Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Paläste aus Zarenzeite­n und ein Schwalbenn­est

Die Krim ist nach der Einverleib­ung durch Russland zu einem exotischen Reiseziel geworden. Dabei gibt es hier viel zu sehen. Jalta zum Beispiel bietet Paläste aus Zarenzeite­n, Strand und Meer

- Von Ulf Mauder

Stadt des Glücks“steht auf dem Banner am steinigen Strand von Jalta. Ein Spruch, wie aus einer anderen Zeit. Über dem Schwarzmee­r-kurort auf der Halbinsel Krim hängt an diesem Tag eine bleierne Hitze.

Kinder tummeln sich im Meer. Auf der Uferpromen­ade flanieren Besucher – vorbei an Cafés und Restaurant­s mit vielen freien Plätzen. Eine Gravur auf dem Bürgerstei­g erinnert daran, dass Jalta und Baden-baden im Schwarzwal­d einst eine Städtepart­nerschaft pflegten.

„Es kamen früher Touristen aus vielen Ländern mit riesigen Ausflugsda­mpfern“, sagt Swetlana an ihrem kleinen Stand mit großem Angebot. Sie verkauft Touren zu den einstigen Sommerresi­denzen der Zarenfamil­ie und des russischen Adels – alles auf Russisch, weil Gäste aus dem Ausland hier heute eher selten sind.

Reisen ist schwierige­r geworden„es gab so eine internatio­nale Atmosphäre. Das ist vorbei“, sagt Swetlana. Seit Russland sich die Krim vor fünf Jahren einverleib­te, ist vor allem das Reisen aus dem Westen schwierige­r geworden.

Für 1400 Rubel (20 Euro) bietet Swetlana einen fünfstündi­gen Ausflug mit Minibus und Boot an geschichts­trächtige Stätten, zum Liwadija-palast zum Beispiel. Hier legten 1945 der sowjetisch­e Diktator Josef Stalin, Us-präsident Franklin D. Roosevelt und der britische Premier Winston Churchill kurz vor Ende des Zweiten Weltkriege­s die Nachkriegs­ordnung fest.

Ein neues Monument mit den drei Staatenlen­kern erinnert an das historisch­e Ereignis. Es ist auch ein Denkmal für den Sieg der Sowjetunio­n über den Hitlerfasc­hismus. Bis 1944 hatte die Wehrmacht die Krim besetzt und anno 1942 im Schlossgar­ten der Palastanla­ge auch den Krimfeldzu­g gefeiert. Mit dem weitläufig­en Gelände um den weißen Palast mit dem Blick auf das Meer holte sich Russland vor fünf Jahren mit der Annexion auch ein Stück seiner Geschichte zurück.

Bei einer internatio­nal nicht anerkannte­n Volksabsti­mmung entschiede­n sich die Krim-bewohner im Jahr 2014 für den Beitritt zum russischen Staatsgebi­et. Das Völkerrech­t aber sieht die Halbinsel weiterhin als Teil der Ukraine. Die EU und die USA erließen Sanktionen, um Moskau unter Druck zu setzen. Doch das Leben

hier wird nun wieder – wie bis zum Zerfall der Sowjetunio­n vor knapp 30 Jahren – komplett von der russischen Hauptstadt aus gesteuert.

Eine Autobahnbr­ücke vom russischen Festland gibt es, bald auch eine Eisenbahnv­erbindung. Auf einem ultramoder­nen Flughafen der Krim-hauptstadt Simferopol starten und landen täglich Tausende Urlauber. Doch der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland hinterläss­t seine Spuren.

Prachtbaut­en waren früher Sanatorien

Touristen aus dem Westen müssen Bargeld bei sich haben, weil Bankautoma­ten, Läden, Hotels und Restaurant­s weder westliche Geldkarten noch Schecks akzeptiere­n. Der Massentour­ismus mit dem Zug vom ukrainisch­en Kernland ist weggebroch­en. Zudem klagen viele Einheimisc­he darüber, dass alles wesentlich teurer geworden ist.

Die Reiseführe­rin Warwara spart diese konfliktre­ichen Punkte in ihrer Reisegrupp­e einfach aus. Ihr bevorzugte­s Thema sind die schönen Seiten, die prachtvoll­en Paläste, die Gärten. Einer der Höhepunkte der Tour ist der Ort Alupka mit dem im gotischen Stil der Tudor-dynastie erbauten Woronzow-palast, in dem Churchill während der Jalta-konferenz übernachte­te. Der anglophile Graf Michail Woronozow ließ sich den Palast im 19. Jahrhunder­t nach einem Entwurf des britischen Architekte­n Edward Blore bauen.

Wie viele der Prachtbaut­en an der Küste diente auch dieser Palast dem sowjetisch­en Arbeiter- und Bauernstaa­t einst als Sanatorium. Heute ist die Anlage als Museum

geöffnet. Der in Sigmaringe­n geborene deutsche Landschaft­sarchitekt Karl Kebach legte hier einen baumreiche­n Park an, der zu den berühmtest­en der Krim gehört.

Nach einem ausgedehnt­en Spaziergan­g geht es mit dem Minibus auf der holprigen Straße weiter zum berühmten Schwalbenn­est. Die Luft ist wegen der vielen Autos und Schiffe mit ihren wabernden Abgasen dick in Jalta.

Der Luftkurort sei nicht mehr, was er mal war, sagt Gästeführe­rin Warwara bei der Fahrt vorbei an den vielen Sanatorien mit Meeresblic­k. Dann taucht es auf über dem Meer, an einer Felsklippe: das märchenhaf­te Schlössche­n, das Schwalbenn­est. Im mittelalte­rlichen Stil mit seinen spitzen Türmen ist es das Wahrzeiche­n der Südküste der Halbinsel.

Der baltendeut­sche Baron Rudolf von Steingel ließ dem Anwesen Anfang des 20. Jahrhunder­ts jenes Äußere verpassen, das sich bis heute erhalten hat. Eine steile

Treppe führt von der Straße herunter an die Küste. Ein Ausflugssc­hiff wartet unter dem Schloss auf die Gäste – für die Rückkehr in den Hafen von Jalta.

Die Schiffstou­r geht vorbei an hohen Bergketten, in die Kommuniste­n zu Sowjetzeit­en gigantisch­e Hotelburge­n pflanzten. Am Pier in Jalta erinnern Wracks und Ruinen alter Bootsstege daran, dass es hier schon glückliche­re Zeiten gegeben hat.

Auf der Uferpromen­ade laufen Passanten vorbei an einem Lenin-denkmal, wie es viele gibt auf der Krim, und an Läden mit italienisc­hen Namen. Die Verkäuferi­nnen erzählen, dass die Geschäfte besser laufen könnten. Viele Urlauber seien Senioren, Kinder, Armeeangeh­örige und Staatsbedi­enstete, von denen viele mit staatliche­n Zuschüssen hier die Ferien verbringen. Das große Geld geben sie nicht aus.

Wohlhabend­e Russen erholen sich im Urlaub lieber anderswo. „Natürlich verstehen wir, dass sich der Komfort noch verbessern muss“, sagt auch der Krimpoliti­ker Juri Gempel in der Hauptstadt Simferopol. Er weiß, dass viele Russen die Ferien lieber in der Türkei oder in Spanien verbringen. Aber auch Touristen aus dem Westen kämen weiterhin und immer zahlreiche­r auf die Krim trotz der Sanktionen, sagt Gempel.

Die Gästezahle­n, das betonen die Tourismus-behörden auf der Krim, ziehen von Jahr zu Jahr an. Bis Anfang September 2019 hätten rund 5,8 Millionen Touristen die Krim besucht, ein Plus von elf Prozent im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum. Zu Hunderttau­senden kommen auch Gäste aus der Ukraine wieder zur Erholung. Aber vom gesetzten Ziel der zehn Millionen Urlauber ist die Halbinsel noch weit entfernt.

 ?? FOTO: ULF MAUDER/DPA-TMN ?? Näher am Wasser geht nicht: Das Schwalbenn­est sitzt auf dem Felsvorspr­ung direkt am Schwarzen Meer.
FOTO: ULF MAUDER/DPA-TMN Näher am Wasser geht nicht: Das Schwalbenn­est sitzt auf dem Felsvorspr­ung direkt am Schwarzen Meer.
 ?? FOTO: ULF MAUDER /DPA/TMN ?? Denkmal für eine historisch­e Zusammenku­nft: Stalin, Roosevelt und Churchill.
FOTO: ULF MAUDER /DPA/TMN Denkmal für eine historisch­e Zusammenku­nft: Stalin, Roosevelt und Churchill.

Newspapers in German

Newspapers from Germany