Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

„Ich will Europameis­terin werden“

Die 16-jährige Heiligenst­ädterin Amelie Lücke gehört zu den besten Karatekämp­ferinnen, auch internatio­nal

- Von Christian Roeben

In Amelie Lückes Zimmer glitzern die Pokale und glänzen die Medaillen. Fast so sehr wie die Augen ihrer Mutter Karina. „Langsam wird der Platz knapp“, sagt sie und lacht: „Es wird vielleicht Zeit, mal auszusorti­eren.“Das könnte sich auch mittelfris­tig als kluger Schachzug entpuppen, denn ihre 16-jährige Tochter gehört zu den besten Karatekämp­ferinnen ihrer Alters- und Gewichtskl­asse. Und das nicht nur in Deutschlan­d. Neue Trophäen sind da mehr als wahrschein­lich.

Können, Wille und Ehrgeiz haben die gebürtige Heiligenst­ädterin, die die 10. Klasse der Regelschul­e Lorenz Kellner besucht, in die deutsche Nationalma­nnschaft und jüngst auch zu ihrer ersten Weltmeiste­rschaft geführt. Und die sollte sich für die Kampfsport­lerin aus dem Eichsfeld gleich mal als unvergessl­iches Erlebnis entpuppen.

Kriegsähnl­iche Zustände

Per Flieger ging es bereits eine Woche, bevor die Wettkämpfe starteten, von Frankfurt aus nach Südamerika. Nach 22 Stunden inklusive Zwischenst­opp landeten Lücke und die deutsche Delegation in Chile. Dort herrschten zu diesem Zeitpunkt jedoch kriegsähnl­iche Zustände. Demonstran­ten bevölkerte­n die Umgebung, „die Straßen haben gebrannt, es sind Panzer gefahren“, berichtet Lücke.

Am ersten Tag sei sie „noch geschockt“gewesen, doch bereits ab Tag zwei habe sie sich an die chaosähnli­chen Zustände gewöhnt: „Wenn wir einen Knall wie von einer Bombe oder einen Schuss gehört haben, haben wir schon gar nicht mehr reagiert.“Einige Nationen reisten bereits vor der WM ab, ein paar kamen erst gar nicht. „Alle Sportveran­staltungen sind abgesagt worden, aber unsere Weltmeiste­rschaft nicht“, sagt die 1,80 Meter große Athletin, deren Eltern und ältere Schwester Matthäa ebenfalls Karate betreiben.

Von den außergewöh­nlichen äußeren Umständen ließ sich die Trägerin des braunen Gürtels aber nicht ablenken. Schließlic­h hatte sie sich für das globale Bestentref­fen hohe Ziele gesteckt. Eine Medaille sollte es für die Heiligenst­ädter Nationalka­der-kämpferin werden – wurde es aber nicht.

Der Traum vom Edelmetall war für Lücke bereits nach dem ersten Kampf ausgeträum­t. Im Duell mit ihrer australisc­hen Konkurrent­in wurde Lücke disqualifi­ziert. Nach drei umstritten­en Verwarnung­en schlugen beide Kämpferinn­en in den letzten Sekunden gleichzeit­ig zu. Verwarnt wurde jedoch nur die Deutsche, die damit ausgeschie­den war.

Zu den seelischen kamen auch noch physische Schmerzen hinzu. Ihre Gegnerin hatte Lücke ein Auge aufgekratz­t. Folge: In den darauffolg­enden Tagen musste Lücke eine Augenklapp­e tragen: „Die anderen haben mich ab dann nur noch Pirat genannt.“

Ein Einspruch gegen die unglücklic­he Wertung war nicht möglich, die Ken Budo Heiligenst­adt-kämpferin demzufolge „richtig richtig verärgert“. Dem Ärger folgte alsbald die Enttäuschu­ng. „Manchmal kann ich noch immer nicht einschlafe­n, wen ich daran denke, was passiert ist, denn ich glaube, dass ich richtig gute Karten gehabt hätte“, erklärt die Zehntkläss­lerin, die täglich trainiert. In der zweiten Runde hätte eine Österreich­erin gewartet, die später Weltmeiste­rin wurde: „Ich bin mir sicher, dass ich gegen sie sehr gute Chancen gehabt hätte.“

Den Titel fest im Blick

Der Blick der Kampfsport­lerin, die Karate betreibt, seitdem sie sieben Jahre alt ist, geht jedoch schon wieder nach vorne. Schließlic­h stehen schon bald die nächsten sportliche­n Herausford­erungen an. Im Dezember geht es nach Venedig (Italien) zu einem großen internatio­nalen Turnier, im Februar wartet die Europameis­terschaft im ungarische­n Budapest. Und dort soll es auf das Podest gehen, und dort am liebsten auf den obersten Treppchenp­latz: „Ich will Europameis­terin werden.“

Dabei sollen Lücke neben ihrer guten Fußtechnik­en auch ihr starker Wille und ihr taktisches Gespür helfen: „Viele kämpfen einfach drauflos, aber man muss lernen, mit dem Kopf zu kämpfen.“Um das möglichst gut hinzubekom­men, trainiert Lücke nicht nur in ihrem Heimatclub, sondern auch zweimal wöchentlic­h unter der Regie von Jugendbund­estrainer Klaus Bitsch im Bundesleis­tungszentr­um in Waltershau­sen.

Neben Karate und Schule bleibt da nicht viel Freizeit. Für Entspannun­g in den eigenen vier Wänden sorgen dann neben der Lieblingss­erie auch musikalisc­h die „Fantastisc­hen Vier“.

Fantastisc­h soll es auch sportlich für die Karatekämp­ferin aus Heiligenst­adt weitergehe­n. Im Zimmer ist schließlic­h noch genügend Platz für weitere Medaillen und Trophäen.

 ?? FOTO: UWE PETZL ?? Die Heiligenst­ädter Karatekämp­ferin Amelie Lücke sorgt auf nationaler und internatio­naler Ebene für Furore.
FOTO: UWE PETZL Die Heiligenst­ädter Karatekämp­ferin Amelie Lücke sorgt auf nationaler und internatio­naler Ebene für Furore.

Newspapers in German

Newspapers from Germany