstag, 16 Uhr) und dem Einzelwettkampf (Sonntag, 11.30 Uhr/beides ZDF) beginnt, für die deutschen Flieger verantwortlich, sein neun Jahre jüngere Kollege die polnischen.
Dolezal hat einen großen Vorgänger: Horngacher nämlich. Der wiederum selbst einem der Erfolgreichsten seiner Zunft folgt: Werner Schuster, elf Jahre Bundestrainer bei den Dsv-adlern. Bei solchen personellen Rochaden wird gerne von immensen Fußstapfen gesprochen, in die die Neuen treten.
Stefan Horngacher schmunzelt leicht, als er gefragt wird, was er anders machen werde als sein Landsmann oder fortführen werde von Schuster: „Ich habe das Team übernommen und versucht, meine Philosophie vom Skispringen einfließen zu lassen. Über das, was vorher war, haben wir nicht viel gesprochen, wir schauen nach vorne.“Was bei manchen vielleicht wie
Selbstschutz klingen mag, erscheint bei dem Mann, dessen Arbeit wie Schusters Olympiasieger und Weltmeister (Kamil Stoch und Dawid Kubacki bei den Polen, Andreas Wellinger und Markus Eisenbichler bei den Deutschen) hervorgebracht hat, einfach wie nüchterne Routine.
Nur ein Punkt, der die erfolgreichsten Trainerpersönlichkeiten der vergangenen Jahre voneinander unterscheidet: Aus dem Tiroler Horngacher sprudeln die Emotionen nicht so sehr heraus wie aus dem Vorarlberger Schuster. Der Neue wirkt manchmal etwas spröde, was als Vorwurf jedoch unfair wäre: Er ist durchaus freundlich und einfach so unglaublich auf seine Arbeit fokussiert. Die beinhaltet durchaus andere Ansätze, auch wenn Horngacher bereits vor seinen drei Jahren in Polen von 2006 bis 2016 in Deutschland tätig war und davon die letzten sechs Jahre Schusters Assistent mit dem Weltcup-team war. „Jeder weiß, dass Werner hier großartige Arbeit geleistet hat. Aber ich will meine eigenen Impulse setzen“, sagt Horngacher. Das kommt im Team jedenfalls gut an. „Er ist vom Typ her anders, aber ich komme auch mit ihm sehr gut aus“, sagt der 2019er-dreifach-weltmeister Markus Eisenbichler (Siegsdorf), der mit Stephan Leyhe (Willingen), Karl Geiger und Richard Freitag (beide Oberstdorf) zunächst Horngachers aussichtsreichstes Flugpersonal darstellt.
Schuster konnte ein Trainerteam gut lenken und vorausschauend denken, der neue Bundestrainer selbst greift noch viel aktiver ins Geschehen ein, wenn er seinen Springern Disziplin im Umgang miteinander, Konsequenz beim Techniktraining und Fortschritte bei der Materialentwicklung vermittelt.
Der 50-Jährige glänzt dann mit einem umfassenden Erfahrungsschatz, denn: „Mir gefällt, dass ich in einem sehr gut organisierten Skiverband arbeiten kann. Das ist etwas einfacher als in Polen. Dort war sehr viel Manpower – auch von meiner Seite – gefragt.“Das gilt zweifelsohne auch für einen Übergangswinter, in dem die Skiflug-weltmeisterschaft im slowenischen Planica einen Höhepunkt darstellt und in dem mit Olympiasieger Andreas Wellinger, dem einstigen Weltmeister Severin Freund sowie dem Toptalent David Siegel gleich drei potenzielle Leistungsträger wegen Kreuzbandrissen fehlen.
So liegt der Fokus darauf, Markus Eisenbichler zu mehr Konstanz zu verhelfen, Karl Geiger auf ein höheres Niveau zu heben, bei Stephan Leyhe dafür zu sorgen, dass er der Springer bleibt, „der jedes Jahr besser geworden ist – langsam, aber besser.“